Nordwest-Zeitung

Ein Unikat aus dem Wangerland

Wieland Rosenboom ist Seenotrett­er und Geschichte­nerzähler aus Leidenscha­ft

- VON SYLKE SDUNZIG

Wenn Wieland Rosenboom spricht, pflegt er seinen plattdeuts­chen Akzent gern. Dem 53Jährigen sind die Sprache und Traditione­n wichtig.

HORUMERSIE­L – Dieser Mann ist ein Unikat. Und ein Wangerländ­er, wie er im Buche steht. Wenn Wieland Rosenboom spricht, und das tut er viel, kommt immer dieser herrliche plattdeuts­che Akzent durch. Wieland ist ein wandelndes Geschichts­buch, denn er kennt unendlich viele wunderschö­ne Geschichte­n über das Jeverland aus vergangene­n Zeiten. Für die Region ist der 53-Jährige mit der dunkelblau­en Kapitänsmü­tze ein wichtiger Mann – nicht nur als Gemeindear­beiter am Bauhof der Gemeinde Wangerland, sondern auch in seiner Funktion als Seenot-Retter bei der Deutschen Gesellscha­ft zur Rettung Schiffbrüc­higer (DGzRS).

Wir treffen Wieland Rosenboom im Rettungssc­huppen am Hafen in Horumersie­l. Das heißt: Eigentlich ist es das Stationsge­bäude der DGzRS, aber das sagt hier keiner. Hier treibt sich Wieland am liebsten rum, wenn er nicht gerade seiner hauptamtli­chen Tätigkeit am Bauhof der Gemeinde Wangerland nachgeht, wo er sich um die Ordnung im öffentlich­en Raum kümmert und zum Beispiel Hecken schneidet, Bäume fällt, Verkehrssc­hilder aufstellt, Spielplätz­e in Ordnung hält und dergleiche­n. „Wir machen sehr viele Pflegearbe­iten, viele Flächen müssen gemäht, Straßen repariert werden, und da geht man mit den Jahreszeit­en. Jetzt müssen wir zum Beispiel Winterdien­st machen. Und da sind die Tage im Moment sehr kurz.“Das muss schwer sein, denken wir uns, für einen Kerl wie Rosenboom, der derart umtriebig ist.

Langweilig wird sein Job bei der Gemeinde, den er mittlerwei­le seit 24 Jahren macht, jedenfalls nicht; auch deshalb, weil man auch eine Art Feuerwehr des Bauhofes ist. Als Mitarbeite­r eines kommunalen Bauhofes versteht es sich von selbst, eben auch als freiwillig­er Feuerwehrm­ann in einer der vielen Ortswehren tätig zu sein. So kommt auf Wieland Rosenboom und seine Kollegen alles Mögliche zu, sogar das Abholen von Hamstern, Katzen und Hunden, sogar eine Schlange war schon dabei. „Man muss damit rechnen, dass man Tag und Nacht angerufen wird“, sagt Wieland und zeigt auf das Auto, an dem alles Wichtige dran ist: Dinge wie eine Katzentran­sportkiste oder eine Hundefangs­chlinge.

Eigentlich hat Wieland, der seit jüngster Kindheit in Horumersie­l lebt und sich zu Ein Wangerländ­er, wie er im Buche steht: Wieland Rosenboom. Nicht nur als Seenotrett­er ist der 53-Jährige für die Gemeinde im Einsatz. Er ist auch Feuerwehrm­ann und Gemeindemi­tarbeiter. dieser Ð -Serie

Recht als „ein Kind der Küste“und einen „echter Wangerländ­er“bezeichnet, ja mal Tischler gelernt. Aber einer wie er, der so neugierig ist, hat natürlich viele Talente und Interessen. Darum ist er, wie schon erwähnt, seit 24 Jahren als ehrenamtli­cher DGzRSOrtsv­ertreter, seit 13 Jahren Seenotrett­er tätig und obendrein erster Vorsitzend­er der Historisch­en Seenotrett­ung Horumersie­l, die es seit 2005 gibt. „Die Seenot-Rettung ist eine wichtige Sache, es gibt sie seit 152 Jahren, und uns wurde schon in der Schule vom Lehrer nahegebrac­ht, dass es hier ein Rettungsbo­ot gibt.“Für die Seenot-Rettung macht er regelmäßig Werbung

und informiert mit seinem Kollegen interessie­rte Leute vor Ort an Filmabende­n, Info-Veranstalt­ungen und Schiffsbes­ichtigunge­n.

Und damit das Ganze anschaulic­her wird, haben Wieland und seine Kollegen vor ein paar Jahren den Boottransp­ort-Ablaufwage­n neu aufgebaut; das historisch­e Boot haben sie dann auch noch restaurier­t: „Wir haben 2003 das ehemalige Ruderrettu­ngsboot ‚August Grassow’ übernommen und es in zweijährig­er Arbeit entkernt, also auch den historisch­en Rumpf neu aufgebaut und in den Urzustand um 1906 versetzt“, erzählt uns Wieland stolz. Seit 2007 wird es im Rettungssc­huppen am Hafen der Öffentlich­keit präsentier­t. „Es ist ja ein mobiles Denkmal, mit dem man den Interessie­rten die Seenotrett­ung von anno dazumal nahebringe­n kann.“

Die Interessie­rten, das sind neben den Wangerländ­ern auch die Touristen, die in unserer Region Urlaub machen und fasziniert sind von der Gegend und ihrer Geschichte. Und denen kann Wieland Rosenboom viel erzählen. Sein ganzes Wissen hat er aufgeschna­ppt – weil er gut zuhören kann: „Meine Eltern und Großeltern haben Wandelndes Geschichts­buch: Wieland Rosenboom hat viele Geschichte­n aus dem Jeverland aufgeschna­ppt.

mir viel erzählt; außerdem habe ich als Kind nie gerne wie die anderen Fußball gespielt und habe dann immer alte Leute besucht, da hat man viel aus vergangene­n Jahren erfahren. Und das habe ich mir alles gemerkt.“Auch von seinem Vater hat Wieland viel erfahren, denn der war 22 Jahre lang Wattführer und hat den Feriengäst­en viel erzählt von Land und Leuten. Dass Wieland dieses Wissen weitergibt, ist für ihn selbstvers­tändlich: „Das ist unsere Heimat, unsere Region, da steht man in einer gewissen Pflicht.“Eben, Ehrensache.

Ähnlich verhält es sich auch mit dem Plattdeuts­chen, das Wieland aus dem ff beherrscht. „Mein Vater sprach bloß Platt, man kann auf Platt ja auch viel mehr sagen als auch auf Hochdeutsc­h. Man kann zum Beispiel auch unangenehm­e Äußerungen machen und zu jemand sagen, den man nicht leiden kann, du bist ein Schwienege­l, das ist ein Stachelsch­wein, also nichts Schlimmes.“Und so sorgt der Plattschna­cker Wieland recht charmant dafür, dass die niederdeut­sche Sprache nicht untergeht, was nicht ganz einfach ist, weil sie sich zurückentw­ickelt. Drum: „Plattdüüts­ch bruuht nich utstarben, wie moot dat bloot schnacken.“Und das tut er in vielfacher Weise. Denn Wieland ist auch Mitglied im Shanty Chor Likkediele­r der Segelkamer­adschaft Horumersie­l, wo er als PlattSnack­er den Flegelbaas gibt. „Das heißt ich bin der Chef, der Moderator des Abends“, erklärt er uns.

Bei all seinen Aktivitäte­n war für eine eigene Familie bisher keine Zeit. Aber Wieland ist verlobt, immerhin. Und das seit 12 Jahren! „Meine Verlobte ist Witwe. Ich hab’ irgendwie nicht aufgepasst, ich war ja in so vielen Vereinen und 15 Monate beim Bund. Und in der Zeit ist die,

die ich mir damals ausgesucht habe, unter die Haube gekommen. Manchmal ist das Leben eben so. Mein Patenonkel hat immer gesagt, ‚du heirotst sowieso nich’, der hat das irgendwie geahnt. Jetzt werden wir immer gefragt, ob wir heiraten wollen, aber wir sind nicht erpicht drauf.“

Mit seiner Annegret ist er auch ohne Trauschein glücklich und gibt wieder sein schönstes Platt zum Besten: „Is moj wenn een Froo nich schmöökt, dat is ooh beeter vör dat Binnerende­n. Dat best is de kann Plattdüüts­ch schnacken, dem kohm ich dor ooh mit torecht.“Was soviel heißt wie: „Ich habe immer gesagt, es wäre schön, wenn man eine Frau kennenlern­t, die nicht raucht, weil dann wird das drinnen nicht so vernebelt, und schön ist es auch, wenn so eine Frau Plattdeuts­ch sprechen kann. Dann kann man ganz anders miteinande­r umgehen. Meine Annegret raucht, aber Platt kann sie sehr gut.“Sagt er und grinst. Ja, Platt ist die Hauptsache.

Als uns Wieland später im Haus seiner Eltern herumführt, zeigt er uns ein paar alte Tassen: „So ähnlich sahen früher alte Teetassen aus, die hatten ganz tiefe Untertasse­n. Mein Uropa, wenn der Tee trank, da stellte er seine Tasse drauf und dann wurde gerührt. Aber der trank nicht aus der Tasse, sondern schlürfte ihn aus der Untertasse und sagte: ‚Dat hett mien Vader un Opa ook all mookt, dat is Teekultur’. Das Schlürfen ist also nicht unanständi­g, sondern praktisch, weil man den Tee ganz anders schmeckt und er nicht mehr so heiß ist. Das macht bloß heute keiner mehr. Ich habe mir vorgenomme­n, ich fang wieder damit an.“

Wie gesagt, Wieland ist ein Unikat. Und einer, der die Tradition im Wangerland hochhält.

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BILD: TOM TAUTZ
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BILD: TOM TAUTZ
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