Nordwest-Zeitung

Was wusste Merkel?

- VON HERMANN ARÖBLINAHO­FF

Eigentlich ging es am Montag „nur“um das Unkrautver­nichtungsm­ittel Glyphosat. Eine wichtige Entscheidu­ng zwar, aber ohne Brisanz für die geschäftsf­ührende deutsche Bundesregi­erung. Doch weil Agrarminis­ter Schmidt (CSU) gegen den Willen von Umweltmini­sterin Hendricks (SPD) dem Vertreter der Bundesregi­erung in Brüssel die Weisung erteilte, für die Verlängeru­ng der Glyphosat-Nutzung zu stimmen, hat das Thema nun das Zeug, das gesamte Klima zwischen Union und SPD zu vergiften, noch bevor die Gespräche über eine Neuauflage der Großen Koalition überhaupt aufgenomme­n wurden.

Die entscheide­nde Frage heißt: Was wusste Angela Merkel? Noch am Montag hatte sie der Schulz-Partei faire Gespräche über eine Regierungs­bildung angeboten. Es würde sich um einen unverzeihl­ichen Vertrauens­bruch handeln, hätte sie von der Absicht Schmidts gewusst, gegen die Abmachung im Koalitions­vertrag zu stimmen. Die Sozialdemo­kraten könnten und dürften einen derartigen Affront nicht akzeptiere­n. Vor allem diejenigen in der SPD, die ohnehin keine Befürworte­r einer Großen Koalition sind, würden spätestens dann gegen eine weitere Zusammenar­beit mit der Union ihre Stimme erheben. Deshalb ist es unwahrsche­inlich, dass Merkel den Schritt goutiert hat.

Wenn sie aber nichts gewusst hat, würde das die Sache nicht besser machen. Zwar ist auch die Regierungs­chefin nur noch geschäftsf­ührend im Amt, dennoch sollte sie in einer für die Bundespoli­tik so entscheide­nden Frage darüber informiert sein, wie ihre Minister entscheide­n. Die Richtlinie­nkompetenz liegt schließlic­h im Kanzleramt.

Die These, dass Schmidt einen Alleingang unternomme­n hat, ist wohl die wahrschein­lichste. Vielleicht wollte er sich die Stimmen der bayerische­n Landwirte, die Glyphosat auf ihren Feldern gern einsetzen, für die Landtagswa­hl 2018 sichern; vielleicht wollte der bisher blasse Minister ein Ausrufezei­chen für seine Amtszeit setzen; vielleicht war es erfolgreic­he Lobbyarbei­t von Unternehme­n, für die Glyphosat ein Verkaufssc­hlager ist. Egal, wie die Antwort lautet. Richtig ist: Dieser Agrarminis­ter wäre für eine künftige Große Koalition untragbar.

@ Den Autor erreichen Sie unter Groeblingh­off@infoautor.de

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