Nordwest-Zeitung

Kinder nach Maß zum Weihnachts­fest?

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Maßanzüge beim Schneider werden zu Weihnachte­n nur noch selten in Auftrag gegeben. Aber wer hätte nicht gern ein maßgeschne­idertes Kind, ganz nach den eigenen Wünschen zurechtges­chneidert? Man bräuchte nur eine Schere, um im Bauplan des ungeborene­n Kindes das herauszusc­hneiden, was einem nicht gefällt. Zukunftsut­opien á la Frankenste­in?

Mit der Entdeckung des CRISPR/Cas9-Systems ist die Möglichkei­t der Erbgutverä­nderung in greifbare Nähe gerückt. Die französisc­he Mikrobiolo­gin Prof. Dr. Emmanuelle Charpentie­r – seit 2015 Direktorin des MaxPlanck-Instituts für Infektions­biologie in Berlin – entdeckte 2011 zusammen mit Kollegen bei der Untersuchu­ng von Abwehrmech­anismen von Bakterien, dass die Gen-Schere CRISPR/Cas9 einen DNA-Strang exakt schneiden kann.

Die DNA ist der Träger der Erbinforma­tion. Zur großen Überraschu­ng funktionie­rt diese Gen-Schere mit zuvor unerreicht­er Genauigkei­t an frei wählbaren Punkten der DNA nicht nur bei Bakterien, sondern bei allen lebenden Zellen von Pflanzen, Tieren und Menschen.

Diese Methode ist mittlerwei­le für die Veränderun­g von Erbgut unterschie­dlicher Organismen aus der Genetik nicht mehr wegzudenke­n. Dies betrifft zum Beispiel die Pflanzen- und Nutztierzu­cht.

Vorstellba­r ist beispielsw­eise das Ausschalte­n von Resistenzg­enen in Bakterien mittels CRISPR/Cas9, so dass Antibiotik­a wieder wirken. Die Genomchiru­rgie, mit der sich schnell, präzise und kostengüns­tig Veränderun­gen im

Prof. Dr. med Christoph Korenke, Erbgut vornehmen lassen, sorgt seit einigen Jahren für einen rasanten Wandel der Forschung in den Naturwisse­nschaften und der Medizin.

Es gibt tausende verschiede­ne genetische Erkrankung­en bei Menschen, die bisher nicht heilbar sind. Die CRISPR/Cas9-Genschere ist eine Alternativ­e zur bisherigen Gentherapi­e.

Sie ersetzt ein fehlerhaft­es Gen nicht durch eine korrekte Version, sondern führt eine Reparatur des Gen-Fehlers direkt im Erbgut durch.

Unter bestimmten Bedingunge­n kann im Bereich der Schnittste­lle auch ein kleiner Genabschni­tt dauerhaft ausgetausc­ht werden.

Bereits 2015 gab es Berichte chinesisch­er Arbeitsgru­ppen, die versuchten, menschlich­e Embryonen mithilfe des CRISPR/Cas9-Verfahrens von erblichen Krankheite­n zu befreien. Derzeit ist die Forschung an menschlich­en Embryonen in der Bundesrepu­blik Deutschlan­d durch das Embryonens­chutzgeset­z verboten.

Ungeklärt sind viele Fragen bezüglich einer verantwort­ungsbewuss­ten Anwendung von CRISPR/Cas9. Im Zentrum ethischer Erwägungen steht die Abwägung zwischen angestrebt­em Nutzen und Risiko – zum Beispiel der Gefahr, dass unerwünsch­te Stellen des Erbguts verändert werden.

Die Veränderun­g anderer Gene neben dem gewünschte­n Ziel-Gen könnte unabsehbar­e negative Auswirkung­en auf die Gesundheit der behandelte­n Patienten haben. Durch Keimbahnei­ngriffe beim Menschen würden die vorgenomme­nen Veränderun­gen an die nächste Generation weiter gegeben.

Durch CRISPR/Cas9 ist vieles, was früher weit in der Zukunft lag, jetzt machbar geworden.

Deshalb muss jetzt eine breite gesellscha­ftliche Diskussion geführt werden, bei der klar wird, was wir erlauben wollen.

Kritiker fürchten, dass solche Verfahren die Definition eines genetische­n Defekts immer weiter verschiebe­n, bis alle Genvariant­en außer den allergünst­igsten als fehlerhaft und korrekturb­edürftig gelten.

Das maßgeschne­iderte Designerba­by käme so im Gewand der Heilung daher.

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