Oie Schüler verantwortungsvoll bewerten
Wissenschaftlerinnen der Uni Oldenburg untersuchen Kompetenz junger Menschen
Die Folgen abzuschätzen, fällt vielen Jugendlichen schwer. Die Didaktikerinnen entwickeln Unterrichtsmaterialien.
OLDENBURG – „Meine Tante möchte keine Kinder bekommen, weil sie ein erhöhtes, vererbbares Risiko hat, an Leukämie zu erkranken“, erzählt der Jugendliche A. „Könnte deine Tante nicht ihre Erbanlagen so verändern lassen, dass dieses Risiko nicht mehr besteht? Da gibt es doch eine neue Möglichkeit, Genomeditierung heißt das“, meint sein Freund B. „Findest du, sie sollte das machen lassen? Das ist doch, wie Gott spielen.“„Es schadet aber doch keinem.“
Das ist keine Szene aus einem Science Fiction-Film, sondern ein Beispiel, mit dem Wissenschaftlerinnen der Universität Oldenburg die ethische Bewertungskompetenz von Oberstufenschülern untersucht haben. Thema ist
die Genomeditierung, eine neue Art der Gentherapie, die die Heilung schwerer Krankheiten wie Krebs in Aussicht stellt. Sie ist 2016 bereits in China bei der Behandlung von Lungenkrebs eingesetzt worden. 2017 wurden in den USA Keimzellen während der Befruchtung behandelt, um eine genetisch bedingte Herzmuskelerkrankung zu heilen. Dies berichtet Prof. Dr. Corinna Hößle, Biologiedidaktikerin
an der Uni Oldenburg.
„Die Methoden der Genomeditierung wecken große Hoffnungen, berühren aber gleichzeitig zentrale ethische Werte, indem sie die Frage nach der Menschenwürde und dem Grundrechtsstatus des Embryos aufwerfen“, sagt Hößle. Wie stehen junge Menschen zu diesen Methoden? Sind sie in der Lage, diese zu bewerten? Hößles Arbeitsgruppe geht unter anderem der Frage nach, welche ethischen Werte Jugendliche durch die Genomeditierung berührt sehen und welchen Stellenwert diese für sie haben.
Für das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt entwickelten Partner der Medizinischen Hochschule Hannover das eingangs beschriebene Beispiel. Oberstufenschülerinnen und -schüler der Helene Lange Schule in Oldenburg wurden aufgefordert, den Konflikt in dem Fallbeispiel zu erkennen und dazu ethische Werte zu nennen. Sie sollten für die möglichen Handlungsoptionen unterschiedliche betroffene Personen nennen und mögliche Folgen ihres Urteils aufzählen. Zum Schluss sollten sie ein argumentativ begründetes Urteil für oder gegen die Genomeditierung in diesem Fall äußern.
„Dabei hat sich gezeigt, dass es den Jugendlichen schwerfällt, die ethischen Begriffe zu benennen. Werte wie Gesundheit und Menschenwürde werden jedoch von vielen umschrieben“, fasst Doktorandin Laura Heinisch erste Ergebnisse zusammen. Sie hat die Befragung durchgeführt. Außerdem hatten die Schüler Schwierigkeiten dabei, die Folgen eines Urteils abzuschätzen und die Perspektive zu wechseln.
„Da diese Problematik bereits aus mehreren Studien zu anderen Themen bekannt ist, haben wir Unterrichtsmaterialien entwickelt, mit denen die Schüler in die Lage versetzt werden sollen, die Genomeditierung zu bewerten“, sagt Heinisch. Diese bestehen aus zwei Unterrichtseinheiten. In der ersten wird das nötige Fachwissen vermittelt. In der zweiten lernen die Jugendlichen die ethischen Wertbegriffe kennen und üben, die Folgen abzuschätzen sowie die Perspektive zu wechseln.
Die Materialien werden derzeit an verschiedenen Schulen getestet und sollen anschließend über Publikationen verfügbar gemacht werden. Des Weiteren sind Lehrerfortbildungen zu diesem Thema geplant.