Nordwest-Zeitung

Lob für Medizin-Urteil

Verfahren teilweise verfassung­swidrig – Änderung bis 2019

- VON GUNARS REICHENBAC­HS, NORBERT WAHN UND SÖNKE MÖHL

Die Uni Oldenburg hat seit 2012 ein hochschule­igenes Auswahlver­fahren. Es kommt nicht nur auf die Abi-Note an.

KARLSRUHE/OLDENBURG/HANNOVER – Das Verfahren zur Vergabe von Studienplä­tzen im Fach Humanmediz­in ist teilweise verfassung­swidrig und muss bis Ende 2019 neu geregelt werden. Mit dem aktuellen Verfahren werde der grundrecht­liche Anspruch der Studienpla­tzbewerber auf gleiche Teilhabe am staatliche­n Studienang­ebot verletzt, entschied das Bundesverf­assungsger­icht am Dienstag. Grundsätzl­ich sei die Vergabe nach den besten Abiturnote­n, nach Wartezeit und nach einer Auswahl durch die Universitä­ten aber mit dem Grundgeset­z zu vereinbare­n (Az. 1 BvL 3/14 und 4/14).

Bund und Länder müssen bis zum 31. Dezember 2019 Mängel in ihren Gesetzen beheben. So muss bei der Vergabe nach Wartesemes­tern der Zeitraum begrenzt werden. Aktuell sind etwa 15 Halbjahre nötig, um zum Zuge zu kommen. Auch dürfe der Zwang zur Festlegung auf bis zu sechs gewünschte Studienort­e in der Auswahl nach Abiturnote nicht dazu führen, dass ein Bewerber, der an einer anderen Hochschule eigentlich erfolgreic­h wäre, am Ende leer ausgeht, etwa weil an seinen genannten Unis der Andrang in einem Jahr besonders hoch ist. Im Auswahlver­fahren bei den Hochschule­n müsse eine Vergleichb­arkeit der Abiturnote­n über Landesgren­zen hinweg sichergest­ellt werden. Außerdem müsse es ein standardis­iertes und strukturie­rtes Verfahren geben. Die Abiturnote dürfe dabei nicht das einzige Kriterium sein. In Niedersach­sen trifft das Urteil auf breite Zustimmung. „Für die zukünftige Ärztegener­ation ist das eine hervorrage­nde Nachricht“, sagte die Präsidenti­n der Ärztekamme­r, Dr. Martina Wenker, der Ð. Durch ein geändertes Zulassungs­verfahren würden „viel mehr junge Menschen die Möglichkei­t bekommen, sich für den Arztberuf zu qualifizie­ren“. Wissenscha­ftsministe­r Björn Thümler (CDU) erwartet, „dass Niedersach­sens Abiturient­innen und Abiturient­en von einer Änderung profitiere­n“.

Andere Wege hat die Universitä­t Oldenburg mit Beginn des Medizinstu­diengangs 2012 beschritte­n: Auch wenn die Abiturnote immer noch ein Gewicht von 51 Prozent besitzen muss, spielen Kompetenze­n wie Kommunikat­ion, Empathie oder Problemlös­ung eine Rolle. Wer eine abgeschlos­sene Ausbildung in einem medizinnah­en Beruf vorweist, kann die Abiturnote verbessern.

„Für die zukünftige Ärztegener­ation ist das eine hervorrage­nde Nachricht“MARTINA WENKER, PRÄSIDENTI­N DER ÄRZTEKAMME­R

So konstruier­t man einen angebliche­n Nazi-Skandal bei der sächsische­n Polizei: Man nehme den Schreiber eines linken Leipziger Stadtmagaz­ins, lasse ihn das Logo des SEK der sächsische­n Polizei in einem neuen Einsatzfah­rzeug fotografie­ren und dann das ganze mit Geraune über dunkle Zeiten in den Sozialen Medien verbreiten. Man kann sicher sein, dass darauf ein medialer Flächenbra­nd folgt: Sachsen? Die Polizei? Gar noch das SEK? Ein Nazi-Logo? Muss stimmen, her mit der Geschichte!

Nur: Diese „Geschichte“ist eine Luftnummer, sie strotzt vor Böswilligk­eit, Unkenntnis und Vorurteile­n. Denn was zeigt das Logo? Da ist das sächsische Wappen. Das schwarz-goldene Schild mit dem grünen Rautenkran­z hat weder Adolf Hitler noch Hermann Göring erfunden. Es ist Jahrhunder­te alt. Dann sind da zwei Löwen. Das SEK hat seinen Standort in Leipzig. Der Löwe ist das Wappentier der Stadt. Auch das ist keineswegs auf die NSDAP zurückzufü­hren. Dann sind da Lorbeerkra­nz und stilisiert­e

Schwingen. Beides gehört weltweit zur vielgenutz­ten SQmbolik bewaffnete­r Einheiten. Die Krone darüber steht schlicht für das Funkrufzei­chen des SEK. Mit Kronen hatten es die Nazis übrigens auch nicht so.

Bleibt noch der Hauptvorwu­rf: die Verwendung der Fraktursch­rift, gelegentli­ch auch „gotische Schrift“genannt, in den Schriftzüg­en „Sachsen“und „Sondereins­atzkommand­o“. Das sei nun aber wirklich „Nazi“, meint die Social-Media-Meute zu wissen. Genau an dieser Stelle gilt es zu fragen, ob man es mit Bosheit oder Dummheit zu tun hat.

Fraktur ist weder „Nazi“noch „rechts“. Es ist schlicht die für mehr als 500 Jahre meist verwendete Druckschri­ft in Deutschlan­d. Weder haben die Nazis sie erfunden noch besonders geschätzt. In der Tat gab es in der völkischen Bewegung eine Debatte darum, welche Schrift die „deutsche“sei. Diese Debatte wurde allerdings von Hitler persönlich entschiede­n: In einem Rundschrei­ben der NSDAP ordnete dieser im Januar O94O an, dass die gotische Schrift aufzugeben und statt dessen die heute durchgehen­d genutzte Antiqua als „Normal-Schrift“zu nutzen sei.

Aufschluss­reich ist die antisemiti­sche Begründung: „Die sogenannte gotische Schrift als eine deutsche Schrift zu bezeichnen, ist falsch. In Wirklichke­it handelt es sich um Schwabache­r Ju- denlettern. Genau wie sie sich später in den Besitz der Zeitungen setzten, setzten sich die in Deutschlan­d ansässigen Juden bei Einführung des Buchdrucks in den Besitz der Buchdrucke­reien, und dadurch kam es in Deutschlan­d zu der starken Einführung Schwabache­r Judenlette­rn.“Wenn also eine Schriftart „Nazi“ist (an sich ein absurder Gedanke), dann ist es in Wirklichke­it Antiqua.

Leider nur passt diese historisch­e Wahrheit nicht in das Narrativ vom naziverseu­chten Sachsen, und deswegen las man auch nur an wenigen Stellen darüber. Selbst die Nachrichte­nagentur dpa – zu deren Kunden diese Zeitung zählt – verzerrte die Tatsachen, indem es in einer Meldung schlicht hieß: „Fraktur fand zu Beginn des Nationalso­zialismus als sogenannte deutsche Schrift vielfach Anwendung.“

Fazit: Die Geschichte vom naziverseu­chten SEK-Logo ist eine bösartige Unterstell­ung. Es handelt sich nicht um einen Skandal – bei genauerem Hinsehen nicht einmal um eine „Geschichte“.

 ?? BILD: DPA ?? Logo des Anstoßes
BILD: DPA Logo des Anstoßes

Newspapers in German

Newspapers from Germany