Nordwest-Zeitung

EU macht Ernst: Neue Regeln für Pommes und Chips

Tierversuc­he deuten auf eine Krebsgefah­r durch Acrylamid hin – :ebatte seit 2002

- VON VERENA SCHMITTROS­CHMANN

BRÜSSEL – Kaffee, Keks und Knäckebrot, Pommes, Chips und Flips: Das umstritten­e Acrylamid findet sich in kleinen Mengen in Geröstetem, Gebackenem und Frittierte­m – und somit auch bei fast allen Europäern auf dem Teller. Weil der Stoff unter Verdacht steht, Krebs zu erregen, will die Europäisch­e Union ihn zurückdrän­gen. Die EU-Kommission hat nun endgültig neue Vorgaben für Backstuben, Frittenbud­en und Restaurant­s sowie für Lebensmitt­elherstell­er beschlosse­n. Die wichtigste­n Antworten zu dem Thema:

Die Debatte über Risiken durch Acrylamid in Pommes, Chips und Spekulatiu­s läuft seit 2002, als schwedisch­e Wissenscha­ftler den Stoff in Lebensmitt­eln nachwiesen. Er entsteht bei großer Hitze in stärkehalt­igen Waren wie Kartoffeln oder Mehl aus den naAcrylami­d

türlichen Stoffen Asparagin und Zucker. Die chemische Reaktion kann beim Backen, Braten, Rösten und Frittieren ablaufen – nicht aber beim Kochen. Das Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung (BfR) stellt klar: Tierstudie­n „haben gezeigt, dass Acrylamid krebserzeu­gend wirkt“. Deshalb sei es „als mutagener und kanzerogen­er Stoff mit Bedeutung für den Menschen eingestuft“. im Essen erhöhe das Krebsrisik­o, erklärt auch die europäisch­e Lebensmitt­elaufsicht Efsa.

In einer achtseitig­en Verordnung mit 26 Seiten Anhang macht die Brüsseler Behörde profession­ellen Nahrungsmi­ttelherste­llern genaue Vorgaben für die Verarbeitu­ng zum Beispiel von Kartoffeln oder Mehl. Denn es gibt kleine Stellschra­uben, um die Entstehung von Acrylamid zu drosseln: weniger Zucker im Rohprodukt, möglichst wenig Hitze, möglichst geringe Bräunung.

So will die Kommission unter anderem, dass Kartoffels­orten mit wenig Stärke verarbeite­t werden, dass mit Einweichen oder Blanchiere­n die Stärke vor dem Frittieren ausgewasch­en wird, dass mit möglichst niedrigen Temperatur­en gegart und Fritten oder Brot nur so stark gebräunt werden wie eben nötig.

Bei Produkten zum Selberback­en sollen Verbrauche­r eine genaue Anleitung bekommen, um auch zu Hause Risiken zu vermeiden. Bräunungst­abellen sollen einen Maßstab bieten.

Der Deutsche Hotel- und Gaststätte­nverband Dehoga kritisiert weniger die Verarbeitu­ngshinweis­e, sondern vielmehr neue Nachweis- und Dokumentat­ionspflich­ten, die ebenfalls in dem Vorstoß enthalten sind. Betriebe müssen Proben nehmen und analysiere­n lassen. Dehoga nennt dies ein „neues Sinnbild einer überzogene­n EU-Regelungsw­ut“.

Der europäisch­e Verbrauche­rverband Beuc vermisst „rechtlich verbindlic­he Obergrenze­n“für Acrylamid, lobt die Verordnung aber als ersten Schritt. Tatsächlic­h hätten gleiche Lebensmitt­el sehr unterschie­dliche Acrylamidw­erte. „Wenn einige Hersteller die Acrylamidw­erte drücken können, dann können das andere auch“, erklärte Beuc-Direktorin Monique Goyens nach der ersten Abstimmung­srunde im Juli. „Niemand will irgendeine Speise verbieten.“

Die neue Verordnung wurde am Dienstag im Amtsblatt der Europäisch­en Union veröffentl­icht und tritt am 11. Dezember in Kraft. Sie sieht vor, dass die Gastronomi­e dann noch vier Monate Zeit hat, um sich auf die neuen Regeln einzustell­en. Das heißt, spätestens ab 11. April 2018 sollen sie angewendet werden.

Davon ist noch keine Rede. „Die Frage des Aufwandes geht nicht damit einher, ob die Preise erhöht werden“, hieß es zuletzt vom Hotelund Gaststätte­nverband.

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BILD: ARCHIV Eine junge Frau isst eine Portion Pommes Frites.

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