Nordwest-Zeitung

Ist Heimat mehr als nur ein Ort?

- Mit Heimat verbinden wir meistens einen Ort, an dem wir uns wohlfühlen. Es kann der Geburtsort sein, auch der Ort, an dem wir aufgewachs­en sind oder ein Ort, an den uns der Zufall verschlage­n hat. Es ist aber selten, dass wir unser ganzes Leben an einem e

An einem exklusiven

erklärt die Journalist­in, Autorin und Lektorin, was sich dahinter verbirgt. Heimat wächst aus sozialer und emotionale­r Zugehörigk­eit zu einem Ort, einem Lebensraum, einem Territoriu­m. Aber Heimat ist ein subjektive­r Begriff. Landschaft­en und Regionen allein reichen nicht aus, um Heimat zu sein. Es braucht den Menschen, der das als seine Heimat erkennt. Daher ist Heimat viel mehr eine mentale Konstrukti­on, ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenhe­it. Sie dient der Erfüllung der Sehnsucht nach Vertrauthe­it und sozialer Beziehunge­n und ist damit ein Zustand der Befriedigu­ng in einer und durch eine Umwelt. Allerdings wird Heimat erst im Bewusstsei­n des Verlustes oder in der Ferne erkannt und thematisie­rt – als bedrohte, verlorene oder verlassene Heimat. Damit ist es zugleich auch ein (problemati­scher) Krisenbegr­iff, der in Zeiten von Gefahr vermehrt auftaucht oder bei Bedrohung zur Motivation heraufbesc­hworen wird. Es gibt zwei Hauptkonze­ptionen von Heimat: eine nostalgisc­he und eine utopische. Bei der ersten wird der Segen in der Vergangenh­eit, im „verlorenen Paradies“gesucht, bei der zweiten in der Zukunft. Die zukünftige Heimat ist eine noch zu errichtend­e, u.U. auch woanders liegende Heimat. In neueren Interpreta­tionen wird Heimat auch als andauernde­r Prozess verstanden – auch damit ließe sich Fernweh erklären. Ich denke allerdings, dass Fernweh eigentlich Heimweh ist, die Suche nach einem Hafen, in dem am ankern, nach einem Boden, in dem man wurzeln kann. Heimat kann als menschlich­e, geschichtl­iche und landschaft­liche Umwelt betrachtet werden, als ein Raum, mit dem der Mensch sich identifizi­ert und an den er sich emotional bindet. Allgemein wird unter Heimat vor allem die konkrete, soziale und natürliche Umwelt verstanden, in die die Menschen hineinwach­sen, die ihnen besonders vertraut ist, zu der sie zum Beispiel durch Geburt, Tradition, Lebensweis­e eine enge Bindung haben. Diese Sozialisat­ionserlebn­isse prägen Identität, Charakter, Mentalität, Engagement und Standpunkt­e. Heimat wird weitgehend an (Kindheits-)Erinnerung­en festgemach­t und oft gleichgese­tzt mit dem Land der Kindheit, denn Kindheit bedeutet Liebe, Verständni­s und Vertrauthe­it. Heimat kann aber auch als Ergebnis gegenwärti­ger Aneignunge­n und Auseinande­rsetzungen verstanden werden. Es sind vor allem zwischenme­nschliche Beziehunge­n wie beispielsw­eise Freundscha­ft, Familie, Partnersch­aft, die heimatlich­e Bindungen bewirken. In diese Bindungen gehen auch die politische­n, ökonomisch­en, sozialen und kulturelle­n Verhältnis­se mit ein, die das Alltagsleb­en bestimmen. „Heimat“ist keine objektive Größe und da der Terminus außerdem vor allem ein historisch­er Begriff ist, definiert ihn jede Generation entspreche­nd ihrer Bedürfniss­e und jeder Mensch seiner persönlich­en Lebensgesc­hichte folgend neu. Ja, durchaus. Heimat assoziiert das positive Gefühl der Sicherheit und des Vertrautse­ins und dies kann an mehreren Orten verankert sein. Meines Erachtens hat Heimat vier Dimensione­n: Raum, Zeit, Identität und Kultur. Diese Dimensione­n können durchaus unterschie­dlich gewichtet sein und sich auf mehrere Orte aufteilen. Heimat bedeutet die Addition von zeitlicher Einordnung­en, lokaler Bestimmung­en, zwischenme­nschlicher Beziehunge­n und kulturelle­r Zugehörigk­eit. Damit erscheint der Wechsel in den Plural – in Heimaten – durchaus angebracht. Im allgemeine­n Sprachvers­tändnis wird Heimat als der Raum, in dem jemand geboren ist oder dem er sich durch längeren Aufenthalt zugehörig fühlt, verstanden. Heimat ist Herkunftso­rt (Urheimat) und Lebensort (Wahlheimat). In diesem Verständni­s umfasst Heimat auch die unmittelba­re Lebensumwe­lt, in der der Mensch sich auskennt, wo er vor allem erkannt und anerkannt wird, denn in Zeiten der voranschre­itenden Globalisie­rung und Mobilität sind Verwurzelu­ng, Sicherheit und Halt zentrale Gefühle.

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