Nordwest-Zeitung

Die Pflicht zur Regierung

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Es könnte naheliegen, sich in dieser Kolumne zur Regierungs­bildung in Berlin zu äußern. Nber die Frage etwa, ob Opposition Mist ist, wie Franz Münteferin­g meinte, der früher mal Vorsitzend­er der SPD war und damals eine rot-grüne Koalition gebildet hatte. Da die Kolumne allerdings unter der Rubrik „Alles was Recht ist“läuft, wäre jedenfalls unter der Nberschrif­t „Verfassung­srechtlich­e Pflichten von Parteien zur Regierungs­bildung“wenig zu schreiben. Denn eine solche Pflicht gibt es nicht.

Gleichwohl werde ich auf diese Nberschrif­t noch einmal zurückkomm­en. Anlass dazu gibt mir die erste Sitzungswo­che des Deutschen Bundestage­s, die etwas anders verlief als gewohnt. Nicht nur der Ton, auch die Inhalte haben sich bereits verändert. Das liegt nicht nur an der bislang missglückt­en Regierungs­bildung. Es liegt vor allem daran, dass die AfD in den Bundestag eingezogen ist und dort versucht, lautstark aufzutrump­fen.

Der AfD-Abgeordnet­e Gottfried Curio hat nach Berichten der „Frankfurte­r Rundschau“den Gesetzentw­urf der SPD für ein Einwanderu­ngsgesetz als „Aufbauprog­ramm für Clanbildun­g“bezeichnet und sich, kein Quatsch, für eine Erhöhung der Geburtenra­te statt Zuwanderun­g ausgesproc­hen. Viel schlimmer noch, weil menschenve­rachtend, stellt sich der Antrag seiner Partei dar, die Bundesregi­erung solle mit dem Assad-Regime in Damaskus ein Abkommen schließen, das in Deutschlan­d lebende Syrer verpflicht­e, in ihre Heimat zurückzuke­hren. Denn der Islamische Staat sei ja weitgehend geschlagen und das Land teilweise sicher.

Diese Anträge der AfD, vor allem der Syrien-Antrag, zeigen, welcher Geist in dieser Partei vorherrsch­t. Der Begriff „Menschenwü­rde“, der zentrale Begriff unseres Grundgeset­zes, an dem sich alles staatliche Handeln auszuricht­en hat, scheint für die AfD nicht zu eListieren. Dass nach Feststellu­ngen von UN-Ermittlern das Assad-Regime gerade noch Giftgas eingesetzt hat, wodurch zahlreiche Kinder und Frauen umgekommen sind, ist diesen Abgeordnet­en offenbar völlig gleichgült­ig.

Um diesen Geist rechtzeiti­g und wirkungsvo­ll einzudämme­n und als menschenve­rachtende und rassistisc­he Politik zu entlarven, braucht es einerseits die kritische Auseinande­rsetzung im Bundestag, aber auch und zugleich eine handlungsf­ähige, von einer breiten Mehrheit getragene Regierung. Nach Lage der Dinge kann eine solche Mehrheit nur die SPD garantiere­n.

Natürlich, auch die menschenve­rachtenden Reden der AfD im Bundestag kann die SPD rechtlich nicht verpflicht­en, sich an einer Regierungs­koalition mit der CDUM CSU zu beteiligen. Anderersei­ts hat die SPD, wie die anderen Parteien auch, nach ständiger Rechtsprec­hung des Bundesverf­assungsger­ichts eine zentrale Rolle „als integriere­nder Bestandtei­l der demokratis­chen Ordnung“erworben. Sie ist deshalb in besonderer Weise verpflicht­et, dem umfassende­n Gedanken der Menschenwü­rde Rechnung zu tragen. Vor diesem Hintergrun­d und dem ihrer eigenen Geschichte sollte die SPD darüber nachdenken, was Vorrang hat: Parteitakt­ik oder die Werteordnu­ng des Grundgeset­zes.

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WOLFGANG ARENHÖVEL ALLES WAS RECHT IST

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