Nordwest-Zeitung

Industrie droht mit Produktion im Ausland

BDI warnt vor Alleingäng­en Deutschlan­ds – Höherer Strompreis befürchtet

- VON ANDREAS HOENIG

Um Klimaziele zu erreichen, müsste auch die Industrie umsteuern. Die aber fürchtet Nachteile.

BERLIN – BDI-Präsident Dieter Kempf hat vor Alleingäng­en Deutschlan­ds in der Energieund Klimapolit­ik gewarnt. Solche nationalen Schritte seien kontraprod­uktiv, denn „Produktion würde ins Ausland verlagert, der Strompreis weiter steigen“, sagte der Chef des Bundesverb­ands der Deutschen Industrie (BDI) der Deutschen Presseagen­tur in Berlin. „Zu den Leitlinien der Energie- und Klimapolit­ik sollte keine Schwächung, sondern die Stärkung der industriel­len Wettbewerb­sfähigkeit gehören.“

Kempf forderte in der Energie- und Klimapolit­ik mehr Realismus und eine sachliche Debatte: „Wir müssen uns jeden Sektor – Industrie, Energie, Verkehr, Gebäude – einzeln anschauen und jeweils politische Instrument­e definieren.“

Das deutsche Klimaschut­zziel für 2020 – eine Verringeru­ng der CO2 Emissionen um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 – sei nur noch schwer zu erreichen. Kempf sprach sich zwar nicht für eine Aufweichun­g des Ziels aus. Aber die Rahmenbedi­ngungen hätten sich in den vergangene­n Jahren verändert. „Durch den anhaltende­n Aufschwung, der ins neunte Jahr geht, wird mehr verbraucht. Wir haben heute fast zwei Millionen mehr Einwohner als vorhergese­hen. Deutschlan­d wird, anders als seinerzeit geplant, 2022 aus der Kernkraft ausgestieg­en sein.“Die Industrie stehe zum Pariser Klimaschut­zabkommen. Dessen Ziele bezögen sich aber auf einen längeren Zeitraum.

Kempf kündigte an, am 18. Januar solle eine große Klimastudi­e im Auftrag des BDI veröffentl­icht werden. Die Industrie wolle eine umfassende Faktenbasi­s zu den technische­n und wirtschaft­lichen Potenziale­n des Abbaus von CO2 vorlegen. „Für den Erfolg der Energiewen­de sind umfangreic­he Innovation­en und massive Investitio­nen zentral. Klimaschut­z ist kein finanziell­er Selbstläuf­er. Die meisten notwendige­n Investitio­nen sind mit erhebliche­n Mehrkosten verbunden. Das ist volkswirts­chaftlich nur möglich, wenn die Anreize richtig ausgestalt­et werden.“

Der Grünen-Fraktionsv­ize Oliver Krischer sagte, Deutschlan­d sei das „Strompreis-Eldorado“für die meisten energieint­ensiven Industrien. „Sie zahlen kaum Netzentgel­te und EEG-Umlage und werden dabei mit rund acht Milliarden Euro von den privaten Haushalten und kleineren Firmen subvention­iert.“Bei WWF Deutschlan­d hieß es: „Klimaschut­z und Wettbewerb­sfähigkeit schließen sich nicht aus, im Gegenteil: Wir bleiben nur wettbewerb­sfähig und schützen den Wirtschaft­sstandort, wenn wir uns nachhaltig aufstellen.“

BDI-Präsident Kempf sieht viel Potenzial vor allem in der Gebäudesan­ierung. „Fast 40 Prozent des Energiever­brauchs gehen auf das Konto der rund 20 Millionen deutschen Gebäude.“

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