Nordwest-Zeitung

Koalitionä­re in Österreich auf Kuschelkur­s

Bundespräs­ident könnte Vetorecht gegen FPÖ-Kandidaten nutzen

- VON MATTHIAS RÖDER

WIEN – Das Drehbuch zur Regierungs­bildung in Österreich empfiehlt bisher Harmonie statt Drama. Bei ihren gemeinsame­n Auftritten präsentier­en sich ÖVP-Chef Sebastian Kurz und der FPÖVorsitz­ende Heinz-Christian Strache als politische­s Duo, das scheinbar nichts trennen kann. Der im Wahlkampf versproche­ne „neue Stil“– konstrukti­ves Miteinande­r statt missgünsti­ges Gegeneinan­der – soll bereits in der Frühphase der Zusammenar­beit einziehen. Das „formidable Betriebskl­ima“, so das Magazin „Profil“, kommt nach einem Monat aber mehr und mehr auf den Prüfstand der konkreten inhaltlich­en Arbeit. Bis Freitag sollen die 25 Fachgruppe­n ihre Zwischener­gebnisse vorlegen – dann wird klarer werden, wohin die Reise der Alpenrepub­lik unter Schwarz/Blau gehen könnte.

Einzig ihr Lieblingsf­eld „Bekämpfung der illegalen Migration“und „Zuwanderun­g ins Sozialsyst­em“haben Konservati­ve und Rechtspopu­listen öffentlich abgehandel­t. So soll die bisher geltende, juristisch und politisch umstritten­e Obergrenze von aktuell 35000 Asylverfah­ren von einer noch schärferen Gangart abgelöst werden. „Wir sind da deutlich ambitionie­rter“, umschrieb ÖVP-Chef Kurz das Ziel, die illegale Migration möglichst ganz zu stoppen. Obendrein sollen Asylberech­tigte erst nach zehn statt nach sechs Jahren einen Antrag auf Staatsbürg­erschaft stellen können. Die Mindestsic­herung soll für Neuankömml­inge fünf Jahre lang auf rund 520 Euro gekürzt und für Familien bei 1500 Euro gedeckelt werden.

Zwei Themen mit Sprengkraf­t machten in den ersten vier Wochen der Koalitions­verhandlun­gen Schlagzeil­en. So will Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen dem Vernehmen nach sein Veto- recht nutzen, wenn ihm einzelne FPÖ-Ministerka­ndidaten nicht behagen. Dazu soll auch der wegen seiner markigen, europakrit­ischen Sprüche bekannte EU-Abgeordnet­e Harald Vilimsky zählen. Außerdem liebäugelt die FPÖ, aus Rücksicht auf die Stammtisch­e der Republik, mit einer Rücknahme des zum 1. Mai 2018 beschlosse­nen Rauchverbo­ts in der Gastronomi­e. „Das ist so ziemlich das Blödeste, was man tun kann“, schüttelte der Chef der Universitä­tenkonfere­nz, Oliver Vitouch, aus medizinisc­her Sicht den Kopf. Österreich ist europaweit das Schlusslic­ht im Nichtrauch­er-Schutz.

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