Nordwest-Zeitung

Legendärer Düsenjet geht auf letzte Reise

-F. 614 aus Bremen kommt auf Hamburger „Museumswie­se“– In Lemwerder produziert

- VON JÖRG SCHÜRMEYER

Nur 19 Maschinen wurden in den 70er-Jahren gefertigt. Einer der Testpilote­n erinnert sich.

BREMEN/HAMBURG/LEMWERDER – Wenn Dietmar Sengespeik aus Kirchhatte­n (Kreis Oldenburg) den Namen „VFW 614“hört, gerät er auch heute noch ins Schwärmen. „Das Flugzeug war schon ein Hingucker“, sagt der heute 80Jährige.

Die „VFW 614“war Deutschlan­ds erstes DüsenPassa­gierflugze­ug. Mitte der 1960er-Jahre bei den Vereinigte­n Flugtechni­schen Werken (VFW), die später in Airbus aufgingen, entwickelt und dort auch als Prototyp gebaut. Die Serienfert­igung fand später allerdings in Lemwerder statt. Am 14. Juli 1971 hob die zweistrahl­ige Maschine in Bremen zu ihrem Erstflug ab.

Einer der Augenzeuge­n vom Flugzeugge­bäude aus war damals auch Sengespeik. Als einer der Testpilote­n hatte er in den 1970er-Jahren die „VFW 614“eingefloge­n. „Technisch auf hohem Niveau, äußerst manövrierf­ähig, extrem leise und mit einem ganz besonderen Triebwerk ausgestatt­et“, zählt er die Charaktere­igenschaft­en des Flugzeugs auf.

Denn auffälligs­tes Merkmal des 20,60 Meter langen Kurstrecke­njets, der 40 bis 44 Passagiere aufnehmen konnte, waren die auf den Tragfläche­n montierten Triebwerke. Grund war der geplante Einsatz der Maschinen in Entwicklun­gsländern, wo es häufig zu Triebwerks­chäden kommt, weil die Triebwerke Sand und kleine Steine von Nech steht die VFW 614 etwas versteckt auf dem Airbus-Werksgelän­de in Bremen. In Kürze wird sie nach Hamburg-Finkenwerd­er transporti­ert. Blick auf die Ausrüstung einer VFW 614 in den 70er-Jahren in Bremen

den oft schlecht vorbereite­ten Pisten einsaugen.

Trotz all der modernen Technik blieb der wirtschaft­liche Erfolg allerdings aus. Stark steigende Kerosinpre­ise im Zuge der Ölkrise und der rapide fortschrei­tende Straßenbau machten dem Kurzstreck­enjet das Leben schwer. Von 1975 bis 1977 wurden – nach drei Prototypen – gerade einmal 16 Serien-Exemplare gebaut. Kunde war neben der

dänischen Cimber Air, Air Alsace und Touraine Air Transport auch die Flugbereit­schaft des Bundesvert­eidigungsm­inisterium­s, die 1977 für jeweils 12,5 Millionen Euro drei Maschinen kaufte. Diese Maschinen waren noch bis 1998 bei der Luftwaffe im Einsatz.

In der Folgezeit wurden mehrere Maschinen verschrott­et. In Bremen und umzu hielt man die Erinnerung an das besondere Flugzeug allerdings Flog die „VFW 614“: Dietmar Sengespeik

hoch. Ein „Freundeskr­eis VFW 614“wurde gegründet. Eine der drei noch erhaltenen bzw. wieder aufgearbei­teten „VFW 614“stand jahrelang auf der Terrasse des Bremer Flughafens. Heute parkt der historisch­e Jet auf dem Bremer Airbus-Werksgelän­de.

Doch auch dort wird er nicht mehr lange zu sehen sein. Airbus benötigt die Stellfläch­e für den Produktion­shochlauf in den nächsten Jahren. Mehrere Jahre lang hatten Airbus und der „Freundeskr­eis VFW 614“versucht, eine adäquate Unterbring­ung für das Flugzeug im Bremer Raum zu finden. Von BremenVege­sack war die Rede, auch von Lemwerder.

Doch nun wird die wohl letzte Reise des legendären Düsenjets nach Hamburg gehen. In dieser Woche kündigte Airbus an, die VFW 614 aus Bremen ab Frühjahr 2018 auf der „Museumswie­se“am Airbus-Standort Hamburg-Finkenwerd­er ausstellen zu wollen. „Die VFW 614 ist ein wichtiger Teil unseres AirbusErbe­s“, sagte André Walter, Standortle­iter von Airbus in Bremen. „Mit dem neuen Standort wird die VFW 614 wieder der interessie­rten Öffentlich­keit zugänglich gemacht. Wir sind froh, dass wir eine langfristi­ge und tragbare Lösung für das Flugzeug gefunden haben.“

Der „Freundeskr­eis“zeigte sich „nicht glücklich“mit der Entscheidu­ng, wie der 1. Vorsitzend­e Dr. Wolfgang Schneider sagte. „Wir hätten das Flugzeug gern in Bremen behalten.“Schließlic­h sei die VFW Teil des Bremer TechnikErb­es. Positiv wertete er aber, dass zumindest die Gefahr der Verschrott­ung des Flugzeugs gebannt sei und sich Airbus zu seinem Erbe bekenne.

Dietmar Sengespeik freut sich zumindest darüber, dass die VFW 614 weiter öffentlich zu sehen sein wird. Und sie wird am künftigen Standort nicht der einzige „Hingucker“bleiben. Airbus hat auf der „Museumswie­se“bereits einige andere besondere Flugzeuge, etwa eine HFV 320 „Hansa Jet, eine C-160 D „Transall“oder eine „Super Guppy“, ausgestell­t.

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BILD: AIRBUS
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BILD: VFW-FOKKER
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BILD: ANNA MARIA WEISS

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