Alles wird besser
Niedersachsens neue Landesregierung kann vor Kraft kaum laufen. 105 von 137 Abgeordneten im Landtag gehören zu SPD oder CDU. Und offensichtlich passt in diesen mächtigen Block (noch) kein Blatt Papier. Dass SPDMinisterpräsident Stephan Weil „nur“104 Ja-Stimmen bei einer Enthaltung aus dem vermutlich eigenen Lager bei der geheimen Wahl erhielt, wird später allenfalls Historiker interessieren. Die Opposition verdient fast schon Mitleid. Zumindest die FDP hätte es anders haben können. Schnee von gestern.
Mit Weil und seinem Vize-Ministerpräsidenten, CDUChef Bernd Althusmann, regieren zwei äußerst ähnliche Charaktere. Beide gehören zum Typus Landesvater. Althusmann noch eine Spur gravitätischer als Weil. Aber der eine ist halt die Nummer 1.
Große Koalitionen besitzen den Hang, allen wohl und keinem weh zu tun. Schließlich muss eine breite Klientel bedient werden. Und wozu hat man schließlich eine große Mehrheit im Landtag? Erwartungen der eigenen Basis müssen befriedigt werden. Alles wird besser.
Entsprechende Signale setzt schon die erste Regierungserklärung durch den Ministerpräsidenten: „Gemeinsam für ein modernes Niedersachsen.“Wer kann da widersprechen? Diese Landesregierung möchte ihr Bestes geben, heißt es dort. Das erwarten die Bürger zu Recht. Warum diese Versicherung? Auch dass man Niedersachsen voranbringen will, überrascht nicht wirklich. Ebenso wenig wie das Bekenntnis zu Innovation, Bildung, Sicherheit und Zusammenhalt. Ein Sammelsurium von Worthülsen: Modernisierung, Zukunftssicherung, Verantwortung, Herausforderung und aktive Zivilgesellschaft. Das gehört in den Baukasten einer Standard-Politikerrede. Langweilig.
Wenig dazu, dass auch Niedersachsen vor großen Umbrüchen steht: mit einer dramatischen Veränderung der Arbeitswelt, der Digitalisierung aller Lebensbereiche von der Geburt bis ins höchste Alter, Pflegenotstand, abgehängte Regionen, demografischer Wandel und sozialer Schere. Kaum ein Wort dazu. Visionen plagen diese Große Koalition nicht.
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