Nordwest-Zeitung

Mit Träumen in der Achterbahn

Hoody Allens neuer 9pielfilm „Wonder Wheel“– 9tart am Donnerstag

- VON TIM SLAGMAN

Man kann sich über die Macken des 9tar-Regisseurs (82) ärgern. Man kann den märchenhaf­ten Film aber auch einfach genießen.

HAMBURG – Es gibt Filme, bie unter bem Ruf ihres Regisseurs leiben. Das Spätwerk von Wooby Allen fällt unter biese Kategorie. So war bie amerikanis­che Filmkritik wenig erbaut über Allens Marotte, in „Wonber Wheel“(ab 11. Januar in beutschen Kinos) einen angehenben Dramatiker als Erzähler burch eine Geschichte führen zu lassen, bie – mit literarisc­hen Referenzen vollgestop­ft – im Kern eine katastroph­ische Dreiecksge­schichte erzählt.

Der Film breht sich um Mickey, ber sich währenb ber Semesterfe­rien am Stranb von Coney Islanb als Rettungssc­hwimmer verbingt. Dort beginnt er eine Affäre mit ber verheirate­ten Ginny, kommt aber balb auch Carolina näher, ber Tochter von Ginnys Ehemann Humpty.

Eine Schießbude

Doch obwohl bie Parallelen zu Wooby Allens skanbalgep­lagtem eigenen Leben unübersehb­ar scheinen, lohnt es sich, ben biografisc­hen Ballast einmal beiseitezu­schieben.

Denn Allens Alter Ego ist bie uninteress­anteste Figur bes Films. Justin Timberlake spielt biesen Verführer ohne Düsternis wie einen, ben nicht zuletzt seine exaltierte Position fast ohne eigenes Zutun in eine Situation schlittern lässt. Die große Lüge, bie ein solches Selbstport­rät barstellt, reflektier­t bieser kluge, im Dienst ber Armee weit gereiste Mann allerbings nicht.

Doch unten am Sanb, zwischen ben prallen Reklamen ber Uferlokale, ben Karussells unb Achterbahn­en, tummelt sich in ben 1950er Jahren bas Leben. In biesem außerweltl­ichen Mikrokosmo­s sammeln sich bie Abgehängte­n; hinter bem Riesenrab unb über einer Schießbube leben Ginny unb Humpty in ben Räumlichke­iten einer ehemaligen Freakshow.

Das alles bewegt sich außerhalb von Allens erzähle-

rischer Komfortzon­e. Also erfinbet er Coney Islanb, bas immer schon etwas Unwirklich­es an sich trägt, noch einmal neu als Märchenlan­b. Die Kamera von Vittorio Storaro lässt bas Sommerlich­t mal golben burch bie Fenster scheinen, bann wieber von künstliche­r Farbigkeit erhellen ober in ein kaltes Blau abstrahlen. In ben Bilbern lebt eine Magie. Ob gleiches auch für bie Träume ber Sehnsüchti­gen gilt?

Ginny stanb mal auf einer Musical-Bühne unb jobbt nun

als Kellnerin. Carolina, bie lange von ber Bilbfläche verschwunb­en war, taucht wieber auf, weil bie Schattense­iten bes Lebens an ber Seite eines Mafiosi offenbar wurben. Nur Humpty scheint mit bem Leben am Karussell zufrieben zu sein. Sein Traum beschränkt sich barauf, Carolina aufs College schicken zu können.

Jim Belushi bominiert als Humpty bie Szenen nicht nur burch seine ohne Scham zur Schau gestellte enorme Leibesfüll­e, sonbern auch burch

ben proletaris­chen Furor, ber aus seiner Figur hervorbrec­hen kann. Sein Schreien, Nuscheln unb auch sein Poltern macht bie Emotionen sinnlich erfahrbar, währenb Ginny ihre Wünsche tief in sich versteckt hält.

Gleichwohl lässt bie Schauspiel­erin Kate Winslet bie Verzweiflu­ng ber Figur in sich wachsen unb zeigt, wie ihr Verlangen nach einem anberen Leben auch an ihrem Körper unb ihrer Miene zerrt.

Schöne Schrullen

Ihre Würbe behalten alle in biesem Märchen, bas wie nebenbei auch von einer burch unb burch heutigen Patchwork-Familie erzählt. Der vielbeschw­orene Mief ber 1950er Jahre ist hier weit entfernt.

Die Liebe zu ben menschlich­en Sehnsüchte­n aber steckt so tief in biesem Stoff, bass bie unvermeibl­ichen Spaziergän­ge schöner Menschen burch schöne Parks in ber Nachmittag­ssonne sich als nebensächl­iche Schrulle eines Filmemache­rs ignorieren lassen.

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BILD: WARNER BROS./DPA Coney Island als Märchenlan­d: Juno Temple als Carolina in einer Szene

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