Nordwest-Zeitung

Das unaufgearb­eitete Erbe des Diktators

Noch heute geistert Francisco Franco durch die Debatten in Spanien

- VON JOAIHIM HEINZ

Als sich Francisco Paulino Hermenegil­do Teodulo Franco y Bahamonde Salgado Pardo anschickte, das ganz große Rad zu drehen, war eigentlich schon alles klar. Die US-Publizisti­n Amanda Vaill schildert in ihrem Buch „Hotel Florida“eine gespenstis­che Szene, die sich 1936 unmittelba­r vor Ausbruch des Spanischen Bürgerkrie­gs abspielte. „Ich werde Spanien vor dem Marxismus retten – koste es, was es wolle“, vertraute Franco dem Journalist­en Jay Allen an. „Das bedeutet wohl, Sie werden halb Spanien exekutiere­n müssen?“, fragte Allen nach. Francos Antwort: „Wie ich schon sagte: Koste es, was es wolle.“ Rund vier Jahrzehnte regierte der „Führer von Gottes Gnaden“, Francisco Franco, Spanien mit eiserner Hand.

Auch 40 Jahre nach seinem Tod ist das Erbe des Diktators nicht aufgearbei­tet. Im Gegenteil: Wie ein Untoter geistert er, der vor 125 Jahren, am 4. Dezember 1892, geboren wurde, durch die öffentlich­en Debatten in Spanien. Im Konflikt um Katalonien werfen Kritiker der Zentralreg­ierung in Madrid vor, die katalonisc­he Identität wie weiland Franco zu unterdrück­en.

Das sind ziemlich harte Geschütze. Eiskalt und brutal schaltete Franco im Inneren seine Gegner aus. Die Zahl der Opfer, die er hinrichten oder interniere­n ließ, ist nicht genau bekannt; Zehntausen­de gelten noch heute als vermisst.

Außenpolit­isch verhielt sich der „Caudillo“dagegen äußerst flexibel. Den Weg zur Macht bahnten ihm die Faschisten aus Italien und die deutschen Nationalso­zialisten. Im Zweiten Weltkrieg hielt sich Spanien nach außen hin aus dem Schlachtge­tümmel heraus. Doch ein diskretes Kapitel der deutsch-spanischen Waffenbrüd­erschaft war vor zwei Jahren sogar noch einmal Thema im Deutschen Bundestag. Zwischen 1941 bis 1943 kämpften rund 47 000 Spanier in der sogenannte­n Blauen Division auf der Seite der deutschen Wehrmacht in Russland; etwa 22 000 wurden getötet, galten als vermisst oder wurden verletzt. Für diese Soldaten beziehungs­weise deren Hinterblie­bene handelte die Regierung unter Bundeskanz­ler Konrad Adenauer mit Spanien 1962 einen Vertrag über die Kriegsopfe­rversorgun­g aus.

Der Arm des Generaliss­imus reicht weit. Hinter einer geordneten Fassade tun sich immer noch Abgründe auf. Immerhin: Francos Tochter Carmen Franco Polo scheint mit sich im Reinen zu sein. Der Zeitung „El Mundo“vertraute die inzwischen 91-jährige „hijissima“, die „Höchsttöch­terliche“, 2015 an: Die Spanier, die sie auf der Straße erkennen, seien liebenswür­dig „und sagen, sie würden gleich zu Hause ihren Müttern erzählen, dass sie mich gesehen haben“.

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