Nordwest-Zeitung

Lindner hat die Flucht ergriffen

Grünen-Unterhändl­er Jürgen Trittin gibt dem FDP-Chef die Schuld für das Jamaika-Aus. Er spricht von einer gro<en Inszenieru­ng.

- VON TOBIAS SCHMIDT, BÜRO BERLIN

FRAGE: Herr Trittin, ist Jamaika wirklich tot oder sehen Sie die Möglichkei­t zu einem neuen Anlauf?

TRITTIN: Christian Lindner hat gesagt, er sehe keinen Sinn in einer Fortsetzun­g. Dabei lag eine Einigung über zentrale Wahlverspr­echen der FDP am Sonntagabe­nd auf dem Tisch. Das ging von zehn Milliarden Euro Investitio­nen in den Ausbau der digitalen Infrastruk­tur über eine Absage an die anlasslose Vorratsdat­enspeicher­ung bis zur Abschaffun­g des Solidaritä­tszuschlag­es. Lindner hat trotzdem die Flucht ergriffen.

FRAGE: Auch beim Klimaschut­z und beim Familienna­chzug gab es keine gemeinsame Linie. War es nicht konsequent, die Notbremse zu ziehen? TRITTIN: Selbst die CSU hat gesagt: Mit den Grünen hätte man auch in diesen Punkten eine Regierung bilden können. Es ist allein an der FDP gescheiter­t. FRAGE: Sie lassen den Vorwurf nicht gelten, Sie hätten das Vertrauen beschädigt und – nach den letztlich erfolglose­n schwarz-grünen Gesprächen 2013 – erneut eine Einigung platzen lassen? TRITTIN: Die Verantwort­ung trägt nur einer alleine, und das ist Christian Lindner. Er ist aufgestand­en und gegangen. Die Anzeichen, dass er am Ende die Tür zuknallen würde, hatten sich seit Freitag gehäuft, gerade als sich zwischen allen Sondierern auch in den schwierige­n Fragen Annäherung­en abzeichnet­en. Der Ausstieg kurz vor Mitternach­t am Sonntag wurde dann von Lindner mit großer Geste vollzogen. Aber das war komplett inszeniert und vorbereite­t. FRAGE: Blicken wir nach vorn. Würden Sie sich wieder mit Lindner an den Tisch setzen, wenn dieser den Aufrufen des Bundespräs­identen folgt? TRITTIN: Wir Grüne reden mit allen demokratis­chen Parteien über eine Regierungs­bildung. Dabei bleibt es, und dazu bleibe auch ich bereit. Wenn es das Wahlergebn­is erfordert, müssen demokratis­che Parteien handlungs- und regierungs­fähig sein. Im Moment gibt es aber zwei Parteien, die sich verweigern. Die SPD gönnt sich eine Auszeit von der Politik. Und die FDP hat sich entschiede­n, auf die Umsetzung der eigenen Politik zu verzichten und die Regierungs­verantwort­ung zu scheuen. Wenn es dabei bleibt, dürfte neu gewählt werden.

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DPA-BILD: KAPPELER

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