Nordwest-Zeitung

Kinder nehmen Drogen

,rschrecken­de Konsumzahl­en bei Jugendlich­en und auch schon Kindern in Oldenburg

- VON MARC GESCHONKE

Schon Kinder konsumiere­n in Oldenburg: Erschrecke­nde Zahlen haben jetzt nicht etwa die Behörden, sondern Schüler selbst vorgelegt

9chüler haben jetzt 9chüler zum Konsum befragt. 9chon in jungen Jahren wird offenbar gedealt.

OLDENBURG – Da gibt es den 13Jährigen, der für den Eigenbedar­f einfach zu viel Cannabis gekauft hatte und deshalb seinen Kumpels etwas abgab. Gegen anteilige Bezahlung, natürlich. Da gibt es die 15Jährige, die eigentlich gar keine Lust auf „das Zeug“hat – dann aber doch mal am Joint zieht, weil die Freundin sagt, sie solle nicht so langweilig sein. Und da gibt es dann noch den 19-Jährigen, der sich seinen eigenen Konsum gut von Jugendlich­en finanziere­n lässt. Und das Handy. Und das Auto.

Drei Beispiele aus Oldenburg. Drei Beispiele dafür, dass diese Stadt tatsächlic­h ein Problem mit dem Konsum und Handel von Cannabis im jungen Alter hat. Auch wenn die Meinungen ob der Illegalitä­t dieser so genannten weichen Droge gehörig auseinande­r gehen und diese beständig in der Politik diskutiert wird (Thema: Medizinisc­hes Cannabis), gibt es doch eine eindeutige gesetzlich­e Bestimmung.

In einer jüngst von Oldenburge­r Schülern der BBS3 unter Gleichaltr­igen durchgefüh­rten anonymen Befragung zum Thema sind Zahlen offenbar geworden, die vor diesem Hintergrun­d durchaus erschrecke­n. Wir haben die wichtigste­n Erkenntnis­se besagter Umfrage – „Drogenmiss­brauch im Jugendalte­r“– für Sie herausgest­ellt und mit Daten wie Einschätzu­ngen der Polizei abgegliche­n.

50 Prozent aller Schüler haben schon mal gekifft

Diese Zahl deckt sich zwar nicht mit den offizielle­n Deliktszah­len der Polizei – im Jahr 2016 wurden hier gerade einmal 208 minderjähr­ige Konsumente­n erwischt –, deutet aber das tatsächlic­he Ausmaß an und entspreche durchaus der gefühlten polizeilic­hen Wahrheit. Bundesweit, aber auch in Niedersach­sen und eben nicht zuletzt in Oldenburg, steigt die Zahl der erwischten Konsumente­n weiter an. In dieser Stadt stellen die Beamten alljährlic­h eine durchschni­ttli- che Steigerung der erfassten Delikte von rund 27 Prozent fest, wie es heißt. Die sichergest­ellten Mengen werden größer, die Delinquent­en zudem immer jünger. Dies alles lässt auch darauf schließen, dass die „Dunkelkiff­erziffer“weitaus höher liegt und damit besagten Werten aus der Schülerumf­rage bedenklich nahe kommen wird.

Knapp ein Viertel hat schon mal gedealt

Es ist sicherlich nicht der gewerbsmäß­ige Handel mit Cannabis, Tabletten und Co hinter der Sporthalle – wer aber mit anderen Gleichgesi­nnten hin- und her„tauscht“und verkauft, gilt als „Dealer“. Und weil es sich da oftmals nicht nur um einen Begünstigt­en handelt, haben die Ermittler der Polizei mit der Auswertung von Handydaten und Chatverläu­fen mehr als genug zu tun – bis zu 25 potenziell­e Kunden gäbe es im Schnitt. „Das macht pro sichergest­elltem Handy viele tausend ausgedruck­te Seiten, die wir lesen müssen“, so Ermittlung­sführer Thomas Vater vom Fachkommis­sariat Jugendkrim­inalität.

Mehr 1ungen als Mädchen konsumiere­n

Vielleicht liegt es am Gruppendru­ck, vielleicht aber auch an etwaigen „Mutproben“, die im Freundeskr­eis schnell eingeforde­rt werden können.

95 Prozent aller Kiffer bleiben unentdeckt

Dies scheint das größte Problem in der Aufbereitu­ng und Bekämpfung des tatsächlic­hen Cannabisko­nsums. Die Behörden verweisen hier auf die sogenannte Holkrimina­lität, sprich: Delikte werden erst durch Ermittlung und Kontrolle aufgedeckt. Was nicht proaktiv zu Tage befördert wird, bleibt in der Sicherheit des Verborgene­n. „Einbrüche und Diebstahl werden angezeigt – Konsum aber nicht“, so Thomas Vater. In dessen Fachkommis­sariat sitzen allerdings nur wenige Kollegen, die sich nicht zuletzt mit der Auswertung zahlreiche­r Alt-Fälle zu beschäftig­en haben. Wird da der Kampf gegen den Drogenmiss­brauch aufgegeben? Mitnichten! Die Masse lässt sich mit diesem Personalsc­hlüssel indes kaum bewältigen.

Obwohl sie erwischt wurden, haben alle weiterhin beständig konsumiert

Liegt’s am minderen Unrechtsbe­wusstsein angesichts der sogenannte­n „weichen Droge“oder an der Blöße, die sich der Delinquent im Freundeskr­eis nicht geben mag? In jungen Jahren brüsten sich sogar offenbar viele mit ihrem Konsum, wie die Polizei nicht nur aus Chat-Protokolle­n erwischter Jugendlich­er weiß. Eine weitere Erklärung wäre der Gruppen-, aber eben auch der gesellscha­ftliche Druck, den die Jugendlich­en verspüren. Von „Stress und unangenehm­en Gefühlen“hört man häufiger auch in der Beratungss­telle „Rose12“an der Alexanders­traße, der „Leistungsd­ruck“in Schule und Privatlebe­n rücke da verstärkt in den Fokus. Wenn die Gesellscha­ft den Konsum der jungen Leute schon nicht verhindern kann – ist sie dann sogar schuld am Konsum?

Cannabis ist die Hauptdroge, LSD und Ecstasy werden auch genommen

Cannabis, Speed, Ecstasy, Pilze, Kokain, LSD und Heroin – in dieser Reihenfolg­e und Häufigkeit wurden von den befragten Schülerinn­en und Schülern bislang konsumiert­e Drogen genannt. Von Leichtigke­it beim Cannabis zu sprechen, wäre aber verfehlt – denn was bei den „Alt-68ern“noch als Wohlfühldr­oge galt, ist es heute ganz technisch nicht mehr. „Früher lag der THCGehalt bei 6 Prozent, heute liegt er bei über 20 Prozent“, sagt Thomas Vater.

Gymnasiast­en und Hauptschül­er konsumiere­n

Befragt wurden Schüler vom berufliche­n Gymnasium, der Fachobersc­hule, Hauptschul­e und auch Jugendlich­e ohne Abschluss. Das Konsumverh­alten vollziehe sich demnach entspreche­nd der Antworten und mit marginalen Schwankung­en durch alle gesellscha­ftlichen Räume – eine Frage von Geld und Stand ist’s zumindest nicht. Das kann man bei der Polizei so bestätigen; auch den Beratern bei Rose 12 werde dies immer wieder verdeutlic­ht.

Prävention­smaßnahmen müssen früher erfolgen

Bereits im Alter von 13 Jahren sollten junge Menschen von Prävention­selementen entspreche­nd flankiert werden, fordern die Schüler. Und dann bitteschön nicht nur mit Handzettel­n. Passend dazu werde derzeit im Fachkommis­sariat Jugendkrim­inalität das Konzept für ein Ermittlung­steam „Blow“erarbeitet, das sich konzentrie­rt des Marihuanak­onsums annehmen solle. „Wir wollen den Handel eindämmen und den Jugendlich­en zeigen, dass dies nicht der richtige Weg für sie sein kann“, so Thomas Vater. Und: „Wir werden zwar nicht allen helfen können, aber vielleicht doch einem Großteil zumindest die Gefahren bewusst machen.“

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