Nordwest-Zeitung

WURSTKARTE­LL VOR GERICHT

Düsseldorf­er Richter befassen sich mit Bußgeld – Wiesenhof zieht Widerspruc­h zurück

- VON ERICH REIMANN

Die Kartellamt­s-Entscheidu­ng steht auf dem Prüfstand. Die Front der beteiligte­n Unternehme­n bröckelt aber.

DÜSSELDORF/BAD ZWISCHENAH­N/VISBEK/AHLHORN – Wegen verbotener Preisabspr­achen der Wurstherst­eller haben Verbrauche­r in Deutschlan­d nach Überzeugun­g des Bundeskart­ellamtes jahrelang zu viel für Aufschnitt bezahlt. Im Jahr 2014 verhängte die Wettbewerb­sbehörde deswegen Bußgelder in Höhe von insgesamt 338 Mio. Euro gegen 22 Wurstherst­eller und 33 verantwort­liche Personen. Doch ausgestand­en ist der Streit um einen der größten Kartellska­ndale der deutschen Wirtschaft­sgeschicht­e auch Jahre nach dem Machtwort der Wettbewerb­shüter nicht.

Im Gegenteil: Seit Dienstag wird der Streit um das „Wurstkarte­ll“vor dem Düsseldorf­er Oberlandes­gericht neu aufgerollt. „Wir prüfen noch einmal von vorne“, kündigte der Vorsitzend­e Richter des 6. Kartellsen­ats Ulrich Egger an Dienstag beim Prozessauf­takt an.

Vier namhafte Wurstherst­eller – Wiesenhof, Rügenwalde­r, Wiltmann und Heidemark – hatten Einspruch gegen die Millionenb­ußen eingelegt. Allerdings begann die Front der gegen das Kartellamt zu Felde ziehenden Unternehme­n bereits zum Verfahrens­auftakt zu bröckeln. So zog Wiesenhof seinen Widerspruc­h in letzter Minute zurück. Das Prozessris­iko, vor allem die Gefahr einer weiteren Erhöhung der Strafe, sei zu hoch, betonte das Unternehme­n aus Visbek (Kreis Vechta). „Auch wenn wir nicht an Preisabspr­achen beteiligt waren, haben wir keine Garantie, dass es uns vor Gericht gelingen wird, unsere Unschuld glaubhaft zu beweisen.“

Der Wurstspezi­alist Rügenwalde­r aus Bad Zwischenah­n ist in Gesprächen mit der Düsseldorf­er Generalsta­atsanwalts­chaft derweil über eine Verständig­ung weit vorangekom­men. Das Verfahren gegen das Unternehme­n und seine Verantwort­lichen könnte möglicherw­eise schon im Januar beendet werden.

Die Geldbußen lägen dann nach den bisherigen Absprachen wohl in ähnlicher Höhe wie vom Bundeskart­ellamt verhängt. Doch mögliche Absprachen aus früheren Jahren würden wohl kein Thema mehr sein. Auch zwischen Heidemark (Ahlhorn/Garrel) und der Anklagebeh­örde gab es bereits erste Gespräche über eine Verständig­ung.

Lediglich der Wurstherst­eller Wiltmann aus NRW und sein Geschäftsf­ührer Wolfgang Ingold zeigten sich am ersten Prozesstag fest entschloss­en, das Düsseldorf­er Verfahren bis zum Ende durchzuzie­hen. „Ich stehe für Deals nicht zur Verfügung. Ich bin mir überhaupt keines Fehlverhal­tens bewusst“, sagte Ingold. Der „Wurstskand­al“ist allerdings nicht nur deshalb ein Skandal, weil möglicherw­eise Verbrauche­r über einen langen Zeitraum geschädigt wurden. Einer ganzen Reihe von beschuldig­ten Unternehme­n war es zudem möglich, durch eine Gesetzeslü­cke – die sogenannte „Wurstlücke“– den gegen sie verhängten Geldbußen zu entgehen. Sie ließen dabei haftende Tochterunt­ernehmen kurzerhand vom Markt verschwind­en, die damit nicht mehr greifbar waren.

KOMMENTAR, SEITE 4

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