Für 50 Pfennig volle 1000 Meter weit
.axen mit zwei Pferdestärken – Oldenburg unterhielt Handelsbeziehungen mit Island
Was befand sich in früheren Zeiten auf dem Dachboden des Rathauses? Was gab es mittags in der Schulküche? Und wie wurde eigentlich die Müllabfuhr geregelt? Antworten liefert Oldenburgs Geschichte.
OLDENBURG – Nichts ist so spannend wie die Geschichte einer Stadt. Und gleichermaßen so amüsant. Wer durch die Jahrhunderte alten und längst vergilbten Gemeindeblätter der Stadt Oldenburg stöbert, entdeckt dort zwischen den Zeilen Ereignisse und Beschlüsse, die sich bis in heutige Zeiten ausgewirkt haben. In unserer Serie, die in loser Folge veröffentlicht wird, stellen wir die besondersten oder auch nachhaltigsten Einträge eines ganzen Jahres vor. Heute: das Jahr 1904.
„Die Archivalien der Stadt Oldenburg, welche bisher aus Platzmangel größtenteils in sehr unzureichender Weise auf dem Boden des Rathauses aufbewahrt wurden, werden gegenwärtig einer Neuaufstellung und Ordnung in einem dazu eingerichteten Raume der städtischen Oberrealschule durch den Unterzeichneten unterzogen. Eine ganze Reihe für die oldenburgische Stadtgeschichte wertvoller Urkunden, Akten und Amtsbücher, welche bisher noch nicht wissenschaftlich verwertet worden sind, ist dabei neben manchem minder wichtigen Material ans Licht gezogen. (...) Vorzugsweise sind diese Archivalien natürlich für die innere Geschichte der Stadt von Interesse; sie geben ein Bild von der Verfassung und Verwaltung und unterrichten über gewerbegeschichtliche und andere kulturgeschichtliche Fragen. Einiges, z.B. die Akten betr. die Handelsbeziehungen mit Hamburg, Dithmarschen und Island, wozu noch zwei Geschäftsbücher der oldenburgisch-isländischen Reedereigesellschaft von 1585 gekommen sind, konnte bereits bei dem von D. Kohl herausgegebenen Werke über die Entstehungsgeschichte der Stadt und ihrer Verfassung mit benutzt werden. Für die Gewerbegeschichte ist auch die Auffindung eines noch nicht bekannten Schmiedestiftungsbriefes von 1383 (in Abschrift), sowie des 1574 begonnenen Amtsbuches der Schiffergilde von Wichtigkeit. (...) Zwar ist noch mancherlei zu tun übrig, bis eine den heutigen Ansprüchen der Archivwissenschaft einigermaßen genügende Lösung der Aufgabe erreicht ist, aber vorläufig geschieht hier wenigstens das Notwendigste, um die bisher erhaltenen Archivalien vor weiteren Verlusten zu bewahren und der Benutzung überhaupt zugänglich zu machen.“
STADTARCHIV
ABFUHR
„Vertrag vom 16. Januar 1904 wegen Uebernahme der städtischen Abfuhr: Vom Tage des Inkrafttretens des Status, betreffend Einrichtung des Abfuhrwesens in der Stadt Oldenburg, übernimmt die Abfuhrgesellschaft in Eversten unter folgenden näheren Bedingungen die Ab- Wer mit der Kutsche durch Oldenburg – hier die Haarenstraße um 1900 – wollte, musste einige wichtige Richtlinien beachten. Das galt allerdings nicht nur für Passagiere, sondern auch für die Kutscher selbst.
fuhr der Tonnen und Kübel sowie des Haus- und Straßenkehrichts aus der Stadt Oldenburg. 1. Die Abfuhrstoffe, nämlich der Kübel- und Tonneninhalt, der Hausmüll und der Straßenkehricht, werden der Genossenschaft zur landwirtschaftlichen oder sonstigen Verwertung außerhalb der Stadt überlassen. 2. Die Kübel- und Tonnenabfuhr geschieht im allgemeinen im fortwährenden Tagesbetrieb. (...) Ein Hinaussetzen der Tonnen und Kübel auf die Straße darf dabei überall nicht mehr stattfinden. Die Abfuhr darf nur mittelst eigens hierzu bestimmter Wagen geschehen. Die Kübelwagen müssen dem vom Magistrat aufgestellten Modell entsprechen. 3. Die Tonnen und Kübel werden mindestens einmal und auf Verlangen des Haushaltungsvorstands mehrere Male in der Woche oder täglich gegen gereinigte Tonnen oder Kübel ausgewechselt. (...) 13. Als Vergütung für die Beschaffung der Abfuhr erhält die Genossenschaft außer den Abfuhrstoffen den Erlös aus den von den Einwohnern nach dem Tarif zu zahlenden Gebühren. (...) Die Gebühr für die Abfuhr der menschlichen Auswurfstoffe einschließlich des Hauskehrichts beträgt: a) bei wöchentlich einmaliger Auswechselung jährlich 15 Mark, b) bei wöchentlich mehrmaliger Auswechselung für das zweite und dritte Mal u.s.f. je 15 Mark mehr.“
SCHULKÜCHE
„Mit Beginn der Osterferien fand das erste Schuljahr seinen Abschluß. (...) An 220 Tagen wurden 2629 Kinder unterrichtet, im Durchschnitt also 12 Kinder täglich (...) Der Durchschnittspreis für das Mittagessen in den Monaten November bis März war 20,51 Pfennig. Gekocht wurde u.a. Rotkohl mit Speck und Kartoffeln, Bratfisch und Kartoffelsalat, Wassergrießsuppe und Schweinebraten, Linsensuppe, Hafersuppe und Hackbraten, Sauerkohl mit Pökelfleisch, Fleischbrühe und Kartoffelpuffer, Brotsuppe und Kalbsfrikassee. Zu Weihnachten wurden einfache braune Kuchen gebacken, von denen die Kinder eine Probe mit nach Haus bekamen, und als Abschiedsessen durften die Schülerinnen Rinderschmorbraten mit Kartoffeln und kalten Pudding bereiten.“ BEFÖRDERUNG
„Wer auf öffentlichen Straßen und Plätzen Droschken zu Jedermanns Gebrauch aufstellen will, um sie gegen Entgelt in Betrieb zu setzen, bedarf hierzu einer von dem Stadtmagistrate zu erteilenden Konzession (...) Die Wagen müssen neu eingestellt werden. Der Fußboden im Innern des Wagens muß mit Linoleum und darüber mit einer durchbrochenen Gummioder Kokosmatte belegt sein. Der Kutschersitz ist mit einem Knieleder zu versehen. Ferner muß in jedem Wagen eine Decke von Plaidstoff für die Fahrgäste und in jedem Kupee eine zweckmäßige Vorrichtung zur Verständigung zwischen Fahrgast und Kutscher vorhanden sein. Die Wagen müssen von gefälliger Form, dauerhaft und bequem gebaut sein, mit sicher wirkender Bremse und mit sauberer Lackierung des Wagenkastens, Unterwagens, der Räder und der Deichsel, einem Verdeck aus Leder und einem Keilkissen für den Kutschersitz versehen und mit dunkelfarbenem Stoff oder Leder ausgeschlagen sein, auch stets in einem reinlichen Zustande erhalten werden. (...) Jeder Wagen muß ferner ausgestattet sein mit: 1. einem selbsttätigen, von der Polizeiverwaltung geprüften Fahrpreisanzeiger (...), 2. einer an geeigneter Stelle anzubringenden Laterne, welche während der Dunkelheit zur Beleuchtung der Fahrpreisscheibe des Tarameter-Apparats, sowie als Zeichen dafür zu dienen hat, daß der Wagen zur Aufnahme von Fahrgästen bereit ist. Die Laterne hat hellgrünes Licht zu zeigen (...) Der Kutscher ist verpflichtet (...) eine richtiggehende Taschenuhr bei sich zu führen (...). Während des Dienstes auf öffentlicher Straße haben die Kutscher die von dem Stadtmagistrate vorgeschriebene Kleidung zu tragen. (...) Gegen das Publikum ist ein ruhiges und höfliches Betragen zu beobachten. Dem Kutscher ist untersagt, Vorübergehende durch Anreden oder auf andere Weise zu behelligen.
Ebenso ist ihm verboten, während der Fahrt und auf den Halteplätzen zu rauchen. (...) Jede reinlich gekleidete Person ist als Fahrgast zuzulassen. (...) Dem Kutscher ist nicht gestattet, die Lenkung der Pferde einem Fahrgaste oder einer anderen Person zu überlassen. (...) Die Benutzung der Droschken zur Beförderung von Leichen ist ebenfalls verboten. Droschkentarif der Stadtgemeinde Oldenburg: 1. Tagestaxe: Für 1-2 Personen bis 1000 Meter Wegstrecke 50 Pfg., für jede weiteren 500 Meter 10 Pfg. 2. Nachttaxe: Für 1-4 Personen bis 500 Meter Wegstrecke 50 Pfg., für jede weiteren 250 Meter 10 Pfg.“
KRANKHEITEN
„Auszug aus dem Halbjahresbericht des Amtsarztes Dr. Schlaeger über die gesundheitlichen Verhältnisse in der Stadt Oldenburg für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1904: Die Zahl der ansteckenden Krankheiten hat in der Stadt Oldenburg gegen das erste Halbjahr 1903 nicht unerheblich abgenommen. Im ganzen sind 75 (120 *1903) Fälle von ansteckenden Krankheiten angemeldet worden.
Von diesen 75 Erkrankungen sind 28 (90) Diphtheritisfälle, 21 (28) Scharlach und 25 (6) Unterleibstyphus. (...) Ich hoffe, daß nach Einführung der geplanten Zwangsdesinfektion eine Reihe dieser Übertragungen wird vermieden werden können.“
GASKONSUM
„Im laufenden Betriebsjahre hat der Gaskonsum erfreulich zugenommen. Die Mehrausgabe an Gas gegen das Vorjahr beträgt 13,79 Prozent. Die Zunahme in der Gasabgabe fällt im wesentlichen auf den bezahlten Privatkonsum, doch ist auch der eigene Bedarf der Stadt für Straßenbeleuchtung gestiegen, da 94 neue Straßenlaternen aufgestellt wurden. Das Beleuchtungsgebiet umfaßt außer der Stadt Oldenburg noch einen Teil der Gemeinde Eversten und einen Teil der Gemeinde Ohmstede. Das mit Gas versorgte Gebiet hat annähernd 28391 Einwohner. Der Gasverbrauch per Kopf der Bevölkerung beträgt 53,34 Kubikmeter im Jahr.“
Alle bisherigen Serienteile zu Oldenburgs Gemeindeblättern unter www.nwzonline.de/ zurueckgeblickt Handschriftlich im Gemeindeblatt vermerkt: die „stündlichen Schwankungen des Gasverbrauchs“.