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Zwei Monate nach der Bundestagswahl hat Deutschland immer noch keine neue Regierung. So ist es verständlich, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Initiative ergreift und die unter Ausschließeritis leidenden Parteien zur Ordnung ruft in Sachen Regierungsbildung. Der Bürger wird auch wenig Verständnis dafür aufbringen, warum Deutschland auf absehbare Zeit von einer geschäftsführenden Regierung geführt wird. Das würde im Falle von Neuwahlen sogar noch eine ganze Weile weitergehen. Und auch Europa wartet darauf, dass in Berlin endlich ein klares Signal ausgesendet wird.
Immerhin hat SPD-Vorsitzender Martin Schulz seinen Fehler korrigiert und ist vom kategorischen Nein zu einer Regierungsbeteiligung abgerückt. Nun soll die Basis entscheiden. Und nicht nur an der Basis grummelte es wegen Schulz’ Verweigerung, auch prominente SPD-Politiker rieten mehr oder weniger laut, Schulz möge seine Haltung korrigieren. Der prominenteste Bürger aber, der Schulz beeinflusste, ist einer, der seine Parteimitgliedschaft ruhen lassen muss: der Bundespräsident.
Der Bundespräsident hat wenig Einfluss im parlamentarischen System der Bundesrepublik. Das hat seine historischen Ursachen, weil in der Weimarer Republik der Reichspräsident eine zu starke Position hatte, die in der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler durch Paul von Hindenburg gipfelte. Steinmeier kann nun wie keiner seiner Amtsvorgänger zeigen, wie wenig das Vorurteil zutrifft, der Bundespräsident sei der Grüßaugust der Demokratie. Schon einmal hatte Steinmeier Bedenken bei einem als Befreiungsschlag gedachten Neuwahl-Vorhaben: 2005 war Steinmeier Kanzleramtsminister. Schröder verlor plangemäß die Vertrauensfrage – aber auch die anschließende Bundestagswahl.
Für Schulz könnte sich der Kurswechsel nach verfahrenem Start auszahlen. Im Schulterschluss mit Fraktion und Basis könnte er den Sozialdemokraten ein ganz neues Gefühl der Geschlossenheit bieten. Und die Union müsste eine Regierungsbeteiligung der SPD durch Erfüllung von Wünschen teuer erkaufen.
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