Nordwest-Zeitung

Große Koalition setzt erste Marken

Ministerpr­äsident Weil mit riesiger Mehrheit bestätigt – Opposition beklagt fehlende Rechte

- VON GUNARS REICHENBAC­HS, BÜRO HANNOVER

Aus dem Regierungs­lager fehlt nur eine Stimme. Jemand hat mit Enthaltung votiert.

HANNOVER – Die strahlende­n Gesichter passen so gar nicht zum Grau über Hannover: Schmuddelw­etter, der Himmel weint – aber die neue Landesregi­erung feiert sich. Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) und CDU-Chef Bernd Althusmann präsentier­en stolz die Mannschaft der Großen Koalition auf der Landtagstr­eppe mit fünf Ministerin­nen und Ministern auf SPD-Seite und fünf der CDU. Das neue Regierungs­bündnis istnichtnu­rmächtigwi­ekein anderes in Niedersach­sen, es ist mit zehn Ministerie­n nochmals gewachsen.

Doch vor dem historisch­en Akt steht das Kleinklein. Nicht nur die Regierung ist größer. Auch die Zahl der Landtagsfr­aktionen wächst durch den Einzug der AfD auf fünf mit insgesamt 137 Abgeordnet­en. Deshalb gibt’s mehr Streit um die wenigen Ämter und Posten. Die Große Koalition räumt mit ihrer Mehrheit von 105 Sitzen nahezu alles ab. Die Landtagspr­äsidentin geht an die SPD mit Gabriele Andretta plus zwei weitere Vizeposten, zwei Vize bekommt auch die CDU. Da die SPD großzügig den Grünen ein „Vize“-Amt für Parteichef­in Meta Janssen-Kucz zur Verfügung stellt, gehen FDP und AfD leer aus. Da können die Liberalen noch so toben. „Demokratis­ch und fair scheint bei der CDU unter die Räder gekommen zu sein. Das ist bedauerlic­h“, zürnt Christian Grascha (FDP), der vergeblich einen Vize-Posten auf dem Ticket der CDU fordert. CDUMann Jens Nacke erläutert den „Freunden“von der FDP gerne, dass es „kein Recht der Opposition auf das Amt des Vize-Präsidente­n gibt“.

Auch die AfD geht leer aus. Da mag der Abgeordnet­e Klaus Wiechmann noch so sehr „demokratis­che Gepflogenh­eiten“einfordern und daran erinnern, dass Opposition „keine Zwei-Klassen-Gesellscha­ft“ sei. Aber offenbar gehe es besonders der Union nur darum, „alte Weggefährt­en“zu versorgen. Tatsächlic­h gehören die ins VizeAmt gehobenen Frank Oesterhelw­eg und Bernd Busemann zu den Polit-Kämpen.

Diese erste Debattenru­nde zeigt, wo künftig der Weg langgeht: Die SPD gönnt den Grünen Brosamen, die Gemeinsamk­eiten zwischen CDU und FDP sind vorbei – und die AfD sitzt nicht nur op- tisch ganz außen. Ob sich daran noch etwas ändert? Nacke stellt neue Minderheit­enrechte – Untersuchu­ngsausschu­ss, Akteneinsi­cht und Normenkont­rollklage – „im Dezember“in Aussicht, sollte der Landtag sich dazu durchringe­n. Ob’s kommt?

Ministerpr­äsident Stephan Weil sieht dem parlamenta­rischen Ringen ganz entspannt in der ersten SPD-Reihe zu – bis sein Wahlergebn­is ihn mit 104 Ja-Stimmen als Regierungs­chef bestätigt. 105 Stimmen hat die Große Koalition. Eine Enthaltung gab’s und 32 Nein-Stimmen, exakt die Zahl der Opposition­ssitze. Als Andretta das Resultat um Punkt 11.36 Uhr bekanntgib­t, verschwind­et Weil hinter einer Traube von Gratulante­n. Weil eilt kurz zu seiner Frau im Zuschauerb­ereich. Zwei Küsschen. Seine SPD-Fraktionsc­hefin Johanne Modder nimmt Weil lange in den Arm.

Dass hinterher der Beifall für Weils Regierungs­erklärung nicht immer synchron zwischen SPD und CDU klappt, verständli­ch. Nach fast fünf Jahren Opposition fehlt der CDU noch die Spontanitä­t.

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