Voller Dank für ein bewegendes Jahr
7ie sich der Alltag der Familie Politz aus Hahn-Lehmden unverhofft verändert hat
Die Zwillinge der Familie sind schwer beeinträchtigt und fast rund um die Uhr auf Unterstützung angewiesen. Dank großzügiger Spender gestalten sich einige Abläufe jetzt weniger beschwerlich.
HAHN-LEHMDEN – Es sieht noch ein wenig nach Baustelle aus im Haus von Familie Politz in Hahn-Lehmden. Hier und da liegen Werkzeuge auf dem Boden, es riecht nach frischer Farbe. „Der größte Teil ist geschafft. Wir hoffen, dass wir dieses Jahr noch fertig werden“, sagt Familienvater Nico (35) und Ehefrau Meike (48) ergänzt: „Es hat sich eine ganze Menge getan bei uns.“
Vor einem Jahr berichtete die über den schweren Alltag der Familie Politz. Meike und Nico haben Zwillinge, die 2009 mehr als drei Monate zu früh zur Welt kamen: Marten und Lasse. Beide sind schwer beeinträchtigt und auf Unterstützung angewiesen.
Erst seit etwas mehr als zwei Jahren kann Marten alleine auf seinen Füßen stehen. Wegen einer Spastik im rechten Bein kann er sich nicht normal bewegen. Zudem fehlt ihm im Freien der Gleichgewichtssinn, die Feinmotorik in der Hand ist gestört und er hat Probleme bei der räumlichen Wahrnehmung. Aber: „Er wird mutiger mit dem Laufen“, freut sich Vater Nico über die Therapiefortschritte. Im Freien ohne Hilfe wieder aufstehen, wenn er gefallen ist, das kann Marten jedoch noch nicht.
Im Körper gefangen
Sein Zwillingsbruder Lasse ist mehrfach schwerstbehindert. Er kann nicht sprechen, laufen, stehen oder sitzen, ist in seinem Körper gefangen. Nach der Geburt wurde er zwei Jahre lang künstlich mit Sauerstoff versorgt. Doch Lasse versteht, was um ihn herum passiert, reagiert darauf mit Lauten. Wenn er vertraute Wörter hört, leuchten seine Augen und er lacht.
Zurzeit bekommt Lasse eine Spezialnahrung direkt in den Magen gepumpt. Ärzte hatten bei ihm eine Transportstörung festgestellt. „Das Essen blieb unverdaut in der Speiseröhre hängen“, erklärt Vater Nico Politz.
Arztbesuche bei Spezialisten in Hamburg, Hannover oder Berlin stehen bei der Familie regelmäßig im Kalender. Aber auch die kleinen Dinge des Alltags, vom Einkaufen bis zum Besuch bei Freunden, lassen sich nicht mal eben so organisieren.
Seit diesem Frühjahr ist zumindest das Fahren ein wenig einfacher geworden. Als die
über das Leben der Familie Dankbar für die große Hilfsbereitschaft: Nico und Meike Politz mit Marten (li.) und Lasse sowie Familienhund Leni Rückblick: So berichtete die im Dezember 2016 über den schweren Alltag der Familie Politz, die damals auf ein behindertengerechtes Fahrzeug hoffte.
Politz berichtete, fuhren Meike und Nico noch einen 14 Jahre alten Opel Vivaro, der für den Transport von zwei Rollstühlen, auf die die Kinder angewiesen sind, nicht geeignet war und zudem nicht immer ansprang.
Die Familie versuchte deshalb, mit Hilfe des Landkreises, von Stiftungen und einer Spendenaktion beim Verein „Mobil mit Behinderung“ein behindertengerechtes Fahrzeug zu bekommen. Denn, so betonen es die Eltern: „Wir sind eine normal verdienende Familie, haben aber viele Zusatzkosten.“Vater Nico arbeitet beim Chemieunternehmen Büfa im Schichtdienst, Mutter Meike ist geringfügig im Einzelhandel beschäftigt.
Nach der Berichterstattung in der ging plötzlich alles Das neue Fahrzeug: Mit Hilfe einer Rampe können die Rollstühle nun in das Auto geschoben werden.
ganz schnell. Familie Politz erfuhr eine riesige Welle der Hilfsbereitschaft. Bereits im Februar konnte sie den Auftrag für ein behindertengerecht umgebautes Auto erteilen, das immerhin mehr als 30 000 Euro kostete. Und einige Wochen später stand das praktische Fahrzeug tatsächlich in Hahn-Lehmden. „Damit hatte keiner gerechnet“, sagt Meike Politz. Die Hilfsbereitschaft der Menschen sei einfach toll gewesen.
„Vieles ist jetzt einfacher geworden“, sagt die Mutter. Oder überhaupt erst möglich geworden. Im Frühjahr musste Marten ins Krankenhaus, wo er eine Achillessehnenverlängerung bekam. Dadurch soll sein Gleichgewichtssinn verbessert werden. Transportiert werden musste der Junge
mit hochgelegtem Bein. „Das wäre mit dem alten Wagen nicht möglich gewesen“, berichtet Meike Politz. Der Ford Transit Custom bot dafür nun ausreichend Raum.
Eine deutlich spürbare Erleichterung für die Eltern ist aber vor allem, dass sie die Kinder in ihren Rollstühlen nun über eine Rampe in das Auto schieben können. „In das alte Auto habe ich den Rollstuhl nie alleine reinbekommen. Ich brauchte immer eine zweite Person“, schildert Meike Politz.
Über noch mehr neu gewonnene Mobilität konnte sich die Familie im Spätsommer freuen. Der Spielmannsund Fanfarenzug Hahn-Nethen, bei dem Marten mitspielt, hatte ein Benefizkonzert mit dem Polizeiorchester Mehr Mobilität: Dank des Spielmanns- und Fanfarenzuges konnte Familie Politz ein Spezialfahrrad kaufen.
organisiert. Den Erlös spendete der Verein der Familie Politz, die damit ein Spezialfahrrad kaufen konnte, das wie ein Bakfiets funktioniert – das in den Niederlanden beliebte Lastenrad – und mit dem ebenfalls ein Rollstuhl transportiert werden kann.
„Die ersten kleinen Touren haben wir bereits gemacht“, berichtet Nico Politz. Marten kann auf einem speziellen Therapie-Trike fahren, dessen Kosten zum Teil von der Krankenkasse getragen werden. Und Lasse kann in seinem Rollstuhl in der Transportvorrichtung des Spezialfahrrades dabei sein.
Viel Arbeit steckte Familie Politz in diesem Jahr in ihr Haus. Am Hauseingang gibt es jetzt eine Rampe, um die Rollstühle nicht mehr reintragen zu müssen, sondern um sie reinschieben zu können. Und das größte Projekt nähert sich nun dem Abschluss. „Wir haben einen Durchbruch zur Einliegerwohnung nebenan geschaffen“, berichtet Meike Politz und Ehemann Nico sagt: „Da bekommt Lasse sein eigenes Reich.“
Ein eigenes kleines Reich
Bislang befand sich Lasses Schlafzimmer im Obergeschoss, ihn ins Bett zu bringen war mit großem Kraftaufwand verbunden. Jetzt ist alles ebenerdig zu erreichen. Ein ganzer Raum wird alleine benötigt, um die Spezialnahrung und Medikamente aufzubewahren, auf die der Junge angewiesen ist. Gegenüber liegen ein Badezimmer und der Therapieraum, in dem bald auch Lasses Pflegebett stehen soll. „Der Aufbau muss aber noch vom Sanitätshaus abgenommen werden“, erklärt Vater Nico.
Bisher waren die Umbauten, die Familie Politz im Haus vornehmen musste, vor allem praktischer Natur gewesen. Mal wurden Türen verbreitert, mal die kleinen Fliesen im Wohnzimmer ersetzt, damit die Räder des Therapiestuhls nicht hängen bleiben.
Der Durchbruch und der dadurch neu gestaltete Wohnund Essbereich mit Lasses angegliedertem Reich sind aber nicht länger nur praktisch, sondern auch gemütlich und schön geworden. „Darauf sind wir sehr stolz“, sagt Mutter Meike.