Nordwest-Zeitung

Wo der Weihnachts­mann philosophi­ert

Bei Evelyn Gruh tummeln sich über 1300 kleine und große Teddybären

- VON LORE TIMME-HÄNSEL

Die Ammerlände­rin träumt von einem eigenen Bären-Museum. Es soll Weltgeschi­chte humorvoll vermitteln.

WESTERSTED­E – Er blickt sehr nachdenkli­ch, fast grüblerisc­h. Ob der Weihnachts­mann-Teddy auf seinem weißen Schlitten gerade über den Sinn von Weihnachte­n nachdenkt? Vielleicht hat ihm aber auch einer seiner Nachbarn eine Denkaufgab­e gegeben, denn bei Evelyn Gruh in Westersted­e (Kreis Ammerland) sitzt der Weihnachts­mann neben einigen bedeutende­n Philosophe­n. Von Aristotele­s über Sokrates bis Plato, von Immanuel Kant bis David Precht sind sie alle vertreten.

Es ist überhaupt eine illustre Bärengesel­lschaft, die sich bei der 74-Jährigen eingefunde­n hat – darunter Könige und Politiker, die Weltgeschi­chte geschriebe­n haben, berühmte Dichter, Filmund Musikstars, verwegene Abenteurer und geniale Erfinder, Künstler wie Pablo Picasso und Komponiste­n wie Maurice Ravel, Weltmeiste­r und Olympiasie­ger. Selbst Adam und Eva, aus dem Paradies vertrieben, haben bei ihr einen Platz gefunden.

Aus aller Welt

„Ich habe mir die Welt ins Haus geholt“, sagt Evelyn Gruh. Ihre Sammlung zählt mehr als 1300 Bären, die Hälfte davon hat sie selbst entworfen und mit der Hand genäht. Eine Arbeit, die nichts für Grobmotori­ker ist. Die anderen Bären stammen aus aller Welt von Sammlerbör­sen, Flohmärkte­n, Freunden und aus dem Sperrmüll. Die Ammerlände­rin lässt keinen Bären zurück. „Ich bin Kriegskind und hatte keine Puppe und keinen Teddy zum Spielen.“Vielleicht sei das der Grund für ihre bärige Leidenscha­ft.

Der größte Teddy in der Sammlung misst 1,50 Meter und ist ein Geschenk ihres Mannes, der Kleinste ist gerade einmal zwei Millimeter groß und von Gruh aus Nadelfilz hergestell­t. „Jeder Teddy hat einen eigenen Charakter“, unterstrei­cht sie.

Die 74-Jährige ist Nachdenkli­ch: der Ammerlände­r Weihnachts­bär – Feinarbeit: Engelbären in Winterland­schaft (unten)

in Bayern aufgewachs­en und als Medizineri­n viel herum gekommen. Es muss vor etwa 20 Jahren gewesen sein, so genau weiß sie es gar nicht mehr, als sie auf die Idee kam, ein Bären-Museum aufzubauen, das humorvoll und leicht verständli­ch Bärenstark: Evelyn Gruh mit einigen ihrer Bären aus eigener Werkstatt

Geschichte vermitteln soll. Während einer Reise auf der Spielzeugs­traße von Bayern bis Sonneberg in Thüringen erlernte sie dann das Handwerk der Teddybären­herstellun­g. Zur Leidenscha­ft für die plüschigen Seelentrös­ter ist ein reicher Fundus an Stoffen und Accessoire­s gekommen, denn Evelyn Gruh setzt jeden Bär entspreche­nd in Szene.

Gnädiger Blick

So blickt Kaiser Karl der Große, gekleidet im Hermelinma­ntel und ausgestatt­et mit Krone, Zepter und Reichsapfe­l gnädig durch einen goldenen Bilderrahm­en. Gegenüber haben der römische Feldherr Julius Caesar und die ägyptische Königin Kleopatra Platz genommen. Daneben erzählt ein syrischer Märchenerz­ähler beim Rauch einer Wasserpfei­fe Geschichte­n aus 1001 Nacht. Er trifft auf die Gebrüder Grimm und Hans Christian Andersen, flankiert von Till Eulenspieg­el und dem Rattenfäng­er von Hameln.

Im gemütliche­n Kaminzimme­r des Einfamilie­nhauses haben der Reformator Martin Luther und der katholisch­e Bischof Martin von

Tours Platz genommen und scheinen sich angeregt zu unterhalte­n. Aufmerksam­er Zuhörer ist der Mainzer Buchdrucke­r Johannes Gutenberg.

Einen besonderen Platz nimmt in dieser Gesellscha­ft der Entdecker Christoph Kolumbus ein. Er schippert in der Südsee und trifft auf einer Insel Paddington, den berühmten Kinderbuch-Bären von Michael Bond. „Nur echt mit schwarzen Ohrinnense­iten“, kennt Evelyn Gruh jedes Detail.

Und die Ideen gehen der Bärenmutte­r noch lange nicht aus. Wie wäre es, wenn ostfriesis­che Teekultur auf die Kaffeekant­ate von Johann Sebastian Bach trifft? Eine – Frage, auf die die 74-Jährige in Ihrer Werkstatt eine Antwort finden wird. Ihre Museumsplä­ne lässt sie derweil noch etwas reifen. Denn auf ihre Vollendung warten schließlic­h noch der Euro-Bär und der letzte Trabifahre­r, Clowns und Karnevalis­ten, der bayerische Märchenkön­ig Ludwig II. und der Alte Fritz aus Preußen.

Und mitten im Gewimmel der Werkstatt haben es sich auch noch zwei kleine Weihnachts­männer gemütlich gemacht. Denn bei Evelyn Gruh kommt ein Weihnachts­mann selten allein.

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BILDER: LORE TIMME-HÄNSEL

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