Streikende Profis entfachen Wertedebatte
Trainer fordern Solidarität im Kampf gegen Fehlverhalten wechselwilliger Fußball-Stars
4JA SJ8–a8Jon sei „nicht mehr kontrollierbar“, meint Matthias Sammer. Auch Jupp Heynckes hat Bedenken, Niko Kovac spricht gar von Anarchie.
DÜSSELDORF – Kurz vor dem Schlussverkauf auf dem Transfermarkt beschäftigt den deutschen Fußball eine Debatte um einen Werteverfall unter den hoch bezahlten Profis. Branchengrößen wie Jupp Heynckes, Niko Kovac und Matthias Sammer machen sich auch mit Blick auf das Theater um Borussia Dortmunds Top-Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang für eine Charakterprüfung und Moralklauseln in Verträgen stark. „Das ist aktuell überhaupt nicht mehr kontrollierbar. Wir haben eine Situation, die die Vereine überrennt“, sagte der frühere Bayern-Sportchef Sammer in einem Eurosport-Interview.
Auch Bayern-Coach Heynckes sieht bedenkliche Tendenzen. „Das hat es immer gegeben, aber im Moment ist die Dimension eine ganz andere“, sagte der Münchner Coach mit Blick auf das Verhalten von Spielern wie Ousmane Dembélé, der sich im Sommer 2017 vom BVB zum FC Barcelona streikte, Auba-
und den Transferwirbel um den abwanderungswilligen Hamburger Walace.
Auch der frühere Kölner Anthony Modeste und der ExLiverpooler Philippe Coutinho hatten mit Fehlverhalten ihre lukrativen Wechsel forciert. „Ich finde, die aufnehmenden Vereine sollten darüber nachdenken, ob sie solche Spieler verpflichten. Ich wür-
de das ablehnen“, sagte Heynckes und erhielt Unterstützung vom Frankfurter Trainer-Kollegen Kovac. „So etwas kann man nicht gutheißen. Wo endet das denn? In Anarchie!“
Doch werden Clubs in Zukunft tatsächlich darauf achten, wie sich ein Superstürmer mit Torgarantie abseits des Platzes verhält – oder mit welmeyang chen Mitteln er den Transfer erzwingt? Der frühere Bundestrainer Berti Vogts sieht dafür Argumente: „So schäbig, wie das ganze TransferTheater abläuft, hätte ich meine Zweifel, ob Aubameyang alles gibt, wenn es hart auf hart kommt“, sagte Vogts.
Diese Position vertritt auch Sammer. „Dieser sogenannte ,faule Apfel’, der bei einem Verein faul war, aber sich bei seinem Verein plötzlich in voller Blüte und Schönheit präsentiert – das ist eine Mär“, ließ Sammer wissen.
Wie Heynckes ruft er die Fußball-Branche zur Solidarität im Kampf gegen streikende Profis auf. An einem tatsächlichen „Gentlemen’s Agreement“zweifelt er aber. „Die letzte Konsequenz ist der Teufel“, sagt Sammer, „und das ist das Geld.“Wenn das große Geld für Spieler und Berater lockt, ist meist das erste Opfer die Moral. Die deutlich gestiegenen Einnahmen, vor allem bei den TV-Rechten, würden sich als „kontraproduktiv zur Moral des Arbeitgebers“erweisen, sagte Sammer: „Das ist ungesund.“
Die Vereine scheinen am kürzeren Hebel zu sitzen, Langzeitverträge hin oder her. Sie machen sich erpressbar – und das nutzen vor allem Spielerberater gnadenlos aus.
Es sei jedoch „ungerecht, den Spielern einseitig den Schwarzen Peter zuzuschieben“, sagt Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der Spielergewerkschaft VDV, „denn ihr Verhalten wird stark beeinflusst von den wirtschaftlichen Eigeninteressen von Vermittlern, Managern und Clubs.“Die geringe Zahl der streikenden Profis stehe „in keinem Verhältnis zu den arbeitsrechtlichen Verfehlungen, die die Clubs in der Vergangenheit begangen haben“.