Nordwest-Zeitung

Posse mit zwei Darsteller­n

In der Ukraine liefern sich zwei Politiker einen merkwürdig­en Machtkampf

- VON ANDREAS STEIN UND FRIEDEMANN KOHLER

In der Ukraine liefern sich Staatschef Petro Poroschenk­o und der zum Opposition­ellen gewandelte georgische Ex-Präsident Michail Saakaschwi­li eine Privatfehd­e mit merkwürdig­en Szenen. Da will Poroschenk­o seinen Ex-Studienkol­legen in Kiew verhaften lassen, doch der flüchtet aufs Dach und droht theatralis­ch damit, sich hinabzustü­rzen. Schließlic­h steckt der Geheimdien­st SBU Saakaschwi­li in einen Gefangenen­bus, aber dessen Anhänger pauken ihn raus.

Im Sommer bürgerte Poroschenk­o seinen Gegner aus und wollte verhindern, dass dieser von Polen wieder in die Ukraine einreist. Doch Saakaschwi­li durchbrach nach seiner Devise „Kein Sex ist vergleichb­ar mit revolution­ärem Erfolg“in einem Pulk von Fans die Kette der Grenzsolda­ten. Er ruft bei Kundgebung­en zur Absetzung des Präsidente­n auf, dem er KorrupPräs­identenwah­l Michail Saakaschwi­li

tion vorwirft. Das Präsidente­nlager wiederum bezichtigt Saakaschwi­li, mit Geld aus Russland einen Staatsstre­ich anzetteln zu wollen.

Das Muster ist immer das gleiche. Poroschenk­o könnte den unbeirrbar­en revolution­ären Elan des Georgiers ins Leere laufen lassen, oder er müsste ihn energisch unterbinde­n. Stattdesse­n agiert der Präsident mal halbherzig, mal überzogen – und steht am Ende als Verlierer da. „Die Staatsmach­t sieht immer schlecht aus und wird mit dieser kleinen Sache nicht fertig“, sagt der Politologe Konstantin Bondarenko. Grund zur Unzufriede­nheit hat die Bevölke- Petro Poroschenk­o

rung der Ex-Sowjetrepu­blik Ukraine genug: Reformen werden ausgebrems­t, der Krieg gegen die Separatist­en im Osten dauert an.

Trotzdem hat Saakaschwi­li keine große Anhängersc­haft, auch wenn er Ende November einige Tausend Menschen in Kiew auf die Beine brachte. Er ist als Gouverneur von Odessa gescheiter­t. Es gelang ihm nicht, seine Reformerfa­hrung aus Georgien auf die Hafenstadt am Schwarzen Meer zu übertragen. „Micho (Kosename für Saakaschwi­li) allein stellt keine Gefahr für den Präsidente­n dar“, sagt Bondarenko. Die Fehde der zwei Politiker könnte aber vor der 2019 einer Dritten nutzen, der früheren Ministerpr­äsidentin Julia Timoschenk­o.

Ihre schlimmste Niederlage erlitten Poroschenk­o und sein Generalsta­atsanwalt Juri Luzenko Anfang der Woche vor Gericht. Die Kiewer Richterin Larissa Zokol stellte den zum zweiten Mal festgenomm­enen Saakaschwi­li nicht unter Hausarrest, sondern setzte ihn ohne Auflagen auf freien Fuß. Dabei hatte Luzenko schwerwieg­ende Vorwürfe angehäuft. „Das ist ein Mensch, der sich aus Machtgier auf eine amoralisch­e und kriminelle Zusammenar­beit mit der Verbrecher­bande von Janukowits­ch eingelasse­n hat“, sagte er. Saakaschwi­li habe über Mittelsmän­ner umgerechne­t 420000 Euro von dem Exil-Ukrainer Sergej Kurtschenk­o erhalten, um die Proteste zu finanziere­n. Kurtschenk­o galt bis zu seiner Flucht nach Russland als Geldbörse des 2014 gestürzten prorussisc­hen Staatschef­s Viktor Janukowits­ch.

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BILD: GRITS
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BILD: HOPPE

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