Nordwest-Zeitung

HÖRVERLUST IM ALTER NICHT IGNORIEREN

5assende Geräte können Lebensqual­ität erhalten

- VON KLAUS HILKMANN

Ein Hörverlust zählt zu den normalen Begleiters­cheinungen des Alterungsp­rozesses. Wichtig ist der rechtzeiti­ge Einsatz eines passenden Hörgerätep­aares.

OLDENBURG – Das Hören ist ein sehr komplexer Vorgang, an dem neben dem Außen-, dem Mittel- und dem Innenohr vor allem das Gehirn beteiligt ist. Dort werden die vom Ohr aus der Umwelt aufgenomme­nen Signale so weitervera­rbeitet, dass unser für das Hören verantwort­liche Sinnesorga­n zufriedens­tellend funktionie­ren kann.

Die bei jedem Menschen gut sichtbare Ohrmuschel nimmt eingehende Schallwell­en ähnlich wie ein Trichter auf und gibt sie in den zumeist gut drei Zentimeter langen, aus einem knorpelige­n sowie einem knöchernen Teil bestehende­n äußeren Gehörgang weiter. In dessen äußeren Teil sind Haarfollik­el und verschiede­ne Drüsen angesiedel­t. Das dort abgesonder­te Ohrenschma­lz hat eine wichtige Funktion. Es schützt den Gehörgang vor dem Eindringen schädliche­r Substanzen wie etwa Staub- oder Schmutzpar­tikel.

Wichtige Haarzellen

Der äußere Gehörgang mündet im Mittelohr im Trommelfel­l. Die dort aufgenomme­nen Schallwell­en versetzen die Trommelfel­lMembran in Schwingung­en, die zu den dahinter im Mittelohr sitzenden Gehörknöch­elchen – Hammer, Amboss und Steigbügel­chen – geleitet werden. Die vom Trommelfel­l übertragen­en Schwingung­en können so verlustarm ins Innenohr gelangen.

Das aus einem mit Flüssigkei­t gefüllten Hohlraumsy­stem bestehende Innenohr enthält mit der medizinisc­h als Cochlea bezeichnet­en Schnecke das fürs Hören entscheide­nde Sinnesorga­n. In einem Teil davon – der Basilarmem­bran – befinden sich bei Hör-gesunden Menschen rund 25 000 Sinnes- beziehungs­weise Haarzellen. „Je mehr verloren gehen, desto schlechter ist das Hörvermöge­n“, erklärt Prof. Dr. Dr. Birger Kollmeier, wissenscha­ftlicher Leiter des Hörzentrum­s Oldenburg und Professor der Universitä­t Oldenburg. Prof. Dr. Dr. Birger Kollmeier beschäftig­t sich auch aus wissenscha­ftlicher Sicht mit den Möglichkei­ten zur Behandlung der Altersschw­erhörigkei­t.

Eine unbehandel­te

Altersschw­erhörigkei­t bedeutet für Betroffene nicht nur einen Verlust an Lebensqual­ität, weil sie Unterhaltu­ngen oder einem Musikstück nicht mehr folgen können. Es kann für sie auch gefährlich werden, wenn im normalen Alltag – etwa im Straßenver­kehr – akustische (Warn)-Signale nicht mehr richtig wahrgenomm­en werden können.

Die letztlich für ein gutes Gehör entscheide­nden Haarzellen können schon in jungen Jahren durch einen Unfall oder zu starke Belastung – etwa sehr laute Musik – geschädigt werden. Die mit jedem von außen einwirkend­en Impuls verbundene Belastung bringt zudem einen bei jedem Menschen unterschie­dlich starken Verschleiß mit sich.

Ab dem 50. Lebensjahr muss man damit rechnen, dass sich der altersbedi­ngte Verschleiß der fürs Hören verantwort­lichen Haarzellen bemerkbar macht. Da der damit einhergehe­nde Hörverlust meistens schleichen­d verläuft, bleibt er oft lange Zeit unerkannt. In vielen Fällen werden sie auf ihr Problem mit der Hör-Kommunikat­ion erst durch Menschen aus ihrem sozialen Umfeld aufmerksam gemacht – etwa, weil man den Eindruck hat, dass der Gesprächsp­artner

Nicht zuletzt geht die Medizin davon aus, dass eine unzureiche­nd versorgte Presbyakus­is den geistigen Abbau im Alter beschleuni­gt.

Die Scheu

vor dem Eingestehe­n einer Altersschw­erhörigkei­t und dem Tragen eines Hörgeräts ist dessen ungeachtet bei vielen Betroffene­n groß, berichtet Prof. Dr. Dr. Birger Kollmeier: „Oft dauert es nach einsetzend­en

nicht mehr alles in einer normalen Lautstärke wahrnehmen kann. Spätestens dann sollte man einen HNO-Arzt aufsuchen, betont Prof. Kollmeier: „Ein entspreche­nder Facharzt kann einem relevanten Hörverlust schon mit einigen nicht aufwendige­n Tests auf die Spur kommen.“

Typische Anzeichen

Aktuelle wissenscha­ftliche Studien zeigen, dass in Deutschlan­d rund 50 Prozent aller Frauen und Männer ab 65 Jahre von einem behandlung­sbedürftig­en Hörproblem betroffen sind. Wenn dieser altersbedi­ngte, auch als Presbyakus­is bezeichnet­e Hörverlust nicht erkannt oder ignoriert wird, besteht die Gefahr, dass die fürs Hören benötigten Haarzellen zum Beispiel durch Lärm oder Stoffwechs­elstörunge­n weiter geschädigt und unwiederbr­inglich

Hörproblem­en viele Jahre bis zu einer ersten Diagnose beim HNOArzt.“Viele Betroffene suchen erst ärztliche Hilfe, wenn die Beschwerde­n keinen normalen Alltag mehr zulassen. Selbst die Diagnose einer Schwerhöri­gkeit wird häufig nicht ernstgenom­men. Mitunter dauert es danach mehrere Jahre bis zur Versorgung mit dem verschrieb­enen Hörgerät.

zerstört werden.

Mindestens genauso schlimm ist, dass das Gehirn die geschädigt­en Hörfrequen­zen komplett ignoriert und die Umwandlung aufgenomme­ner Signale zum Hören zunehmend verlernt. Ohne ein permanente­s Training der fürs Hören zuständige­n Hirnregion geht diese Fähigkeit immer weiter verloren.

Typische Anzeichen für eine beginnende Altersschw­erhörigkei­t tauchen oft vor dem Fernseher oder bei Gesellscha­ften auf. Die dabei auftretend­en Hintergrun­dgeräusche machen es Betroffene­n schwer, einem Gespräch mit dem Partner oder anderen Anwesenden zu folgen. In einem ruhigen Umfeld treten vergleichb­are Probleme erst bei einem schon weiter fortgeschr­ittenen Hörverlust auf, der dann mit einem deutlich höheren Aufwand oder gar nicht mehr auszugleic­hen ist.

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BILDER: HÖRZENTRUM OLDENBURG
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