Reformbedarf
Die Zahl der Medizinstudienplätze in Deutschland reicht nicht aus, die Nachfrage zu befriedigen. So kommt nur ein Bruchteil der interessierten Abiturienten zum Zuge. 9000 Studienplätzen stehen 43 000 Bewerber gegenüber. Die Frage ist, ob sich die Gesellschaft das leisten kann und will. Beklagt wird der Ärztemangel auf dem Land. Praxen werden geschlossen, weil die „Einzelkämpfer“unter den Allgemeinmedizinern keine Nachfolger finden. Selbst in Kreisstädten gibt es vakante Kassenarzt-Sitze.
Nicht alle der Absolventen eines Medizinstudiums arbeiten im Anschluss als niedergelassene oder als angestellte Ärzte, viele finden familienverträglichere Arbeitszeiten in Forschung und Industrie. Das Nachsehen haben Abiturienten, die sich vielleicht eine Tätigkeit als niedergelassener Arzt vorstellen können, aber schon bei der Hürde Zulassung zum Studium scheitern. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird dieses Problem nicht abstellen, jedoch hat das Gericht eine überfällige Reform angestoßen. Ein Blick auf das praxisorientierte Medizinstudium an der European Medical School in Oldenburg zeigt, wie die Ausbildung der angehenden Mediziner und ihre Ausrichtung auf die Region auch aussehen könnte. Das Notenprinzip wird durch das Urteil der Karlsruher Richter nicht abgeschafft, aber es könnte die Studienmöglichkeiten für die öffnen, die sich berufen fühlen zu einem Arbeitsleben als Mediziner in einer ländlichen Arztpraxis.
Die irrsinnig langen Wartezeiten jedenfalls vertreiben diejenigen Bewerber, die es über den Notenschnitt nicht direkt auf einen Studienplatz schaffen, in andere Länder, wo das Medizinstudium bezahlt werden muss – ob nach Österreich, nach Lettland oder Rumänien. Nicht alle von denen, die dort vielleicht mit großem Erfolg studieren, werden danach als Arzt in Deutschland praktizieren. Eine Mischung aus Abiturnote und Eignungstests wird der Kompromiss sein, um die rare Ware Medizinstudienplatz gerechter zu verteilen und die medizinische Versorgung auf dem Land zu sichern.
@ Den Autor erreichen Sie unter Begerow@infoautor.de