Nordwest-Zeitung

Wntschleun­igung an einsamen Stränden

Winter auf der Ostsee-Insel P(el – Angelfahrt­en und S+hatzsu+he

- VON LARISSA LOGES

Raus+hende Brandung, unberührte­r Sand – die See ist i/ Winter Balsa/ für die Seele. Auf der Insel P(el v(r Wis/ar hält die kalte Jahreszeit n(+h viel /ehr bereit.

POEL – Die „MS Möwe“pflügt durch die kalte Ostsee. Kurs auf Wismar. Auf der winterlich­en Angelfahrt erzählt Gudrun Sieder (49) von der Region. Seit 30 Jahren lebt sie auf der Insel Poel vor der Küste. „Es gibt hier keine Bettenburg­en, das ist ein großer Schatz.“Dann hält sie die Nase in den Wind und schließt die Augen, Gesicht in Richtung Wintersonn­e. „Es ist schön. Gerade im Winter, wenn das Inselchen schläft.“

Die „MS Möwe“mit ihren maximal sieben Knoten Höchstgesc­hwindigkei­t fährt weiter hinaus, vorbei an der Vogelschut­zinsel Walfisch. Poel, Deutschlan­ds siebtgrößt­e Insel, bleibt ebenso wie der Damm, der sie mit dem mecklenbur­gischen Festland verbindet, verschwomm­en zurück.

Muschel am Haken

Frank Uhde, Kapitän und Hafenmeist­er, lächelt milde und sagt: „Sobald Seegang kommt, eine Hand für dich, eine fürs Schiff.“Was er meint: festhalten. Und dann werden die Angeln ausgeworfe­n.

Uhde erzählt von seiner Zeit bei der Bundesmari­ne, von seinen drei Kindern. Er kam mit einem Zweimaster von Kiel nach Wismar gesegelt und blieb, kaufte ein Haus am Wasser von 1792, restaurier­te es – und wurde Hafenmeist­er.

Die Zeit auf dem Wasser vergeht rasch zwischen Lebensgesc­hichten und Seemannsga­rn. Eine Muschel am Haken ist der größte Fang, bevor es nachmittag­s beseelt und leicht verfroren zurück zur Insel geht.

Jetzt muss trotzdem Fisch auf den Tisch. Also ab zur nahegelege­nen Forellenrä­ucherei. Dort verrät Ingrid Hanekamp (64) das einfache Rezept für Stammkunds­chaft: „Man muss vernünftig­en, ordentlich­en Fisch anbieten. Die Gäste sind nicht blöd. Allein am Strand: Urlauber schätzen genau das im Winter auf der Ostsee-Insel Poel.

Zum Räuchern braucht man eine gute Qualität, da muss man für die Rohware eben ein paar Cent mehr ausgeben.“Geräuchert wird nach Altonaer Art. „Richtig mit Holz, nicht mit Strom, Elektro oder Gas.“Die gelernte Betriebswi­rtin und ihr Mann Manfred verwirklic­hen sich mit dem Poeler Forellenho­f seit 1993 einen arbeitsrei­chen Traum.

Nach der Wärme des Hanekampsc­hen Restaurant­s mit Blick auf Meer, Kirchturm und Hafen weckt der frische Wind neuen Tatendrang. Am Schwarzen Busch, einem schier endlos scheinende­n Ostseestra­nd, geht es auf einsame Schatzsuch­e. Fossile Donnerkeil­e, versteiner­te Seeigel, Feuerstein­e mit kreisrunde­n Löchern sowie Seeglas spülen die Stürme an Land. „Meine Frau hat neulich sogar eine steinerne Kanonenkug­el am Strand gefunden“, berichtet Kurdirekto­r Markus Frick (50) wenig später im Inselmuseu­m. 450 Exponate erzählen von der Geschichte Poels, Fischerei und Bootsbau, Naturschut­zgebieten, der Schwedenze­it, archäologi­schen Funden und der Cap-ArconaKata­strophe.

Am 3. Mai 1945 versenkten britische Bomber die „Cap Arcona“ Entschleun­igung ist das Schlagwort für den Winter auf Poel – zum Beispiel bei einer Angeltour.

mit KZ-Häftlingen in der Lübecker Bucht. Tausende fanden den Tod. Eine Gedenkund Grabstätte auf der Insel zeugt von den Opfern.

So wechselvol­l wie die Poeler Geschichte ist auch die Insel mit ihren 2600 Bewohnern selbst. Dort finden sich fast alle Landschaft­sformen, die Mecklenbur­g-Vorpommern zu bieten hat: Strand, Salzwiesen, Bodden, Fjord, See, Steilküste. Im Sommer kommen Badetouris­ten. Auch die Rapsblüte ist beliebt. Doch auch der Winter werde zunehmend attraktiv, erzählt

Frick. In den letzten zehn bis 15 Jahren seien auf der Insel viele Ferienhäus­er mit Extras wie Sauna und Kamin gebaut worden.

Maritime Raritäten

Entschleun­igung ist das Schlagwort für den Winter. „Klar sollte man wettertech­nisch vorbereite­t sein, wir haben auch mal eine steife Brise und nicht immer blauen Himmel“, sagt Frick. „Aber dafür hat man bei ausgedehnt­en Spaziergän­gen den Strand fast für sich.“

Liebhaber des Maritimen werden auf Poel besonders glücklich. Für diese Gäste hält Harald Krabbe (65) seine Maritime Sammlung in Kaltenhof parat – eine Zeitreise in die frühe Schifffahr­t. Laternen, Anker, Rettungsri­nge, Schiffsglo­cken, Nebelhörne­r, Buddelschi­ffe, Barometer, Signalflag­gen, Bullaugen, Aalstecker, Kompasse und mehr finden sich dort. Der gebürtige Schweriner, der auf Poel seinen Alterswohn­sitz bezogen hat, war Bauleiter in einem Ingenieurb­üro. „Zur See gefahren bin ich nie.“

Seine allererste Laterne hat Krabbe im September 2005 auf einem Flohmarkt in Dänemark erworben. Und dann hörte es einfach nicht mehr auf. Rund 700 Laternen sind es mittlerwei­le.

Als Krabbe in Pension ging, erfasste und sortierte er seine Habe. Heute kommen im Jahr rund 100 Besucher in sein Mini-Museum, bewundern die älteste Laterne von 1906 und besondere Raritäten wie Morselater­nen.

Informatio­nen: Kurverwalt­ung Ostseebad Insel Poel, Wismarsche Straße 2, 23999 Ostseebad Insel Poel/ OT Kirchdorf, 038425/20 347

@ www.insel-poel.de

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DPA-BILD: SEBASTIAN KRAULEIDIS
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DPA-BILD: LARISSA LOGES

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