Mehr Wunsch als Wirklichkeit
Der Umstieg zur E-Mobilität wird sich noch lange hinziehen
Das Jahr 2018 soll auch eingehen in die Geschichte des Durchbruchs der E-Mobilität. Glaubt man den vollmundigen Aussagen der Politik und auch der Autoindustrie, so ist der endgültige Abschied vom Verbrennungsmotor nicht mehr weit. Der Faktencheck zeigt: Hier ist mehr Wunsch als Wirklichkeit im Spiel.
Unabhängig von der Feststellung, dass der Entwicklungsstand bezahlbarer Elektrofahrzeuge mit akzeptabler Reichweite noch viel Spielraum nach oben lässt, gibt es gravierende Anzeichen dafür, dass der Umstieg auf die EMobilität sich viel länger hinziehen wird als offiziell dargestellt. Drei Aspekte stehen dabei im Mittelpunkt. Erstens: Mit der angeblich so guten CO2-Bilanz ist es nicht weit her, die Öko-Bilanz ist tatsächlich sogar verheerend. Zweitens: Es gibt bei der Entwicklung der Batterietechnik bisher keine sinnvollen und praktikablen Alternativen zu den Rohstoffen Lithium, Kobalt, Graphit, Mangan und seltene Erden. Drittens: Von einem bedarfsgerechten Schnellladenetz sind wir noch Lichtjahre entfernt.
Punkt 1: Die Öko-Bilanz von Elektrofahrzeugen wird nicht allein davon bestimmt, dass es beim Betrieb keine Abgase mehr gibt. Schon die Produktion einer gewöhnlichen Batterie für ein durchschnittlich leistungsfähiges E-Auto benötigt so viel Energie wie Autos mit Verbrennungsmotor bei einer Fahrleistung von mehr als 50 000 Kilometern an Sprit erzielen. Dass Millionen von Elektroautos darüber hinaus umweltverträglich mit Strom versorgt werden könnten, ist bisher eine haltlose
Behauptung. Vielmehr muss man davon ausgehen, dass der größte Teil der erzeugten Energie aus Kohle-, Gas- oder Atomkraftwerken stammt, nämlich über 70 Prozent. Völlig unbeantwortet bleiben auch Fragen nach der Entsorgung von Millionen alter giftiger Batterien. Im Vergleich dazu schneidet ein moderner Dieselmotor bei der Öko-Bilanz deutlich günstiger ab.
Punkt 2: Besonders die Abhängigkeit von Kobalt birgt große Risiken für die Autoindustrie,
denn mehr als 60 Prozent der weltweit benötigten Mengen kommen aus dem Kongo, einem der korruptesten und instabilsten Länder der Welt. Innerhalb von weniger als zwei Jahren hat sich der Preis für Kobalt annähernd verdreifacht. Und
ein Ende der Preisrallye ist nicht abzusehen. Sollte der Bedarf durch eine stärkere Förderung der E-Mobilität weiter steigen, sind unabhängig von der Preisentwicklung schon jetzt Lieferengpässe die Folge.
Bei den seltenen Erden hält vor allem Hauptproduzent China den Daumen drauf, wenn es um Exporte in die bei der E-Mobilität konkurrierenden Länder wie vor allem Deutschland geht. Auch da dreht sich die Preisspirale, was im Ergebnis dazu führen muss, dass Elektrofahrzeuge auf längere Sicht überdurchschnittlich teuer bleiben werden und für weite Teile der Bevölkerung gar nicht bezahlbar sind.
Punkt 3: Es ist geplant, bis zum Jahr 2020 ein flächendeckendes Netz von Schnellladestationen in Europa zu schaffen. Die Autohersteller Daimler, BMW und Volkswa- gen haben dafür das Unternehmen Ionity gegründet, das diese Pläne umsetzen soll. Mehr als 400 Ultraschnellladestationen sollen gebaut werden, etwa alle 120 Kilometer soll es an Autobahnen Ladepunkte geben, an denen man innerhalb einer Stunde die Batterie für weitere rund 220 Kilometer aufladen kann. Die Städte bleiben davon ausgenommen.
Dort ist die Lage noch einigermaßen unübersichtlich. Von dem Energieerzeuger EWE gab es auf Anfrage dieser Zeitung eher indifferente Aussagen zur Entwicklung der EMobilität in der Nordwest– Region. Infrastrukturelle Maßnahmen orientierten sich am Mobilitätsverhalten der Kunden, heißt es lapidar. Rainer Raddau, bei der EWE verantwortlich für das Geschäftsfeld Mobilität, äußerte die Erwartung: „ Das Laden zu Hause mit bis zu 22 Kilowatt sowie das Nachladen am Arbeitsplatz wird perspektivisch einen Anteil von über 80 Prozent der Ladevorgänge ausmachen und damit außerhalb der Spitzenlastzeiten liegen.“Zukunftsfähige Mobilität unterstelle nicht, dass Verbrenner eins zu eins durch Elektrofahrzeuge ersetzt werden. Wie und wo wie viele Autofahrer konkret ihre Fahrzeuge mit Strom betanken können, bleibt offen. Eher allgemein heißt es, man achte darauf, dass der Kunde die Ladezeit durch entsprechende Angebote wie z. B. in Cafés oder Restaurants sinnvoll verbringen könne. Was zum Beispiel mit den unzähligen „Laternenparkern“geschieht, die zu Hause für ihr Auto gar keinen Zugang zum Stromnetz haben, bleibt dagegen unbeantwortet.