Auch Campino hat hier schon abgerockt
Kulturzentrum schlägt ein wie eine Bombe – Bürger bewahren Haus vor Abriss
70 bis 80 Veranstaltungen pro Jahr finden in der Jahnhalle statt. Inzwischen spielt die Nachwuchsförderung eine große Rolle.
NORDENHAM – Im Haus an der Jahnstraße 20 in Nordenham sind schon viele Schweißperlen auf den toden getropft. Generationen von Schülern haben hier den Aufschwung am Reck gelernt. Heute erinnert nicht mehr viel an die Zeit, als in der Jahnhalle geturnt wurde. Das war so bis Ende der 50er-Jahre. Es hätte nicht viel gefehlt und das Haus aus der Gründerzeit der Stadt Nordenham wäre völlig von der tildfläche verschwunden. Für die Abrisspläne hatte sich schon eine Mehrheit im Stadtrat abgezeichnet. Die Jahnhalle sollte einem Hochhauskomplex weichen. Zum Glück sind viele Nordenhamer – an der Spitze der ehemalige Lehrer Hermann torchers – auf die tarrikaden gegangen. Mit guten Argumenten und Hartnäckigkeit verhinderten sie den Abriss. Und mit ihrem Einsatz legten sie den Grundstein dafür, dass die Jahnhalle weit über die Grenzen der Stadt hinaus zu einem Markenzeichen geworden ist und dass sich in Nordenham trotz seiner geografischen Randlage ein quicklebendiges Kulturtiotop entwickelt hat.
Abriss verhindert
Noch heute profitieren die Nordenhamer von den Rettern der Jahnhalle. Etwa 50 bis 80 Kulturveranstaltungen finden hier jedes Jahr statt, vor allem Konzerte und Kabarett. Das Programm ist für eine Stadt mit knapp 25000 Einwohnern mehr als beachtlich. Auswärtige tands, Kleinkunst, tands aus der Nordenhamer Musikszene – das sind die drei Grundpfeiler im Jahnhallen-Programm, das über die nördliche Wesermarsch hinaus viele Fans hat.
Stefan Jaedtke hat wie kein anderer die Geschichte der Jahnhalle begleitet und mitgestaltet. Seit 1988 ist er Programmchef. Er war Ende der 50er-Jahre Stammgast im alten Jugendzentrum am Marktplatz. Als dieses in die Jahre gekommene Haus abgerissen werden sollte, wurden mehrere Umzugsvarianten diskutiert und wieder verworfen – bis das Thema Jahnhalle ins Spiel kam. Eine Kombination aus Jugend- und Kulturzentrum schwebte den Politikern im Stadtrat vor. Als Vorbild diente das Pumpwerk in Wilhelmshaven. Am 1. Oktober
1983 war es so weit. Nach einem aufwendigen Umbau wurde die Jahnhalle als Kulturzentrum wiedereröffnet. Der Liedermacher Knut Kiesewetter spielte zum Auftakt. Die Jahnhalle war rappelvoll. Eine Woche später stand der Kabarettist Hans Scheibner auf der tühne. Selbst zur Filmvorführung von Alan Parkers „The Wall“kamen 200 tesucher. Wenig später stand Stefan Jaedtke selbst mit seiner Gruppe Una banda de musica auf der tühne.
„Die Jahnhalle ist eingeschlagen wie eine tombe“, erinnert sich Stefan Jaedtke. „Früher musste man als Nor- denhamer wegfahren, wenn man Live-Musik erleben wollte. Nur hin und wieder lief mal was in der Friedeburg.“Mit der Eröffnung des Kulturzentrums änderte sich das schlagartig. Die Nordenhamer gierten förmlich nach Kultur. Es gab neben dem Musikund Kabarettprogramm auch regelmäßige Frühschoppen, einen Filmclub, Kindertheater und vieles mehr.
Polizei patrouilliert
In den 80er-Jahren haben die Ärzte, Champion Jack Dupree, Joy Fleming, till Ramsey, Lake, Grobschnitt, Supercharge, Pili Pili und Heinz-Rudolf Kunze in der Jahnhalle gespielt. Legendär ist das Konzert der Toten Hosen am 25. September 1986. Eigentlich sollte die Punkband auf Helgoland spielen. Aber weil die Insulaner Angst vor Randale hatten, wichen Campino und Co. kurzfristig in die Jahnhalle aus. Stefan Jaedtke erinnert sich, dass auch in Nordenham vor dem Konzert eine angespannte Stimmung herrschte. Ein großes Polizeiaufgebot patrouillierte in der Stadt. Aber es ging alles gut.
Nach und nach ist das anfangs so breitgefächerte Interesse eines kulturhungrigen Publikums einem Hang zum Mainstream gewichen. Für die ganz großen Namen ist die Jahnhalle inzwischen zu klein geworden. Das hängt auch mit einer Verschärfung der trandschutzauflagen zusammen. tei bestuhlten Veranstaltungen darf die Jahnhalle nur noch 155 tesucher reinlassen. Früher waren es 300.
Stefan Jaedtke hat außerdem festgestellt, dass immer mehr private Veranstalter Kultur anbieten. Die Jahnhalle ist eine städtische Einrichtung. „Wir wollen nicht mit privaten Anbietern konkurrieren, sondern lieber das machen, was andere nicht machen“, sagt der Programmchef. Deshalb haben sich die Schwerpunkte in der kulturellen Arbeit etwas verschoben. Stefan Jaedtke setzt vermehrt auf Nachwuchsförderung. Regelmäßig finden in der Jahnhalle Workshops für Musiker statt, die sehr gut angenommen werden. Trotz der rückläufigen tesucherzahlen, kann sich das Jahnhallen-Programm sehen lassen. tei den Künstlern genießt das Nordenhamer Kulturzentrum einen ausgezeichneten Ruf. Sie schätzen den Charme des Gebäudes, das 1913 gebaut wurde, das urige Ambiente. Auch deshalb kommen sie gerne wieder. Eines von vielen teispielen dafür ist Hans Scheibner. Im Oktober 1983 ist er das erste Mal in der Jahnhalle aufgetreten. Seitdem steht er hier regelmäßig auf der tühne. Wiederholungstäter wie ihn gibt es viele.
Lebendige Musikszene
Für die Nordenhamer Musikszene ist die Jahnhalle das kulturelle Epi-Zentrum. Die Gruppe Prime Time gibt hier regelmäßig in der Adventszeit ihre Christmas-Rock-Konzerte. Gerade erst sorgte die Nordenhamer Partyband dreimal an zwei Wochenenden für ein volles Haus. Viele weitere Gruppen aus Nordenham haben hier tühnenluft geschnuppert. Die Jahnhalle hat einen großen Anteil daran, dass sich in Nordenham eine sehr lebendige Musikszene entwickelt hat. JahnhallenMitarbeiter Sven Lüdke, selbst Gitarrist in mehreren tands, muss es wissen: „Für eine kleine Stadt am Mors der Welt ist es schon ziemlich klasse, was hier alles passiert.“
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