Lies: „Ausstieg aus Glyphosat“
.inister in großer Sorge um Insekten und Rückgang von Pflanzen
9er SP9-Politiker fordert, nach Alternativen zu suchen. Es bleiben dafür fünf Jahre Zeit.
HANNOVER/IM NORDWESTEN – Niedersachsens neuer Umweltminister Olaf Lies (SPD) warnt vor einer „extremen Schwarz/Weiß-Debatte“beim Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat, das im Verdacht steht, krebserregend zu sein. „Aber wir müssen die Sorgen der Menschen zur Handlungs-Maxime machen“, ergänzt Lies. Denn tatsächlich gehe auf das Konto von Glyphosat nicht nur ein mögliches Krebsrisiko, sondern auch der beobachtbare „Rückgang von Insekten und Pflanzen“überall im Land. Für den Umweltminister steht fest, dass die von der EU beschlossene Verlängerung des Glyphosat-Einsatzes um fünf Jahre nur der Einstieg „in den Ausstieg sein muss“.
„Ein ,Weiter so‘ darf es nicht geben“, betont Lies in der Debatte des Landtags am Mittwoch. Die nächsten fünf Jahre müssten dafür genutzt werden, Ersatz für Glyphosat zu finden. „Wir brauchen praktikable Lösungen“, betont der Umweltminister.
Tatsächlich landen jedes Jahr zig Tonnen des Totalherbizids auf dem Boden. So verbraucht allein die Landwirtschaft rund 5000 Tonnen. Private Anwender steuern weitere 100 Tonnen bei. Aber unübertroffen rangiert die Bahn als Verbraucher auf Platz eins. Insgesamt 65 000 Tonnen Glyphosat werden jedes Jahr benutzt, um Gleise, Bahnhöfe und Trassen frei von Unkraut zu halten.
Die SPD-Umweltexpertin Karin Logemann bedauert die EU-Entscheidung zu Glyphosat. „Aber wir müssen damit
umgehen“, fordert auch Logemann, Alternativen zu suchen und „schrittweise“aus der Anwendung auszusteigen. So sei es begrüßenswert, dass Baumärkte das Produkt bereits aus ihrem Angebot entfernt hätten.
Den Grünen ist ein solches Tempo viel zu langsam. Sie fordern ein nationales Verbot, denn „80 Prozent der Insekten-Biomasse ist verschwunden in den letzten 20 Jahren“. „Klar, es nützt natürlich nichts, Glyphosat zu verbieten, wenn dafür andere Pestizide eingesetzt werden“, räumt die Grünen-Agrarexpertin Miriam Staudte ein. „Aber Landwirtschaft ist auch ohne Pestizide möglich“, betont die Landtagsabgeordnete: „Es muss mehr mechanisch gearbeitet werden und es müssen mehr Zwischenfrüchte angebaut werden, damit kein Unkraut hochkommt und um den Boden vor Erosion zu schützen.“
Die FDP mag nicht einsteigen in den Chor der Mahner und Warner vor Glyphosat. Der Landwirt und FDP-Abgeordnete Herrmann Grupe wirft den Grünen eine „Angstkampagne“vor. In ganz Europa herrsche eine „Art Glaubenskrieg“, kritisiert Grupe. Glyphosat sei „nicht toxisch für Insekten“, bekräftigt der Landwirt der Liberalen. Gleiches gelte auch für Menschen, versichert der FDP-Politiker. Glyphosat besitze ein Krebsrisiko, „das etwa so hoch liegt wie beim Verzehr von Mettwurst“, sagt Grupe. Und Mettwurst müsse man schon „300 Jahre“lang verzehren, um ein signifikantes Krebsrisiko zu haben.
Der CDU-Agrarexperte Hermann Dammann-Tamke weist darauf hin, dass mit mechanischen Mitteln allein kein Unkraut vernichtet werden könne. Dadurch würde Unkraut nur geteilt – und vermehre sich umso mehr.