„Eine !anie Reihe von Schnittmengen“
Wo sich die großen Parteien schon einig sind und wo noch verhandelt werden muss
BERLIN – „Eine ganze Reihe von Schnittmengen“hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dem ersten schwarzroten Gipfel am Mittwochabend ausgemacht. Aber wo liegen die Gemeinsamkeiten, und was sind die größten Hürden für eine Neuauflage der Großen Koalition? Ein Überblick über inhaltliche Überschneidungen und Unterschiede: c EUROPA
SPD-Chef Martin Schulz wurde von der CSU als „EuropaRadikaler“beschimpft, weil er bis 2025 die „Vereinigten Staaten von Europa“gründen und EU-skeptische Staaten rauswerfen will. Abseits solcher Scharmützel wären die Chancen auf eine gemeinsame Antwort auf die Vorschläge von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron aber größer als zwischen Union und FDP. Der Kanzlerin und der Union ist bewusst, dass sie sich bewegen müssen, wollen sie gemeinsam mit Frankreich EU und Eurozone voranbringen. Zugeständnisse könnten es Schulz erleichtern, Werbung für die Groko zu machen, Europa ist sein Herzensanliegen. Dabei weiß auch der frühere EU-Parlamentspräsident: Deutlich mehr Geld für Brüssel und die schwächelnden Euro-Länder wäre auch der eigenen Klientel nicht leicht zu verkaufen. c FLÜCHTLINGE
Die Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit begrenztem Schutz über März 2018 hinaus lehnt die SPD ab. „Familiennachzug und das Zusammenleben in der Familien tragen zu einer guten Integration bei“, heißt es im Beschluss des Parteitages aus der vergangenen Woche. Vor allem die CSU hat klargemacht, dass sie am „Richtwert“von maximal 200000 Zuwandern pro Jahr sowie der dauerhaften Aussetzung des Familiennachzuges festhalten will. Für die SPD ist die Flüchtlingspolitik heikel. So sehen etwa Fraktionschefin Andrea Nahles und Bundesaußenminister Sigmar Gabriel die Notwendigkeit, den Zuzug zu begrenzen. Ja zum Familiennachzug bis zum Erreichen eines „atmenden Deckels“könnte ein Kompromiss sein. c BÜRGERVERSICHERUNG
Auch hier sind die Linien nicht mehr ganz so verhärtet: Die SPD will Privatversicherten den Wechsel in die gesetzlichen Kassen (GKV) ermöglichen, wodurch die Privaten massiv unter Druck geraten würden. Hinter den Kulissen feilt die Union an möglichen Zugeständnissen. Der Wechsel von Beamten und Selbstständigen in die GKV könnte erleichtert und die unterschiedlichen Arzthonorare für privat und gesetzlich Versicherte angeglichen werden, um eine „Zwei-Klassen-Medizin“zu beenden. Die Frage dürfte sein, wie stark sich der Unions-Wirtschaftsflügel aufstellt. CSU-Chef Horst Seehofer jedenfalls sendete erste Kompromisssignale Richtung SPD. Eine „Zwangsvereinigung“von privaten und gesetzlichen Kassen wird die Union aber kaum mittragen. c RENTE
Die SPD will das Rentenniveau bis mindestens 2030 bei 48 Prozent stabilisieren und erreichen, dass auch die Beiträge nicht weiter steigen. Bezahlt werden sollen die Mehrkosten hauptsächlich mit Steuergeld. Steuererhöhungen wären dadurch wohl unumgänglich, ein Tabu für CDU und CSU. Die Schwesterparteien wollen die Sozialversicherungsbeiträge insgesamt bei 40 Prozent deckeln, was sich mit den teuren Wünschen der Sozialdemokraten wie eine Solidarrente und Verbesserungen für Erwerbsgeminderte nicht verträgt. Der Arbeitnehmerflügel der Union hegt Sympathien für die SPD-Wünsche. Kompromisse müssten wohl in einer Rentenkommission ausgehandelt werden. c STEUERN
Auch hier ist die SPD der Union an einigen Stellen näher als die FDP: Den Solidaritätszuschlag wollen beide Parteien nur behutsam abschaffen. Bei der Einkommensteuer setzten Union und SPD die Priorität auf die Entlastung unterer und mittlerer Einkommen, der Spitzensteuersatz von 42 Prozent soll erst für Einkommen ab 60 000 Euro greifen. Ein Knackpunkt: Die Sozialdemokraten wollen Entlastungen durch höhere Steuern für Spitzenverdiener gegenfinanzieren, wofür die Union ihr Versprechen, keine Steuern zu erhöhen, brechen müsste. c KLIMASCHUTZ
Als traditionelle Anwältin der Bergbau-Kumpel hat es die SPD mit dem Kohleausstieg längst nicht so eilig wie die Grünen, die in den JamaikaSondierungen massiv Druck auf Union und FDP gemacht und der Kanzlerin das Zugeständnis abgerungen hatten, sieben Gigawatt Kohlekapazität zusätzlich abzuschalten. Die SPD stünde hier unter Zugzwang, denn die Klimaschutzziele sind ohne ein Runterfahren von Braun- und Steinkohle-Kraftwerken nicht zu erreichen. Im Fernziel, bis 2050 ohne fossile Energiequellen auszukommen, sind sich Union und SPD einig.