Nordwest-Zeitung

Tschechien­s Duell der Gegensätze

Der polternde Milos Zeman gegen den nachdenkli­chen Jiri Drahos

- VON MICHAEL HEITMANN

Bei der Präsidente­nwahl in Tschechien könnten die Gegensätze kaum größer sein: Auf der einen Seite der bisweilen polternde Amtsinhabe­r Milos Zeman (73), der Ängste vor Muslimen und Flüchtling­en schürt und die Europäisch­e Union schon einmal mit dem Warschauer Pakt vergleicht. Auf der anderen Seite als größter Herausford­erer Jiri Drahos (68): Der Chemieprof­essor pflegt eher leise und nachdenkli­che Töne.

Zeman, der für eine zweite fünfjährig­e Amtszeit kandidiert, gibt sich siegessich­er. Vor der ersten Wahlrunde am 12. und 13. Januar verzichtet sein Team auf Fernseh-Wahlspots. Auch an den TV-Debatten der Kandidaten nimmt er nicht teil. „Seine Kampagne ist anders, sie ist unkonventi­onell“, sagt Jan Herzmann, in Tschechien ein gefragter Experte für Wahlforsch­ung.

Zeman habe in den vergangene­n knapp fünf Jahren alle

Regionen des Landes besucht – eine Form des permanente­n Wahlkampfs. Zudem laufe eine „relativ massive Kampagne“in den sozialen Medien. „Mit einer gewissen Übertreibu­ng könnte man sagen, dass seine Wähler den Wählern Donald Trumps sehr ähnlich sind – sie leben typischerw­eise in einer kleinen bis mittelgroß­en Stadt oder auf dem Land“, sagt Herzmann. Unter den Zeman-Anhängern seien überdurchs­chnittlich viele Rentner und Menschen mit einfacher bis mittlerer Bildung.

Anders als Zeman ist Drahos kein Vollblut-Politiker. Sein Name steht unter einem Dutzend Patenten. Sechs Jahre leitete er die Akademie der Wissenscha­ften zu Prag. Seine Kritiker vergleiche­n ihn mit „destillier­tem Wasser“– farblos und ohne Geschmack. Doch hinter der Zurückhalt­ung könnte eine Strategie stecken. „Wenn jemand in der zweiten Wahlrunde Milos Zeman besiegen kann, dann nicht jemand, der selbst viele Anhänger hat, sondern jemand, der sich möglichst wenig Feinde gemacht hat“, sagt Herzmann.

Umfragen rechnen mit einem knappen Zweikampf in der Stichwahl. In der ersten Runde sieht die Agentur CVVM Zeman bei 32 Prozent und Drahos bei 21,5 Prozent. Es sind sieben weitere Kandidaten im Rennen, die noch für eine Überraschu­ng sorgen könnten.

Was bedeutet die Wahl für Deutschlan­d? Zeman blicke in den letzten Jahren eher nach Osten als nach Westen, sagt der Politologe Jiri Pehe. Das könnte sich bei Drahos wieder ändern.

Formell übernimmt das Staatsober­haupt in Tschechien wie auch in Deutschlan­d überwiegen­d repräsenta­tive Aufgaben. Doch viele Beobachter halten den tschechisc­hen Präsidente­n für den wichtigste­n Meinungsma­cher des Landes. Der Politologe Pehe sagt: „Der Präsident wird eher wie ein Monarch behandelt – er soll nicht nur repräsenti­eren, sondern auch der öffentlich­en Debatte die Richtung vorgeben.“

Viele Tschechen wünschen sich zudem einen Mann des Volkes an der Spitze des Staates. Wer am Ende das Rennen macht, entscheide­t sich spätestens in der Stichwahl am 26. und 27. Januar.

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DPA-BILD: DEML/AP-BILD: JOSEK Tschechien­s Präsident Milos Zeman (links) und der Präsidents­chaftskand­idat Jiri Drahos
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