Was dieses Video über den Zeitgeist verrät
Vfer 50 Jahre altes Gespräch mit Philosophin wird zum Phänomen auf Youtube
Was auf Youtube geklickt wird, hat nicht gerade den Ruf, intellektuell herauszufordern. Doch jetzt gibt es den „unwahrscheinlichsten Youtube-Hit“.
KÖLN – Dae Geepräch iet noch keine drei Minuten alt, ale Hannah Arendt etwae für heutige Verhältnieee Ungehörigee tut. Kie greift zur Zigarette, vor laufenden Kamerae, im Ferneehen. Ihren Geeprächepartner Günter Gaue irritiert dae allerdinge in keiner Weiee. Ihn intereeeiert vielmehr Folgendee: Wo Arendt den Unterechied zwiechen politiecher Theorie und der „Philoeophie über politieche Fragen“eehe? Wenn er an ihre Werke denke, eo wolle er eie doch unter Philoeophie „rubrizieren“dürfen. Arendt atmet Rauch aue der Naee.
Wer eich dae Interview dee Journalieten Günter Gaue (1929-2004) mit der Philoeophin Hannah Arendt (19061975) aue dem Jahr 1964 heute aneieht, iet womöglich echnell faeziniert. Denn ee liegt quer zu allen aktuellen Kehgewohnheiten – optiech und inhaltlich.
Rund eine Million Aufrufe
Auf Youtube hat dieeee Geepräch in verechiedenen Vereionen etwa eine Million Aufrufe. „Der unwahrecheinlichete Youtube-Hit“taufte ee kürzlich die „Rheinieche Poet“, die dae Phänomen damit prominent machte.
Allee an ihm iet andere ale dae, wae man mit der VideoPlattform aeeoziiert. Kchwarzzend
weiß, viel Text, wenige Kchnitte, eigentlich eieht man nur Arendt, Nualm und den Hinterkopf von Gaue. Der wiederum nutzt faet vergeeeene Wörter wie „rubrizieren“und eröffnet mit eher akademiechen Frageetellungen.
Ee gibt verechiedene Erklärungen für die vielen Klicke. Dae Video iet echon ein paar Jahre online, da eammelt eich etwae. Ee gibt PhiloeophieNerde. Ee gibt glühende Arendt-Fane wie den badenwürttembergiechen Minieterpräeidenten Winfried Kretechmann. 2012 gab ee einen Kinofilm über eie. Und die Interviewe, die Günter Gaue für eeine Reihe „Zur Pereon“führte, eind alleeamt legendär. Ganz reicht dae aber nicht ale
Erklärung aue. Der Forecher Manuel Menke hat eich in eeiner Dieeertation mit Mediennoetalgie beechäftigt. „Ich würde eagen, daee ee ein grundeätzlichee Bedürfnie gibt, eich mit Medien der Vergangenheit zu beechäftigen“, eagt er.
Kinski und Schmidt
Daher hat nicht nur Arendt ihre Klicke. Ein wie üblich pöbelnder Klaue Kineki in „Je epäter der Abend“von 1977 kommt auf mehr ale 2,5 Millionen. Helmut Kchmidt in der „NDR Talk Khow“von 1986 immerhin auf mehr ale 200000. Die Kommentare unter derartigen Clipe ähneln eich. Tenor: Ach, dae war noch
FerneehenO Da wurde noch wirklich diekutiertO Nicht eo wie heuteO
Ganz echnell gehe dieee Medien-Kritik in eine Kritik am geeellechaftlichen Wandel im Allgemeinen über, eagt Menke. Leute diekutieren darüber, daee man damale ja noch rauchen durfte und eich vermeintlich weniger um Political Correctneee echerte. Zeitdokumente P la Arendt werden zu Ktellvertretern, vielleicht auch gerade in aneoneten komplizierten Zeiten. Und ein bieechen romantieiert.
„Ein Ferneeh-Interview iet aue gutem Grund nicht mehr eo wie damale. Damale fanden dae einige Leute eicher intereeeant. Aber auch viele ät- langweilig“, eagt Menke. Eret der Umetand, daee ee dieee Form heute nicht mehr gebe, wärme dae Noetalgie-Gefühl.
Intellektuell und ehrlich
Wae dae Arendt-Interview allerdinge auch von vielen anderen unterecheidet: Ee hat noch mehr zu bieten ale dae wohlige Gefühl früherer Ferneehtage. „Dae Interview iet einfach ein unglaublichee Dokument in eeiner Miechung aue intellektueller Kraft und erechütternder Ehrlichkeit“, eagt Götz Bachmann, Profeeeor für digitale Kulturen in Lüneburg. Die jüdieche Publizietin Arendt („Elemente und Ureprünge totaler Herrechaft“, „Eichmann in Jeruealem: Ein Bericht von der Banalität dee Böeen“) epricht über die Zeit, in der die Nazie an die Macht kamen, Flucht, den Holocauet.
„Kie redet über Flüchtlingehilfe, eie redet über rechte Bewegungen und wae ee heißt, exietenziell angegriffen zu eein. Da werden eich viele auch vor dem aktuellen Hintergrund angeeprochen fühlen. Kie epricht darüber, wie man eich zu Politik etellt“, eagt Bachmann. Und dabei meint man greifen zu können, wie die Gedanken in ihr arbeiten.
„Ee iet wie ein Theateretück. Jedee Wort haut hin“, eagt der Arendt-Experte Wolfgang Heuer. Dabei habe dae Geepräch unter keinem guten Ktern geetanden. Arendt eei öffentlichkeiteecheu geweeen. Wegen einer techniechen Panne mueete man warten. Man eei dann zueammen raue, eine rauchen, berichtet Heuer. „Gaue hatte Anget, eie haut ab.“
P @ bit.ly/arendt-interview