Koalitionäre in Österreich auf Kuschelkurs
Bundespräsident könnte Vetorecht gegen FPÖ-Kandidaten nutzen
WIEN – Das Drehbuch zur Regierungsbildung in Österreich empfiehlt bisher Harmonie statt Drama. Bei ihren gemeinsamen Auftritten präsentieren sich ÖVP-Chef Sebastian Kurz und der FPÖVorsitzende Heinz-Christian Strache als politisches Duo, das scheinbar nichts trennen kann. Der im Wahlkampf versprochene „neue Stil“– konstruktives Miteinander statt missgünstiges Gegeneinander – soll bereits in der Frühphase der Zusammenarbeit einziehen. Das „formidable Betriebsklima“, so das Magazin „Profil“, kommt nach einem Monat aber mehr und mehr auf den Prüfstand der konkreten inhaltlichen Arbeit. Bis Freitag sollen die 25 Fachgruppen ihre Zwischenergebnisse vorlegen – dann wird klarer werden, wohin die Reise der Alpenrepublik unter Schwarz/Blau gehen könnte.
Einzig ihr Lieblingsfeld „Bekämpfung der illegalen Migration“und „Zuwanderung ins Sozialsystem“haben Konservative und Rechtspopulisten öffentlich abgehandelt. So soll die bisher geltende, juristisch und politisch umstrittene Obergrenze von aktuell 35000 Asylverfahren von einer noch schärferen Gangart abgelöst werden. „Wir sind da deutlich ambitionierter“, umschrieb ÖVP-Chef Kurz das Ziel, die illegale Migration möglichst ganz zu stoppen. Obendrein sollen Asylberechtigte erst nach zehn statt nach sechs Jahren einen Antrag auf Staatsbürgerschaft stellen können. Die Mindestsicherung soll für Neuankömmlinge fünf Jahre lang auf rund 520 Euro gekürzt und für Familien bei 1500 Euro gedeckelt werden.
Zwei Themen mit Sprengkraft machten in den ersten vier Wochen der Koalitionsverhandlungen Schlagzeilen. So will Bundespräsident Alexander Van der Bellen dem Vernehmen nach sein Veto- recht nutzen, wenn ihm einzelne FPÖ-Ministerkandidaten nicht behagen. Dazu soll auch der wegen seiner markigen, europakritischen Sprüche bekannte EU-Abgeordnete Harald Vilimsky zählen. Außerdem liebäugelt die FPÖ, aus Rücksicht auf die Stammtische der Republik, mit einer Rücknahme des zum 1. Mai 2018 beschlossenen Rauchverbots in der Gastronomie. „Das ist so ziemlich das Blödeste, was man tun kann“, schüttelte der Chef der Universitätenkonferenz, Oliver Vitouch, aus medizinischer Sicht den Kopf. Österreich ist europaweit das Schlusslicht im Nichtraucher-Schutz.