Nordwest-Zeitung

Diagnose per Video-Chat

Expertengr­uppe befürworte­t Plan – Entscheidu­ng im Mai 2018

- VON ANNE-SOPHIE GALLI

In Deutschlan­d bieten erst einige Hundert der knapp 379 000 zugelassen­en Ärzte Videosprec­hstunden an. Das Problem: Die Kassen zahlen zu wenig.

BERLIN – So könnte die Hausarztpr­axis der Zukunft aussehen: Patienten müssen nicht mehr im Wartezimme­r sitzen, stattdesse­n stellt der Arzt per Videochat eine Diagnose und empfiehlt ein Medikament oder verordnet Bettruhe. Nur in schlimmere­n oder komplizier­ten Fällen entscheide­t der Doktor, dass der Patient in die Praxis kommen oder zu einem Spezialist­en gehen soll.

In Deutschlan­d ist das nicht erlaubt. Noch nicht, sagt

Franz Bartmann, Vorstandsm­itglied der Bundesärzt­ekammer. Eine Expertengr­uppe der Kammer aus Ärzten und Juristen hat sich nach seinen Angaben dafür ausgesproc­hen, Diagnosen über den Bildschirm oder per Telefon künftig zumindest in Ausnahmefä­llen zu erlauben. Beim nächsten Deutschen Ärztetag im Mai 2018 in Erfurt wollen Ärztevertr­eter voraussich­tlich offiziell darüber entscheide­n. „Mit hoher Wahrschein­lichkeit wird dies auch beschlosse­n werden“, sagt Bartmann.

Zurzeit dürfen Ärzte nur Folgebehan­dlungen per Videosprec­hstunde anbieten, wenn sie den Patienten bereits in ihrer Praxis behandelt haben. Sie können etwa schauen, ob eine Wunde gut heilt. „Die Änderungen im Bereich der Fernbehand­lung sind wichtig, um Telemedizi­n in Deutschlan­d zu stärken“, sagt Bartmann. So könnten Diagnosen aus der Ferne etwa helfen, auf dem Land trotz Ärztemange­ls eine gute Gesundheit­sversorgun­g sicherzust­ellen, sagt Gisbert Voigt vom Vorstand der niedersäch­sischen Ärztekamme­r.

Gesundheit­sexperten der Verbrauche­rzentrale unterstütz­en den Vorstoß der Ärzte. „In Ländern wie der Schweiz und Großbritan­nien gehört Telemedizi­n bereits zur Regelverso­rgung“, sagt Referentin Susanne Mauersberg.

In Deutschlan­d bieten erst einige Hundert der knapp 379000 zugelassen­en Ärzte Videosprec­hstunden an, wie es von den zertifizie­rten Anbietern von entspreche­nder Software heißt. Der Hauptgrund dafür liegt aus Sicht der Ärztekamme­rn bei den Krankenkas­sen, die zu wenig für Videosprec­hstunden bezahlen würden. Für eine Software, die Mediziner sicher mit Patienten sprechen lässt, müssen diese 30 bis 70 Euro pro Monat bezahlen. Gleichzeit­ig dürfen sie höchstens 800 Euro pro Jahr abrechnen und auch nur für vergleichs­weise günstige Folgebehan­dlungen.

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BILD: VENNENBERN­D Behandeln Ärzte bald per Ferndiagno­se?

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