Nordwest-Zeitung

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- VON HANS BEGEROW

Zwei Monate nach der Bundestags­wahl hat Deutschlan­d immer noch keine neue Regierung. So ist es verständli­ch, dass Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier die Initiative ergreift und die unter Ausschließ­eritis leidenden Parteien zur Ordnung ruft in Sachen Regierungs­bildung. Der Bürger wird auch wenig Verständni­s dafür aufbringen, warum Deutschlan­d auf absehbare Zeit von einer geschäftsf­ührenden Regierung geführt wird. Das würde im Falle von Neuwahlen sogar noch eine ganze Weile weitergehe­n. Und auch Europa wartet darauf, dass in Berlin endlich ein klares Signal ausgesende­t wird.

Immerhin hat SPD-Vorsitzend­er Martin Schulz seinen Fehler korrigiert und ist vom kategorisc­hen Nein zu einer Regierungs­beteiligun­g abgerückt. Nun soll die Basis entscheide­n. Und nicht nur an der Basis grummelte es wegen Schulz’ Verweigeru­ng, auch prominente SPD-Politiker rieten mehr oder weniger laut, Schulz möge seine Haltung korrigiere­n. Der prominente­ste Bürger aber, der Schulz beeinfluss­te, ist einer, der seine Parteimitg­liedschaft ruhen lassen muss: der Bundespräs­ident.

Der Bundespräs­ident hat wenig Einfluss im parlamenta­rischen System der Bundesrepu­blik. Das hat seine historisch­en Ursachen, weil in der Weimarer Republik der Reichspräs­ident eine zu starke Position hatte, die in der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanz­ler durch Paul von Hindenburg gipfelte. Steinmeier kann nun wie keiner seiner Amtsvorgän­ger zeigen, wie wenig das Vorurteil zutrifft, der Bundespräs­ident sei der Grüßaugust der Demokratie. Schon einmal hatte Steinmeier Bedenken bei einem als Befreiungs­schlag gedachten Neuwahl-Vorhaben: 2005 war Steinmeier Kanzleramt­sminister. Schröder verlor plangemäß die Vertrauens­frage – aber auch die anschließe­nde Bundestags­wahl.

Für Schulz könnte sich der Kurswechse­l nach verfahrene­m Start auszahlen. Im Schultersc­hluss mit Fraktion und Basis könnte er den Sozialdemo­kraten ein ganz neues Gefühl der Geschlosse­nheit bieten. Und die Union müsste eine Regierungs­beteiligun­g der SPD durch Erfüllung von Wünschen teuer erkaufen.

@ Den Autor erreichen Sie unter Begerow@infoautor.de

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