Trainer-Aufsteiger steht vor Reifeprüfung
O10um Christian Prokop ein Gegenentwurf seines Vorgängers ist
FRANKFURT – Alle Augen auf Christian Prokop! Bei der EM in Kroatien steht der jüngste Handball-Bundestrainer in der Geschichte nicht bloß wegen seiner viel beachteten Kader-Nominierung im Fokus. Für Prokop ist das Turnier auf dem Balkan das erste Großereignis in neuer Rolle, das Unternehmen Titelverteidigung gilt auch als Reifeprüfung für den mit vielen Vorschusslorbeeren ausgestatSenkrechtstarter. teten
Die Erwartungshaltung nach der erfolgreichen Sigurdsson-Ära ist immens. „Die nehme ich wahr. Aber ich bin nicht der Freund, mit Parolen von großen Zielen Schlagzeilen zu produzieren. Ich möchte, dass wir das mit Leistung machen. Entsprechend sollten wir noch ein bisschen demütig sein“, sagte Prokop vor dem Auftaktspiel gegen Montenegro an diesem Samstag (17.15 Uhr/ZDF) und gab die optimale Punktausbeute in der Vorrunde als erstes Teilziel aus. Kurz vor dem Abflug gen Zagreb am Donnerstag befindet sich Prokop im Tunnel. Die öffentlich eher defensive Herangehensweise ist typisch für den Nachfolger des charismatischen Dagur Sigurdsson. Prokop braucht nicht das große Scheinum werferlicht, seine Philosoden phie an Mann zu brin- gen. An der Konsequenz des 39-Jährigen zweifelt spätestens seit der überraschenden Nichtberücksichtigung von Abwehrchef Finn Lemke niemand mehr.
Prokop wirkt mit seiner unbestrittenen Expertise vor allem nach innen. „Er ist ein akribisch arbeitender Trainer, der bloß nichts falsch machen will. Er erklärt uns alles doppelt und dreifach, damit jeder Laufweg perfekt stimmt. Man merkt einfach, er hat Bock darauf“, sagte Rückraumspieler Julius Kühn. Vor allem die kommunikative Art Prokops kommt an. „Da ist schon ein Unterschied zu Dagur. Christian redet viel mit den Spielern und gibt viele taktische Vorgaben“, sagte Kreisläufer PatrickWiencek.
Jung, zielstrebig, erfolgreich: Der zweifache Familienvater Prokop ist ein leidenschaftlicher HandballArbeiter mit Hang zum Perfektionismus. Für seine in Tei- len umstrittene Kader-Auswahl erhielt er am Dienstag die Rückendeckung vom Verband. „Wir waren in die Gedanken von Christian Prokop eingebunden und wissen, dass er sich die Entscheidung nicht einfach gemacht hat. Ohnehin haben wir diese Entscheidung zu akzeptieren, die in der Argumentation schlüssig ist“, sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning. Prokop hatte nach dem finalen EMTest gegen Island (30:21) am vergangenen Sonntag in Lemke, Fabian Wiede und Rune Dahmke gleich drei Europameister aus dem 16-köpfigen Aufgebot für die EM-Endrunde gestrichen.
„Bei der Auswahl der Nationalspieler geht es einzig und allein um die beste Leistung. Aber meine Handschrift hat man in Leipzig gesehen, und ich erhoffe mir, eine ähnliche Philosophie auch bei der Nationalmannschaft einzubringen“, sagte Prokop. Der geprüfte Grundschullehrer, der bis zum Sommer vergangenen Jahres auch den Bundesligisten SC DHfK Leipzig trainierte, hatte von der „bisher schwersten Entscheidung meiner Amtszeit“gesprochen.