Vom Meer verschluckt und wiedergefunden
Ein britischer Junge verliert seine Kamera – In Deutschland abgeholt
SÜDEROOG – Das Watt glitzert in der Wintersonne silbrig: Langsam stapft William Etherton über den trocken gefallenen Meeresgrund. Ziel des Zehnjährigen ist die Hallig Süderoog. Auf der kleinsten ständig bewohnten Hallig im Nordfriesischen Wattenmeer will er am Wochenende seine Video-Kamera zurück bekommen. Vier Monate zuvor hatte das Meer die wasserdichte Kamera des Jungen vor der Ostküste Englands verschluckt.
Die Action-Cam hatte damals ihren eigenen Untergang gefilmt. Ihre mehr als 800 Kilometer lange Odyssee durchs Meer endete nach zwei Monaten in Deutschland. Dort wartet am Samstag auf der Hallig Süderoog Roland Spreer. Der 67-Jährige hatte die Kamera bei einem Strandspaziergang entdeckt. „Das Ding ist von England nach Süderoog geschwommen“, sagt Roland Spreer: „Kenn you this?“, fragt er mit breitem Lächeln und in bestem hamburger Missingsch. „Yeah, it’s my actioncamera“, lächelt William zurück. „Thank you.“
Auf der Kamera ist ein elf Minuten langes Filmchen gespeichert, das verwackelte Aufnahmen vom Strandurlaub eines kleinen Jungen zeigt. Der interessiert sich irgendwann mehr für seinen Wassereimer als für die Kamera. Die Action-Cam zeichnet vom Boden aus noch einige Minuten das Strandleben auf. Dann kommt die Flut und William Etherton (10) mit seiner Kamera
reißt die Kamera ins Wasser. Minutenlang wirbelt der Zuschauer mit ihr durch die Unterwasserwelt. Um den Jungen zu finden, stellen die beiden Hallig-Bewohner Nele Wree und Holger Spreer das Video ins Internet. Es entwickelt sich zum Hit, über den Medien berichteten. Dadurch erfahren es auch die Ethertons. Gemeinsam mit seinen Eltern Mark und Helen sowie seiner Schwester Poppy reiste William nach Deutschland.
Dabei ist es reines Glück, dass der Junge seine Kamera in den Händen halten darf. Nachdem Roland Spreer den verdreckten Plastikwürfel am Strand aufsammelt, will er ihn zunächst wegwerfen, erzählt er. „Ich ärgerte mich, weil ich dachte, das ist Elektroschrott.“Beim Drehen in der Hand habe jedoch ein kleines LED-Lämpchen aufgeblinkt. Deshalb gab er „das Ding“seinem Sohn Holger – und machte William glücklich.