Was wusste Merkel?
Eigentlich ging es am Montag „nur“um das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat. Eine wichtige Entscheidung zwar, aber ohne Brisanz für die geschäftsführende deutsche Bundesregierung. Doch weil Agrarminister Schmidt (CSU) gegen den Willen von Umweltministerin Hendricks (SPD) dem Vertreter der Bundesregierung in Brüssel die Weisung erteilte, für die Verlängerung der Glyphosat-Nutzung zu stimmen, hat das Thema nun das Zeug, das gesamte Klima zwischen Union und SPD zu vergiften, noch bevor die Gespräche über eine Neuauflage der Großen Koalition überhaupt aufgenommen wurden.
Die entscheidende Frage heißt: Was wusste Angela Merkel? Noch am Montag hatte sie der Schulz-Partei faire Gespräche über eine Regierungsbildung angeboten. Es würde sich um einen unverzeihlichen Vertrauensbruch handeln, hätte sie von der Absicht Schmidts gewusst, gegen die Abmachung im Koalitionsvertrag zu stimmen. Die Sozialdemokraten könnten und dürften einen derartigen Affront nicht akzeptieren. Vor allem diejenigen in der SPD, die ohnehin keine Befürworter einer Großen Koalition sind, würden spätestens dann gegen eine weitere Zusammenarbeit mit der Union ihre Stimme erheben. Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass Merkel den Schritt goutiert hat.
Wenn sie aber nichts gewusst hat, würde das die Sache nicht besser machen. Zwar ist auch die Regierungschefin nur noch geschäftsführend im Amt, dennoch sollte sie in einer für die Bundespolitik so entscheidenden Frage darüber informiert sein, wie ihre Minister entscheiden. Die Richtlinienkompetenz liegt schließlich im Kanzleramt.
Die These, dass Schmidt einen Alleingang unternommen hat, ist wohl die wahrscheinlichste. Vielleicht wollte er sich die Stimmen der bayerischen Landwirte, die Glyphosat auf ihren Feldern gern einsetzen, für die Landtagswahl 2018 sichern; vielleicht wollte der bisher blasse Minister ein Ausrufezeichen für seine Amtszeit setzen; vielleicht war es erfolgreiche Lobbyarbeit von Unternehmen, für die Glyphosat ein Verkaufsschlager ist. Egal, wie die Antwort lautet. Richtig ist: Dieser Agrarminister wäre für eine künftige Große Koalition untragbar.
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