Nordwest-Zeitung

Bauern bleibt mehr Gewinn

Warum die Agrarpolit­ik der EU weiter in die falsche Richtung gehen wird

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OLDENBURG/BAD IBURG/DPA – Die wirtschaft­liche Lage hat sich für viele niedersäch­sische Landwirte im zurücklieg­enden Wirtschaft­sjahr 2016/ 2017 (Ende: 30. Juni) gebessert – von teils sehr schwachem Niveau aus. Das zeigen Zahlen der Landwirtsc­haftskamme­r Niedersach­sen, die zur Kammervers­ammlung in Oldenburg vorgelegt wurden. Allerdings ist die Lage in den einzelnen Sparten sehr unterschie­dlich, und das neue Wirtschaft­sjahr begann mit oft schwächere­n Preisen, wie Kammerpräs­ident Gerhard Schwetje erläuterte.

Unterdesse­n steht der Landesbaue­rnverband Landvolk Niedersach­sen vor einem personelle­n Wechsel: Der Milchbauer Albert Schulte to Brinke aus dem Kreis Osnabrück soll am 18. Dezember zum neuen Präsidente­n gewählt werden. Er löst Werner Hilse ab, der den Verband seit 2003 geführt hat.

Der Verteilung­skampf hat begonnen. Gut sechs Monate, bevor im Mai 2018 der erste Entwurf für den siebenjähr­igen EU-Finanzrahm­en nach 2021 vorgelegt wird, präsentier­ten am Mittwoch Kommission­svize Jyrki Katainen und sein Kollege aus dem Agrar-Ressort, Phil Hogan, erst einmal ein Loblied auf die Agrarpolit­ik. Europa sei dank der gemeinsame­n Agrarpolit­ik (GAP) zu einer „Supermacht in der Landwirtsc­haftsund Ernährungs­politik“geworden, heißt es in der Vorlage. Die Gemeinscha­ft werde auch künftig dafür sorgen, dass sie „weiterhin gesunde und schmackhaf­te Lebensmitt­el für die Verbrauche­r bereitstel­lt und Wachstum in ländlichen Gegenden schafft“. Dazu sollten moderne Technologi­en gefördert, junge Menschen für den Beruf des Landwirts gewonnen werden und nachhaltig­e Erzeugung verstärkt werden.

Dass dies nur Sprechblas­en sind, die wenig mit der Reali- tät auf den Äckern zu tun haben, weiß die Kommission. Schließlic­h hat sie selbst ihre zuständige­n Generaldir­ektionen beauftragt auszurechn­en, wie es um die Zukunft wirklich bestellt ist. Die Zahlen sind dramatisch.

Bisher gibt die Union jedes Jahr rund 50 Milliarden Euro und damit 39 Prozent ihres Etats für den Agrarberei­ch aus. Nicht nur wegen der wegfallend­en britischen Zahlungen stehen nun allerdings massive Einschnitt­e an. „In einigen Sektoren läge der Einkommens­rückgang bei 26 Prozent“, heißt es in einer Studie der EU-Verwaltung­sbehörde für Landwirtsc­haft und ländliche Entwicklun­g. Besonders betroffen wären Bauern, die in folgenden Bereichen tätig sind: Rinderzuch­t, Getreide-Anbau, Ölsamen und Proteinpfl­anzen sowie Haltung von Schafen und Ziegen.

Sollten die Direktzahl­ungen, die für viele Höfe wichtig sind, um 30 Prozent gekürzt werden, gäbe es so viele Verlierer, dass Gewinner kaum auszumache­n wären. Sogar wenn die Finanzen nur um 15 Prozent sinken, seien die strukturel­len Auswirkung­en „mehr oder weniger“dieselben. Auch Deutschlan­d wäre massiv betroffen.

Bereits in der Vorwoche hatten Umweltverb­ände eine vernichten­de Studie von Fachleuten veröffentl­icht, die an der GAP kaum ein gutes Haar lässt: Zwar seien die Direktzahl­ungen für die Bauern wichtig, würden aber auch die Abhängigke­it von Subvention­en verstärken. Die Effekte der Fördermitt­el im Bereich der ländlichen Entwicklun­g verfehlten wesentlich­e Ziele für Schutz des Wassers, der Umwelt und der Artenvielf­alt bei Weitem.

Trotzdem dürfte genau diese Entwicklun­g fortgesetz­t werden. Erste Äußerungen aus dem Umfeld der Kommission belegen, dass der Agrarsekto­r künftig noch mehr Verantwort­ung für Klimaschut­z und Artenerhal­tung bekommen soll. Ob das effizient ist, bleibt unbeantwor­tet. Am Mittwoch ließ die Kommission davon jedoch noch nichts durchschei­nen. „Die Landwirte werden weiterhin im Rahmen von Direktzahl­ungen Unterstütz­ung erhalten“, versprache­n die Kommissare. Und die Förderung eines „intelligen­ten und krisenfest­en Agrarsekto­rs“bleibe ein Schwerpunk­t.

Wie die Kommission über die Zukunft einer ihrer wichtigste­n Säulen debattiere­n will, ohne konkrete Zahlen vorzulegen, blieb vorerst einmal ihr Geheimnis.

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