Nordwest-Zeitung

PLiebe für alle, Hass für keinen“

Wie Muslime versuchen, das Bild ihrer Religion zu verändern

- VON LARS RECKERMANN UND ALEXANDER WILL

FRAGE: Die Ahmadiyya-/uslim-Gemeinscha­0t m1chte in Deutschlan­d 02r einen 0riedliche­n 3slam 4erben und tut dies zurzeit in verschiede­nen St5dten Deutschlan­ds . 6ie o0t 4urden Sie schon als 7anati#er bezeichnet­8 MUMTAZ: Die Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ) steht für das Motto „Liebe für Alle, Hass für keinen“und wird als Reformbewe­gung innerhalb des Islam eingeordne­t. Nächstenli­ebe, Mitgefühl für alle Menschen und Läuterung im spirituell­en Sinne durch Gebet stehen im Vordergrun­d von vernunftor­ientierten Glaubensgr­undsätzen. Die AMJ ist die Gegenbeweg­ung zu den politisch motivierte­n, fanatische­n und extremisti­schen Lesarten einiger selbsterna­nnter Muslime. FRAGE: 6arum startet die Kampagne in Cloppenbur­g8 Die Stadt ist nicht gerade 02r eine radi#ale muslimisch­e Szene be#annt8 MUMTAZ: Die Kampagne dient dazu, breit und über alle Gesellscha­ftsschicht­en hinweg über den Islam zu informiere­n. Angesichts der erstarkend­en rechts-nationalen Tendenzen in ganz Deutschlan­d, die sich durch die Veränderun­g des Bundestags deutlich gezeigt haben, können Muslime nicht schweigen über die unhaltbare­n Vorurteile und Vorwürfe, die zu populistis­chen Zwecken verbreitet werden. Diesen Tendenzen treten wir mit unserer Info-Kampagne entgegen und bieten Raum für eine unmittelba­re Begegnung mit Muslimen, die in Deutschlan­d leben und Deutschlan­d als ihre Heimat erachten. FRAGE: 6ie reagieren andere muslimisch­e 9ereinigun­gen au0 3hre Kampagne8 MUMTAZ: Die Reaktionen sind facettenre­ich und reichen von Bewunderun­g bis hin zum Ignorieren. Die breite Mehrheit der Muslime in Deutschlan­d ist sich darüber im Klaren, dass unser offenes Gesprächs- und Informatio­nsangebot angesichts der politische­n Situation notwendig geworden ist. FRAGE: Selbst 4enn Sie deutlich machen, dass Sie 02r <eimatliebe und =oyalit5t zum deutschen Staat stehen – 4elchen Ein0luss #1nnen Sie als A/: au0 radi#ale islamische Gruppen 2berhaupt nehmen8 MUMTAZ: Die Botschaft der bedingungs­losen Nächstenli­ebe zu allen Menschen, Heimatlieb­e zu einem Land, unter dessen schützende­m Schirm man sich sogar religiös entfalten kann, und Loyalität und Gesetzestr­eue sind grundsätzl­iche Glaubenssä­tze der Lehre des Propheten Muhammad und Pflicht für alle Muslime. Wir informiere­n breit darüber, damit Menschen sich nicht von Rattenfäng­ern und geistigen Brandstift­ern in ihrer Meinung über den Islam leiten lassen. Die Gründung der AMJ vor 128 Jahren in Indien erfolgte auf Geheiß Gottes und unter der Prämisse, dass die muslimisch­en Gelehrten den Kern des Glaubens durch politische und wirtschaft­liche Interessen manipulier­t haben. Daher

verstehen wir uns als Gegenbeweg­ung zu allen radikalen Ansichten innerhalb des Islam. FRAGE: 6arum glauben sie, 02r die /ehrheit der /oslems in Deutschlan­d sprechen zu #1nnen, ob4ohl die Ahmadiyya nur eine #leine /inderheit darstellt8 MUMTAZ: Als einzige in Deutschlan­d anerkannte islamische Glaubensge­meinschaft mit Status einer Körperscha­ft des öffentlich­en Rechts (Hamburg, Hessen) sehen wir uns organisato­risch und inhaltlich in der Pflicht, für die Muslime in Deutschlan­d zu sprechen. Für alle Muslime gelten im Grunde die gleichen Glaubensan­sätze, so dass die faktischen Glaubensun­terschiede innerhalb fast aller Muslime marginal sind; innerhalb des sunnitisch­en Spektrums sind die Unterschie­de noch mal deutlich geringer, so dass alle Muslime die Botschaft anerkennen. FRAGE: 6ie gehen Sie im innerislam­ischen Dialog damit um, dass die 4esentlich­en Str1mungen des 3slam die Ahmaddiyya als h5retisch betrachten und sogar ein Zugangsver­bot 02r /e##a besteht8 MUMTAZ: Die AMJ steht für jeden innerislam­ischen und religionsü­bergreifen­den Dialog zur Verfügung. In Ländern wie Saudi-Arabien, Pakistan, Bangladesc­h, Indonesien und sogar Bulgarien besteht eine staatlich verordnete Diskrimini­erung und gesetzlich-legitimier­te Benachteil­igung von Ahmadi-Muslimen. Die AMJ bringt überall dort, wo Religionsf­reiheit herrscht, die prekäre Situation und die Diskrimini­erung zur Sprache. Ahmadi-Muslime sind aufgrund der Gefährdung­slage dazu gezwungen, den Besuch der heiligen Pilgerstät­ten in Mekka und Medina zu meiden. FRAGE: 6arum 4aren bei 3hrem :ugendtre00­en An0ang ;#tober #eine 7rauen zugelassen­8 6arum besteht 3hre ;rganisatio­n au0 derartige Geschlecht­ertrennung­en8 MUMTAZ: Zur Jahresvers­ammlung der Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschlan­d in Karlsruhe versammelt­en sich ungefähr 40 000 Frauen und Männer. Das Jahrestref­fen der Frauen fand am 14. Juli statt. Es nahmen mehrere Tausend Frauen und Mädchen teil. Daran erkennen Sie, wie einfach es ist, Vorverurte­ilungen implizit ins Gespräch zu bringen oder gar medial zu verbreiten. Es ist offensicht­lich, dass am Jahrestref­fen der jungen Männer (bis 40 Jahren) auch nur Männer teilnehmen. Die Geschlecht­ertrennung ist Teil des islamische­n Moralkodex für religiöse Programme. Das Gebet findet getrennt statt, um während der körperbeto­nten Haltung, u.a. während der Niederwerf­ung mit Stirn auf dem Boden, keine ungewöhnli­chen Blicke aufeinande­r zu laden und abzulenken. Derartige Großverans­taltungen mit der jeweiligen Haupthalle, die als Ersatzmosc­hee dient, sind mit mehreren Gebeten und Zeremonien pro Tag geknüpft, die eine Geschlecht­ertrennung erfordern.

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