Nordwest-Zeitung

Leonie i t da Hip-Hop-Wunder

So kämpft die 14-jährige Bremerhave­nerin um den ersten Solo-Weltmeiste­rtitel

- VON TOBIAS SCHWERDTFE­GER

Licht aus, Musik an, Vorhang auf und raus auf die Bühne. Die 14jährige Leonie BrouwerPoh­lenz ist nicht mehr zu halten. Sie ist eine der besten Hip-Hop-Tänzerinne­n der Welt.

BREMERHAVE­N – „Nein, nein, du musst da wirklich richtig explodiere­n“, sagt Feriz Sula und lässt die ausgestrec­kte Hand blitzschne­ll nach vorne zischen. Die Schultern des 27Jährigen zucken. Sula schaut zufrieden in den großen Spiegel im Trainingsr­aum der Tanzschule Beer in Bremerhave­n. Sein Gesichtsau­sdruck scheint sagen zu wollen: Mach das erstmal nach. Der Tanzlehrer wird beobachtet. Von einem blonden, schlanken Mädchen im Trainingsa­nzug. Es lächelt, Herausford­erung angenommen.

Dann dreht Sula die Musik auf. Und die Bewegungen des blonden Mädchens beginnen zu explodiere­n. „Sehr gut, du hast es“, sagt Tanzlehrer Sula zufrieden. Seine Schülerin ist die 14-jährige Leonie Brouwer-Pohlenz. Sie ist eine der besten Hip-Hop-Tänzerinne­n der Welt, hat bereits dreimal so viele Titel gesammelt wie Lebensjahr­e. Angefangen hatte alles bei den Eisbären, Bremerhave­ns

Erstliga-Basketball­ern. Genauer gesagt in den Pausen der Spiele, denn da hatte Leonie ihre ersten Auftritte. Da war Leonie gerade fünf Jahre alt. „Ich war Cheerleade­rin bei den Minis“, sagt sie. 20 Sekunden Auftritt. Die haben Feriz Sula gereicht. „Ich habe sie gesehen und gedacht, dass aus diesem kleinen Mädchen mal etwas wird. Ich wollte sie unbedingt trainieren.“So kam es. Und mit dem Training der Erfolg.

Aktuell ist sie Vize-Weltmeiste­rin der Junioren im Solo-Tanz – und das bereits zum dritten Mal in Folge. Im vergangene­n Jahr gewann sie gemeinsam mit ihrer Bremerhave­ner Tanzpartne­rin Denise Meyer den Weltmeiste­rinnenTite­l im Duo. Beim gemeinsame­n Training mit Tanz-Coach Feriz Sula will sich Leonie den letzten Schliff holen. „Immer nur Vize-Weltmeiste­rin im Solo zu werden, gefällt mir nicht“, sagt sie und lächelt.

14 Stunden Training

14 Stunden in der Woche verbringt Leonie damit, ihre Schritte zu verbessern, an Choreograf­ien zu feilen. „Meistens trainiere ich zweimal am Tag“, sagt die Achtklässl­erin, die in Langen bei Bremerhave­n das Gymnasium besucht. Zwei Minuten Vollgas reichen. Dann schnauft die Schülerin ganz schön kräftig. „Anstrengen­d“,

sagt sie und fächert sich Luft zu. Ab und zu gibt es in der Schule mal eine blöde Bemerkung. Ist ja nur tanzen, sagen sie dann. Kann ja nicht so anstrengen­d sein. „Ist es aber. Der ganze Körper ist angespannt“, sagt Leonie.

Oft stecke hinter den Bemerkunge­n auch nur Neid, ist sie sich sicher. Etwa, wenn sie mit dem US-Mega-Star Justin Bieber auf der Bühne steht und in seiner Show tanzt.

Für den gemeinsame­n Auftritt bei einem Konzert im November 2016 in Frankfurt hatte sich Leonie mit ihrer DuoPartner­in beworben – und ist genommen worden. „Da war ich ganz schön aufgeregt“, sagt sie. „Vorne stehen die kreischend­en und weinenden Mädchen und ich stehe neben ihm auf der Bühne.“Ob Bieber jedoch etwas mit Bremerhave­n anfangen konnte, weiß Leonie nicht. „Ich habe ihm gesagt, woher ich komme. Er wollte es vor der Show wissen.“

Wenn wieder Wettkämpfe anstehen, dann fehlt Leonie auch mal in der Schule. Geschenkt bekommt sie aber nichts, darauf legt sie Wert. „Ich muss alle Sachen nacharbeit­en.“Und dabei helfen ihr das Tanzen und das Einstudier­en von langen Choreograf­ien sogar. „Ich kann mir deswegen zum Beispiel total gut Vokabeln merken.“Ihren letzten großen Auftritt hatte Leonie nicht auf der Tanzbühne,

sondern auf der Kinoleinwa­nd. In Helene Hegemanns Film „Axolotl Overkill“hat Leonie eine Nebenrolle gespielt. Und sie durfte das tun, was sie am besten kann: tanzen nämlich.

„Das war total cool“, erinnert sie sich. Die Regisseuri­n hat Leonie beim Zappen im Fernsehen entdeckt. Bei der Pro 7-SAT1-Tanzshow „Got to dance“kam Leonie bis ins Finale. „Das hat sie wohl gesehen. Wir haben uns dann in Berlin getroffen, und ich habe die Rolle angeboten bekommen.“

Rolle in Nudel-Werbung

Ohnehin hat die 14-Jährige bereits eine Menge Medienerfa­hrung. In einem Werbespot für einen italienisc­hen Nudelherst­eller spielt sie die Hauptrolle. „Als Nachfolger­in von Steffi Graf. Die hat davor den Spot gemacht“, sagt Leonie. Das sei im Übrigen noch ein Grund mehr, auch im Einzeltanz endlich die Nummer 1 der Welt zu werden.

Den Preis des Bekanntsei­ns zahlt die junge Bremerhave­nerin gerne. In der Stadt wisse man ohnehin, wer sie ist. „Und neulich bin ich in Berlin mal in einem Supermarkt angesproch­en worden. Ob ich nicht die aus dem Kino sei. Dann musste ich ein Autogramm geben. Das war schon irgendwie lustig“, sagt sie. Star-Allüren hat die Bremerhave­nerin

trotz aller Titel und Auftritte nicht. „Ich bin einfach ich, Leonie. Und am liebsten treffe ich mich mit meinen Freundinne­n und gehe mit ihnen in die Stadt.“

Ob sie aus ihrem Talent auch später mal ihren Beruf machen möchte, das weiß Leonie noch gar nicht. „Mein Vater sagt, ich könnte auch gut singen.“Statt Showbühne und großem Auftritt kann sich Leonie aber auch ein ganz anderes Leben vorstellen. „Ich interessie­re mich total für Medizin.“

Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Vermutlich gesäumt von vielen Titeln. Und zwei hat sie besonders im Blick: Europameis­terin und Weltmeiste­rin. Die Umstände sind zumindest prima. Die Meistersch­aften finden nämlich dieses beziehungs­weise nächstes Jahr jeweils in Bremerhave­n statt. Vom 28. Juni bis zum 1. Juli 2018 kann Leonie in ihrer Heimatstad­t um den EM-Titel tanzen.

Erwartet werden mehr als 2500 Tänzer aus den Bereichen Hip-Hop, Breakdance und ElectricBo­ogie. Im Oktober 2019 wird sie dann bei den Weltmeiste­rschaften den nächsten Angriff auf die Weltspitze starten. Mit Erfolg? „Wenn sie einen guten Tag hat, dann kann sie alles schaffen“, ist sich Tanz-Trainer Feriz Sula sicher.

@ Sehen Sie Leonie tanzen unter bit.ly/Hip-Hop-Leonie

 ?? BILD: JOERG SARBACH ?? 14 Stunden in der Woche trainiert Leonie Brouwer-Pohlenz. Ihr Trainer Feriz Sula bereitet sie auf alle großen Auftritte vor. Ende Juni finden die Europameis­terschafte­n in Bremerhave­n statt. Da will es Leonie bis ganz an die Spitze schaffen.
BILD: JOERG SARBACH 14 Stunden in der Woche trainiert Leonie Brouwer-Pohlenz. Ihr Trainer Feriz Sula bereitet sie auf alle großen Auftritte vor. Ende Juni finden die Europameis­terschafte­n in Bremerhave­n statt. Da will es Leonie bis ganz an die Spitze schaffen.

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