Schulz in der Zwickmühle
Streit um Kabinettsposten neben Seehofer und Merkel
Entweder bricht SPDChef Martin Schulz wieder sein Wort und verärgert seine Partei. Oder er verzichtet auf ein Ministeramt < und damit auf Einfluss in der neuen Regierung.
BERLIN < Am Tag nach der Bundestagswahl hatte er es noch kategorisch ausgeschlossen. „Ganz klar! In eine Regierung von Angela Merkel werde ich nicht eintreten“, versicherte SPD-Chef Martin Schulz, dass er nicht Minister werden wolle. Jetzt, da die Zeichen auf Große Koalition stehen, liebäugelt er offenbar doch mit einem Posten in einem schwarz-roten Kabinett. Schulz wolle gerne das Amt des Außenministers übernehmen und als Vizekanzler die SPD-Ministerien koordinieren, heißt es.
Und prompt bekommt Schulz mächtig Gegenwind. Parteifreunde fordern, er solle auf ein Ministeramt verzichten. „Eine 180-Grad-Wende in dieser Frage würde die Glaubwürdigkeit von Martin Schulz erschüttern“, erklärt der designierte thüringische SPDChef und frühere Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee. Und auch BadenWürttembergs Vize-SPD-Chef Frederick Brütting warnt Schulz davor, ein Regierungsamt zu übernehmen.
Bereits vor dem Sonderparteitag der SPD hatten Parteifreunde gedrängt, Schulz möge seinen Verzicht auf einen Ministerposten erklären. Eingebunden in die schwarz-rote Kabinettsdisziplin könnte der Parteichef nicht das Profil der Sozialdemokraten schärfen und die geforderte Erneuerung voranbringen.
Schulz in der Zwickmühle – denn verzichtet er auf ein Ministeramt, den einflussreichen Posten am Kabinettstisch, wäre seine Position weiter geschwächt. Zwischen einem SPD-Außenminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel und SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles würde Schulz im Abseits landen. Schon ist von „Schulz-Dämmerung“die Rede.
Mit knapper Mehrheit hatten die SPD-Delegierten beim Sonderparteitag am Sonntag den Weg für Koalitionsverhandlungen mit der Union freigemacht. Am Dienstag nun ein neuer Umfrageschock für die Partei – die SPD liegt bei Meinungsumfragen plötzlich nur noch bei 17 Prozent und damit nur vier Prozent vor der AfD.
Unterdessen droht dem Parteichef ein neues Problem: Eine regelrechte Eintrittswelle in die Partei beunruhigt die Führung. Der Aufruf von JusoChef Kevin Kühnert, Gegner der Großen Koalition sollten SPD-Mitglied werden, um so bei der Mitgliederbefragung abstimmen und entscheiden zu können, zeigt bereits erste Wirkung. Seit dem Ja zu Koalitionsverhandlungen seien 1600 neue SPD-Mitglieder aufgenommen worden. Unter dem Motto „Tritt ein, sag’ Nein“ruft der SPD-Nachwuchs dazu auf, in die Partei einzutreten, um beim Mitgliederentscheid gegen die Große Koalition stimmen zu können. Die rund 440 000 SPD-Mitglieder sollen am Ende über die Regierungsbeteiligung der SPD entscheiden.
In der Union wächst der Unmut darüber, dass sich die Sozialdemokraten mit den Verhandlungen Zeit lassen, sich erst am Donnerstag in einer Klausurtagung auf die Gespräche mit CDU und CSU vorbereiten wollen, die schließlich am Freitag beginnen sollen. Die SPD verlangt Nachbesserungen der Sondierungsergebnisse und hat Bedingungen für eine Koalition gestellt: Einstieg in die Bürgerversicherung und das „Ende einer Zwei-Klassen-Medizin“, großzügigere Härtefallregelungen beim Familiennachzug von Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus und das Ende von sachgrundloser Befristung von Beschäftigungsverhältnissen – so der Forderungskatalog der Genossen.
Spätestens bis Karneval, Mitte Februar, sollen die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen werden. Dann haben die Mitglieder der SPD das Wort und die Delegierten der geplanten Sonderparteitage von CDU und CSU.