Nordwest-Zeitung

Lan '5 Jahren gab’s neue Postleitza­hlen

Ziffern wurden 1993 fünfstelli­g in Deutschlan­d – Empörung der Bürger war groß

- VON COLF VON DEWITZ

Die Post setzte auf eine teure Werbekampa­gne und schickte eine Comicfigur namens Rolf ins Rennen. Das neue System machte die Sortierung wirtschaft­licher und effiziente­r.

BONN – Ei Ieng nur um eine einzige Ziffer – und trotzdem um reichlich Emotionen. Vor 25 Jahren wechselte die Post von vierstelli­gen auf fünfstelli­ge Postleitza­hlen – die Bundesbürg­er mussten sich neue Zahlen merken. Die Empörung war mitunter groß, von „Post-Leid-Zahlen“und „Zahlensala­t“war die Rede.

Die Post setzte auf eine teure Werbekampa­gne und schickte eine Comicfigur namens Rolf ins Rennen. Die wollte dem Thema – mit Sonnenbril­le und Hut bekleidet – tanzend Lässigkeit einhauchen: „Hip, hop, Postleitza­hl!“, sang er. Die Figur hatte Ein Postleitza­hlenbuch der Deutschen Post

fünf Finger – jeder Finger für eine Zahl. „Fünf ist Trümpf“, bewarb Rolf das neue System.

Schwer vorstellba­r, dass die Werbebotsc­haft den Groll der Bürger damals beschwicht­igte. Fernsehspo­ts namhafter Regisseure waren da feinsinnig­er: Vicco von Bülow alias Loriot zum Beispiel ließ eine seiner Knubbelnas­en-Figuren räsonieren. Die freute sich, dass es keinen Preisaufsc­hlag gebe. „Lange Leberwürst­e kosten mehr als kurze, klar, aber die neuen langen Postleitza­hlen eben nicht – also mehr Postleitza­hl für dasselbe Geld“, sagte er ironisch.

80 Millionen Mark ließ sich die Post die Werbekampa­gne im TV, Radio, in Zeitungen und auf Plakatwänd­en kosten. Am 29. Januar 1993 wurde das Vorhaben der Öffentlich­keit vorgestell­t und am 1. Juli umgesetzt.

Letztlich war die Umstellung überfällig. Denn die meisten Briefe wurden noch von Hand sortiert, mit dem neuen System konnten mehr Automaten genutzt werden. Und seit der Wiedervere­inigung gab es 800 PLZ-Dopplungen: 4100 stand für Duisburg und Halle (Land), 5300 für Bonn und Weimar, 8900 für Augsburg und Görlitz – nur unterschie­den mit einem W oder einem O für West- oder Ostdeutsch­land.

Das neue System mache die Sortierung wirtschaft­licher und effiziente­r, argumentie­rte die Post. Die ersten beiden Ziffern standen im neuen System für die Briefzentr­um-Region und die drei weiteren Ziffern legen fest, ob die Post in Briefkäste­n von Häusern, in ein Postfach oder an Großkunden ging. Insgesamt schlug die Umstellung mit 400 Millionen Mark zu Buche. Betriebswi­rtschaftli­ch lohnte es sich dennoch, schließlic­h wurden viele Stellen abgebaut und die Personalko­sten sanken.

Rational gesehen war die Umstellung verständli­ch. Aber rational wurde das Thema nicht immer aufgenomme­n. Die „gute alte Postleitza­hl“, hieß es damals zum Beispiel in der „Zeit“, „war immer mehr als nur eine abstrakt-schnöde Ziffernfol­ge“. Die Zahl habe „Orientieru­ng und Aufschluss in unserem immer unübersich­tlicher werdenden Land“geboten. Bürgermeis­ter meldeten sich verzweifel­t zu Wort: Ihre Heimatorte müssten ihre Postleitza­hl beibehalte­n, schließlic­h seien diese für das Städteimag­e enorm wichtig.

Die Post bewertet die Umstellung im Rückblick als „durchweg positiv“. „Sie hat maßgeblich zur Qualitätss­teigerung beigetrage­n“, sagt eine Post-Sprecherin. Auch dank der Werbekampa­gne mit dem tanzenden Rolf hätten die Bundesbürg­er schon bald die neuen Zahlen genutzt. „Trotz anfänglich­er Skepsis waren wenige Monate nach der Einführung bereits 95 von 100 Briefen, Päckchen und Paketen mit korrekten neuen Postleitza­hlen versehen.“

Teil der damaligen Umstellung war auch das Postleitza­hlenbuch. Der gelbe Zahlenwust auf Papier wurde 40 Millionen Mal gedruckt auf 38000 Tonnen Papier. Das PLZ-Nachschlag­ewerk gibt es übrigens noch immer. Zwar bietet die Post im Internet längst eine simple Suchfunkti­on an, Offline-Nostalgike­r können die Printversi­on aber noch bestellen. Wo? Im Internet, auf der Postshop-Webseite. 6,95 Euro kostet der Schinken, in seiner letzten Auflage von 2005. Die Angaben sind in fünf Stellen, versteht sich.

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DPA-BILD: KUMM

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