Nordwest-Zeitung

Auf der Flucht

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In der überhitzte­n Debatte über Migration, Flucht und Exil sollte man sich gelegentli­ch daran erinnern, dass es noch nicht lange her ist, als auch Deutsche gezwungen waren, ihre Heimat zu verlassen. Erich Maria Remarque, selbst in die Emigration gejagt, erzählt in seinem Roman „Liebe Deinen Nächsten“vom Schicksal einer Gruppe politische­r Flüchtling­e, die 1937 vor den Nazis über Wien und Prag in die Schweiz fliehen. Umgeben von Denunziant­en und Agenten, ohne Papiere und ohne festen Wohnsitz, geraten sie in die Illegalitä­t. ( ErchMara Remarque: „Liebe Deinen Nächsten“, KiWi 1575, 12,99)

Seit im Kalten Krieg ganz Osteuropa unter kommunisti­sche Herrschaft geriet, kam es immer wieder zu Fluchten in den Westen, nicht nur von der DDR in die BRD, sondern zum Beispiel auch von Ungarn nach Italien. Akos Doma erzählt von einer „politisch unzuverläs­sigen“ungarische­n Familie, die 1980 diesen schweren Gang wagt. In einem desolaten italienisc­hen Auffanglag­er verliert die Familie alle Illusionen und droht zu zerbrechen. (Akos Doma: „Der Weg der Wünsche“, Roman, rororo 27259, 9,99)

Jenny Erpenbecks Roman „Gehen, ging, gegangen“wurde 2015 als „das Buch der Stunde“gerühmt. Die Hauptfigur ist ein emeritiert­er Professor der Altphilolo­gie, der in einer Mischung aus Langeweile und Neugier damit beginnt, im lokalen Flüchtling­sheim Flüchtling­e zu interviewe­n. Schnell wird ihm klar, dass all diese Menschen „jemand waren“, bevor sie in Deutschlan­d ankamen, dass ihnen hier aber verwehrt wird, „jemand zu sein“. (Jenny Er

en eck: „Gehen, ging, gegangen“, Penguin 10118, 10,-)

Wie eine Fortschrei­bung von Erpenbecks Buch liest sich Abbas Khiders Roman „Ohrfeige“. Khider, der aus dem Irak floh und nach einer Odyssee als Illegaler schließlic­h in Deutschlan­d Exil fand, erzählt illusionsl­os und übrigens auch witzig von Recht und Gerechtigk­eit in den Mühlen einer absurden Bürokratie. Es beginnt damit, dass ein Flüchtling in der Ausländerb­ehörde die zuständige Sachbearbe­iterin ohrfeigt. (A as h er: „Ohrfeige“, btb 71490, 10,-)

Die italienisc­he Insel Lampedusa ist längst zu einem Symbol der Katastroph­e namens Flucht geworden. Der Arzt, der die aus dem Mittelmeer Geretteten versorgt, hört auch ihren Leidensges­chichten zu. Sein Erfahrungs­bericht ist ein bedeutende­s Dokument von Zivilcoura­ge und gelebtem Humanismus. (P e ro ar o o " a # o a: „An das Leid gewöhnt man sich nie“, st 4800, 10,-)

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