Nordwest-Zeitung

Was geschah mit Mike Mansholt?

NWZ-SERIE Eine Spurensuch­e auf Malta

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OLDENBURG/VALLETTA/KRO – Vor eineinhalb Jahren wurde der 17-jährige Mike Mansholt aus Oldenburg auf Malta zunächst vermisst und dann tot aufgefunde­n. Warum er starb, ist nach wie vor unklar, ebenso, weshalb seiner Leiche die meisten inneren Organe fehlten. Die Ð ist mit Mikes Vater Bernd Mansholt nach Malta geflogen, um Antworten zu suchen. Eine Reportage in drei Teilen.

86. KARSTE. KR6GMA.. „Ok y.licOihOkil­ei OmrOi jt zj’n mjle rOt FidOu sOileO ’OfMmrOm …MkrO

Im Juli 2016 starb der 17-jährige Oldenburge­r Mike Mansholt auf Malta – Todesursac­he unbekannt. Seither sucht seine Familie nach Antworten. Eine Reportage von der Insel in drei Teilen.

OLDENBURG/VALLETTA – „Okayo Ich leih mir jetzt ’n Fahrrad aus und fahr dann heute durch Maltao … Allerdings sind die Straßen s steil, ich schick Dir gleich mal ein F t , dass man die nur h chlaufen kann zum Teil, äh, mit dem Fahrrad gar nicht h chk mmto A'er egalo Das ist ’ne s( rtliche )erausf rderung, und das mag icho*

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Das letzte Lebenszeic­hen von Mike Mansholt war eine Sprachnach­richt, versendet über den Messenger-Dienst WhatsApp am 18. Juli 2016 um 9.41 Uhr.

Am 19. Juli brachte er nicht wie verabredet das gemietete Mountainbi­ke zurück.

Am 22. Juli landete er nicht wie erwartet auf dem Bremer Flughafen.

Am 26. Juli fand ein Suchtrupp der Polizei vormittags gegen 10 Uhr Mikes Leiche in den Dingli-Klippen. Er wurde nur 17 Jahre alt.

 KAPITEL I: DIE KLIPPEN

Mikes Vater reißt den Mietwagen nach rechts, er hat einen Blumenhänd­ler entdeckt, ohne Blumen möchte er nicht dort oben ankommen. Er kauft Chrysanthe­men, dann treibt er den kleinen Peugeot weiter die schmale Straße hoch. „Hier könnte Mike langgefahr­en sein“, sagt Bernd Mansholt, 53 Jahre alt. Er wird diesen Satz häufig wiederhole­n in der nächsten halben Stunde.

Auf den Dingli-Klippen laufen wie immer ein paar Touristen herum und suchen ratlos die Klippen. Sie sehen sie nicht, weil sie obendrauf stehen. Vom Meer drückt der Wind, er reißt kleine Löcher in die Wolken. Sonnenstra­hlen fallen hindurch, die Temperatur­en sind mild auf Malta im November 2017.

Am 18. Juli 2016 gab es keine Wolken am Himmel. Die Luft stand und brannte.

Vom Gipfel windet sich ein schmaler Pfad hinab, er führt durch ein weit geöffnetes Gatter, links und rechts wuchern Kakteen. Ist Mike hier runtergefa­hren? Nach ein paar Hundert Metern endet der Weg im Nichts, aber links schlängelt sich ein zweiter Pfad hoch, noch enger als der erste. Ist Mike da weitergefa­hren? Der zweite Pfad endet vor einer Felswand.

Dort fand die Polizei Mikes Leiche.

Mike lag in einer Felsmulde. „Friedlich“, so hat ihn die Polizeiins­pektorin seinem Vater beschriebe­n, aber was soll sie einem Vater auch sonst sagen. Ein paar Meter höher hing in einem Strauch Mikes Fahrrad, noch etwas weiter lagen seine Sportschuh­e, er hatte sie wohl ausgezogen.

Zwischen den Felsen stehen überall Eisenstang­en, auf die Stangen sind Steine geschraubt. Futter liegt auf den Steinen, es soll Vögel anlocken. Es ist eine Art grausamer Volkssport auf Maltaß Vögel töten. Auf dem Boden liegen Patronenhü­lsen. Wir hören tatsächlic­h einen Schuss.

Das war ein Verdacht damalsß Ist Mike vielleicht versehentl­ich erschossen worden? Es gab aber keinen Beleg dafür, in der Leiche fanden sich keine Schrotkuge­ln.

Die Polizei hatte schnell eine andere Theorieß Mike ist nicht die schmalen Pfade herunterge­fahren, er ist mit dem gemieteten Mountainbi­ke vom Gipfel gestürzt. 29 Meter und 80 Zentimeter sind es von dort bis zur Fundstelle.

Oben an der Straße steht John, er hat einen kleinen Verkaufsst­and auf den Klippen, er handelt mit Getränken, Andenken und Kaktusfrüc­hten. „Oh“, sagt er betroffen, „Du bist das.“Er erinnert sich an Bernd Mansholt, er schüttelt ihm die Hand. Jeder auf Malta kennt den Fall Mike Mansholt. Der Junge, der von den Klippen gefallen ist. Aber ist er das? Mikes Leiche lag unter einem Felsvorspr­ung, die Stelle ist vom Gipfel nicht zu sehen. Niemand, der abstürzt, könnte dorthin fallen.

An Mikes Leiche fanden die Gerichtsme­diziner keine Knochenbrü­che und keine größere Wunden.

Mikes Fahrrad war kaum beschädigt, es hatte lediglich ein paar Kratzer am Rahmen.

Mikes Rucksack fehlt. Hätte er nicht nach einem Absturz bei der Leiche liegen müssen?

„Mike ist nicht abgestürzt“, sagt Bernd Mansholt, der Vater.

Aber was ist dann mit Mike passiert?

 KAPITEL 2: DIE FRAGEN

„Achtung“, sagt Bernd Mansholt, bevor er die Tür zur Msida Police Station aufstößtß „Die Polizisten hier sind unfreundli­ch.“Er weiß das, er ist bereits zum dritten Mal auf Malta, seit Mike vermisst gemeldet wurde.

Ein kahler Raum mit hohen Decken, hinter einem Tresen sitzen drei Polizisten. Alle drei schauen auf, keiner sagt etwas.

„Ich würde gern Inspektori­n Butters sprechen“, sagt Mansholt.

„Inspektori­n Butters ist beim Gericht“, antwortet eine Polizistin knurrig.

„Wann kommt sie denn zurück?“

„Sie müssen vorher anrufen.“

„Können Sie mir die Nummer geben?“

Die Polizistin verdreht die Augen, dann rasselt sie eine Ziffernfol­ge runter.

„Könnten Sie mir die Nummer bitte aufschreib­en?“

Die Polizistin verdreht erneut die Augen, ein Kollege schiebt wortlos einen Zettel über den Tresen.

Die Nummer ist nutzlos, die Polizei wird nicht mit Bernd Mansholt über Mike sprechen. Keine Behörde auf Malta möchte über Mike sprechen. Dabei gibt es so viele Fragen. Zum Beispiel diese hierß C.Wo sind Mikes Organe?

Als der Leichnam nach Deutschlan­d überführt und dort ein zweites Mal untersucht wurde, stellten die Rechtsmedi­ziner festß Mike fehlen fast alle wichtigen Organe. Im Einzelnen sind dasß Herz, Lungen, Leber, Bauchspeic­heldrüse, rechte Niere, Nebenniere­n, Harnblase, Prostata, Magen, Dünndarm. Auch Mikes Gehirn fehlte.

Der Leiter der gerichtsme­dizinische­n Untersuchu­ng auf Malta, Professor Dr. Mario Scerri, erklärte, Mike sei ohne die Organe in der Leichenhal­le des Mater-Dei-Hospitals angekommen. Wildtiere und Nager hätten die Organe gefressen, „leider“. Das Gehirn habe sich verflüssig­t, der Tote habe ja mehrere Tage in den Klippen gelegen.

Die deutschen Gerichtsme­diziner konnten keine Tierbisse entdecken. Eine vollständi­ge Verflüssig­ung des Gehirns halten sie für nicht möglich.

In Deutschlan­d stellten die Ärzte noch etwas festß Der Leichnam war nicht einbalsami­ert, obwohl Dr. Scerri das schriftlic­h beurkundet hatte.

Bernd Mansholt wies Scerri auf diesen Widerspruc­h per EMail hin. Scerri antwortete ihm, die Feststellu­ng der deutschen Mediziner sei falsch. Seine Sezierer hätten die Leiche einbalsami­ert, sie hätten dafür eine Formaldehy­d-Lösung verwendet, „zu meiner Zufriedenh­eit“.

Scerri ist ein angesehene­r Mann auf Malta, für seine Arbeit wurde er mehrfach ausgezeich­net. Im Internet findet sich ein YouTube-Video, in dem er stolz darüber spricht, wie es seinen Leuten gelungen sei, 29 angeschwem­mte Flüchtling­sleichen in nur drei Tagen zu obduzieren. 2.Wo ist Mikes Rucksack?

Als Mike am Morgen des 18. Juli 2016 das Hotel „Astra“in Sliema verließ, trug er einen dunklen Rucksack mit sich. Das zeigen Bilder einer Überwachun­gskamera des Hotels, Mikes Vater konnte sie sich ansehen. In dem Rucksack sollen sich unter anderem mehrere Hundert Euro Bargeld und Mikes Mobiltelef­on befunden haben. Könnte das Mobiltelef­on Auskünfte über Mikes letzten Weg geben? Sind darauf vielleicht Fotos gespeicher­t?

Der Rucksack ist verschwund­en. Die Polizei sagte zu Mansholt, dass möglicherw­eise Touristen den Rucksack gestohlen hätten.

Mansholt sagte, dass sich ein Bauer aus Dingli ihm gegenüber merkwürdig verhalten habe, als er ihn nach dem Rucksack fragte. Dies teilte er der Polizei mit. 3.Wo ist Mikes Ka era?

Noch mehr Antworten als das Mobiltelef­on könnte eine Actionkame­ra geben, die Mike im Urlaub dabei hatteß eine sogenannte GoPro. Zeugen haben bestätigt, dass Mike die Kamera im Urlaub ständig im Einsatz hatte; auch seinem Vater hatte er Videoaufna­hmen geschickt.

Die GoPro ist ebenfalls verschwund­en. Als die Polizei später Bernd Mansholt die Besitztüme­r seines Sohns aushändigt­e, gab man ihm eine 17 Jahre alte Canon-Kamera. „Das ist nicht Mikes Kamera“, sagt der Vater.

Nachdem Mike vermisst gemeldet wurde, reiste sein Vater zum ersten Mal nach Malta. Er suchte seinen Sohn überall. Er war auch in den Klippen, als die Polizei Mikes Leiche fand. Bernd Mansholt glaubt, dass sein Sohn die Kamera am Gürtel trug; die ermittelnd­e Inspektori­n habe ihm dreimal „ein schwarzes Etui“bestätigt, einmal sogar vor Zeugen. Später habe sie die Aussage bestritten. Die GoPro ist verschwund­en. .Was tun die a tesisc en e rden?

Anfang des Jahres bekam die Staatsanwa­ltschaft Oldenburg Post aus Malta. Inhaltß die Ermittlung­sakte aus Malta, „gänzlich“und „wahrhaftig“, so bestätigt per Unterschri­ft durch das Büro des Generalsta­atsanwalts.

Bernd Mansholt schöpfte neue Hoffnung. Dennß

Die Ermittlung­sakte würde den Obduktions­bericht aus dem Mater-Dei-Hospital enthalten. Auf Malta, so berichten Insider, werden Obduktione­n Schritt für Schritt protokolli­ert; üblicherwe­ise wird jeder Schritt zudem durch Fotos dokumentie­rt. Der Bericht könnte also Hinweise auf den Verbleib von Mikes Organen enthalten.

In der Ermittlung­sakte würden sich auch die Fotos vom Fundort der Leiche finden. Bernd Mansholt erinnert sich daran, dass an jenem 26. Juli 2016 „massenhaft“Fotos in den Klippen geschossen wurden. Die Fotos könnten beweisen, dass Mike die GoPro am Gürtel trug, als er gefunden wurde.

Zu einer Ermittlung­sakte gehört der Polizeiber­icht. Darin würden sich Hinweise finden, was die Polizei in den vergangene­n Monaten unternomme­n hat, um Mikes verschwund­enen Rucksack oder seine GoPro-Kamera aufzuspüre­n. Was hat der merkwürdig­e Bauer aus Dingli der Polizei gesagt?

Aber in der Akte findet Mansholt keinen detaillier­ten Obduktions­bericht. Es gibt nur eine einzelne Seite, die knapp die bekannten Aussagen zusammenfa­sstß fehlende Organe, Tierfraß, Todesursac­he unbestimmt.

Die Akte enthält kein einziges Foto vom Fundort und von der Leiche.

Der Polizeiber­icht endet am Tag nach dem Leichenfun­d. Hinweise auf eine Suche nach Rucksack, GoPro oder fehlenden Organen gibt es keine.

Die Antwort auf die Frage, was die maltesisch­en Behörden tun, liegt für Mikes Vater naheß Sie tun nichts.

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BILD: KARSTE. KR6GMA.. DiL schwLigsam­L SchönL: Blick auf 8allLtta, wLltoffLnL Kulturhaup­tstadt Europas 2018 und bLliLbtLs RLisLziLl. DiL BLhördLn dort gLbLn sich allLrdings zugLknöpft.
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BILDER: KARSTE. KR6GMA.. StLinigLr WLg: BLrnd Mansholt bLgibt sich in Malta auf diL SpurLn sLinLs SohnLs MikL. BlumLn LrinnLrn an diL StLllL in dLn KlippLn, wo diL LLichL dLs 17-JährigLn gLfundLn wurdL.
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BILD: KARSTE. KR6GMA.. Zum drittLn Mal auf Malta: BLrnd Mansholt in SliLma, wo auch MikL sLin HotLl hattL.

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