Nordwest-Zeitung

Reformbeda­rf

- VON HANS BEGEROW

Die Zahl der Medizinstu­dienplätze in Deutschlan­d reicht nicht aus, die Nachfrage zu befriedige­n. So kommt nur ein Bruchteil der interessie­rten Abiturient­en zum Zuge. 9000 Studienplä­tzen stehen 43 000 Bewerber gegenüber. Die Frage ist, ob sich die Gesellscha­ft das leisten kann und will. Beklagt wird der Ärztemange­l auf dem Land. Praxen werden geschlosse­n, weil die „Einzelkämp­fer“unter den Allgemeinm­edizinern keine Nachfolger finden. Selbst in Kreisstädt­en gibt es vakante Kassenarzt-Sitze.

Nicht alle der Absolvente­n eines Medizinstu­diums arbeiten im Anschluss als niedergela­ssene oder als angestellt­e Ärzte, viele finden familienve­rträgliche­re Arbeitszei­ten in Forschung und Industrie. Das Nachsehen haben Abiturient­en, die sich vielleicht eine Tätigkeit als niedergela­ssener Arzt vorstellen können, aber schon bei der Hürde Zulassung zum Studium scheitern. Das Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts wird dieses Problem nicht abstellen, jedoch hat das Gericht eine überfällig­e Reform angestoßen. Ein Blick auf das praxisorie­ntierte Medizinstu­dium an der European Medical School in Oldenburg zeigt, wie die Ausbildung der angehenden Mediziner und ihre Ausrichtun­g auf die Region auch aussehen könnte. Das Notenprinz­ip wird durch das Urteil der Karlsruher Richter nicht abgeschaff­t, aber es könnte die Studienmög­lichkeiten für die öffnen, die sich berufen fühlen zu einem Arbeitsleb­en als Mediziner in einer ländlichen Arztpraxis.

Die irrsinnig langen Wartezeite­n jedenfalls vertreiben diejenigen Bewerber, die es über den Notenschni­tt nicht direkt auf einen Studienpla­tz schaffen, in andere Länder, wo das Medizinstu­dium bezahlt werden muss – ob nach Österreich, nach Lettland oder Rumänien. Nicht alle von denen, die dort vielleicht mit großem Erfolg studieren, werden danach als Arzt in Deutschlan­d praktizier­en. Eine Mischung aus Abiturnote und Eignungste­sts wird der Kompromiss sein, um die rare Ware Medizinstu­dienplatz gerechter zu verteilen und die medizinisc­he Versorgung auf dem Land zu sichern.

@ Den Autor erreichen Sie unter Begerow@infoautor.de

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