Neue Politiker für die Groko
Statt Sondierungsgespräche sollte es Personalgespräche in Berlin geben
Gott sei dank gibt es wieder Groko-Gespräche oder Koko – was ja als ganzes Wort ausgesprochen KooperationsKoalition heißt. Inzwischen gibt es auch MiKo (Mini Groko) oder VerKo (Verlierer-Koalition). So nennt „Die Linke“zumindest die Gespräche.
Bei all der Abkürzerei, bei all der Taktiererei und bei all dem „möglichst-am-meistenrausholen-für-meine-Partei“können unsere altgedienten Politstrategen elegant von der notwendigen personellen Veränderung oder besser Erneuerung ihrer Parteien ablenken.
Merkel, Schulz und die anderen talkshowgestählten Gesichter machen weiter Politik, als sei nichts gewesen. Eventuell einmal das Personal austauschen, unverbrauchte Gesichter nach vorne lassen? Neue Ideen? Nicht jetzt. Man braucht Kontinuität. Moment mal, haben nicht Schulz und Merkel erst jüngst die Wahl in den Sand gesetzt? Egal. Man braucht ja auch Erfahrung. Wobei die exakte Deutungshoheit über das Wort „man“den Silberrücken aus der Gattung „das-haben-wir-schonimmer-so-gemacht“überlassen wird.
Da wird die Personalie Lars Klingbeil, der mit unter 40 Lebensjahren (!) SPD-Generalsekretär geworden ist, als vorgezogenes Weihnachtsgeschenk an das aufbegehrende Jungvolk betrachtet. Damit ich nicht missverstanden werde: Klingbeil könnte die Erauch neuerung der SPD gelingen. Er hat die richtigen Ideen, um in der Partei eine offene Diskussionskultur zu etablieren. Er wird die sozialen Medien nutzen, um neuen Parteimitgliedern mehr Gehör zu verschaffen. Klingbeil wäre aber auf dem großen Radar der SPD gar nicht aufgetaucht, wenn er nicht einen klassischen schwarzen Wahlkreis für die Roten gewonnen hätte. So viel Statistik muss schon
sein. Die Schulterklappen muss sich der Parteisoldat gefälligst auf dem Schlachtfeld verdienen.
Genau daran krankt das heutige System – quer durch alle Parteien. Wer politisch in der ersten Reihe mitreden möchte, muss auch im Jahr 2017 noch die parteiinterne Ochsentour durchlaufen haben. Es zählt keine Expertise. Es zählt Vetternwirtschaft gepaart mit jahrelanger Gremienerfahrung.
Allein die Personalie Klingbeil hat in der SPD ein irres Puzzlespiel in Bewegung gesetzt, damit jede altgediente Nase noch irgendwo und irgendwie untergebracht werden kann. Einen Ralf Stegner etwa lässt Mama Sozialdemokratie nicht fallen. „Ralf wer?“, fragen Sie zu Recht. Der Mann ist SPD-Vizevorsitzender und sagte im Interview mit dieser Zeitung im Zusammenhang mit möglichen Sondierungsgesprächen: „Ohne die SPD läuft in Deutschland gar nichts.“Mit Ralf Stegner erst recht nichts.
Keine Sorge. Stegner bleibt in der Führungsriege. Zur Not gibt es ja politische Stiftungen. Gott sei dank gibt es politisch gesehen übrigens keine drei extrem klugen Köpfe im Saarland. So etwas ließe sich mit dem Länderproporz ja gar nicht vereinbaren. Da müssten schon Zwei umziehen.
Nicht erst seit Friedrich Merz wissen wir, dass Anecken in einer Partei nicht als Kreativität, sondern als K.-o.-Kriterium angesehen wird. Schaum vorm Mund darf der Politiker nur haben, wenn es gegen die andere Partei geht. Selbstkritik ist zwar durchaus gewünscht, aber bitte nur intern und nur einmal. Damit das nicht zweimal passiert, gibt es Hinterbänke.
Dabei gibt es längst junge Abgeordnetenzirkel in Berlin, die Ideen haben, die auch durchaus eine personelle Veränderung fordern. Das alles wird aber nur im geschützten Bereich besprochen. Und wehe, jemand verplappert sich. Dann ist es Essig mit einem guten Listenplatz oder telegenen Ausschuss. Ist der König noch so unfähig, Königsmörder mag die Demokratie nicht. Das klappt nur in Bayern, und selbst da bleibt der König nach seiner Enthauptung im Schloss wohnen.
Es ist jetzt an der Zeit, Verantwortung zu übernehmen. Wer soll denn an einen Neuanfang glauben, wenn dieser Neuanfang keine personellen Veränderungen beinhaltet?
Leider haben Merkel, Schulz und all die anderen Wahlverlierer nie ein anderes Gesicht neben sich richtig groß werden lassen. Die Not ist inzwischen so groß, dass jede freche Äußerung eines frischen Gesichtes den Zusatz „Polithipster“erhält. Es gibt auch Politiker, die verwechseln frech mit unhöflich – „Bätschi, auf die Fresse“. Liebe Andrea Nahles, tut mir leid, aber das ist Proleten-Politik.
Nein, wenn Schulz und Merkel nicht zeitgleich mit den Koalitionsgesprächen ihren Abgang verhandeln, bleibt diese Koalition eine VerKo, eine Verlierer-Koalition. Und so lange ein Politiker mindestens erst Protokollführer im Ortsverein gewesen sein muss, bevor er Verantwortung übernehmen darf, bleibt der Job unattraktiv.
Ist Ihnen übrigens etwas aufgefallen? Das Thema Frauen in politischen Führungsaufgaben habe ich noch nicht einmal erwähnt. Aber in diesem Feld gibt es einen so großen Innovationsstau – das würde diesen Rahmen hier sprengen.