LAusgiebige Fundgrube für Bettler“
Kinderkrankenhaus wird mit Unterstützung der Bürger auf den Weg gebracht
Was sprach gegen eine Bahnstrecke Hude-Brake? Und wie wurde der Deutsch-Französische Krieg aufgenommen? Antworten liefert die Geschichte der Stadt!
OLDENBURG – Nichts ist so spannend wie die Geschichte einer Stadt. Und gleichermaßen so amüsant. Wer durch die jahrhundertealten und längst vergilbten Gemeindeblätter der Stadt Oldenburg stöbert, entdeckt dort zwischen den Zeilen Ereignisse und Beschlüsse, die sich bis in heutige Zeiten ausgewirkt haben. In unserer Serie, die in loser Folge veröffentlicht wird, stellen wir die besondersten oder auch nachhaltigsten Einträge eines ganzen Jahres vor. Heute: das Jahr 1870.
AUSBAU E@SENBAHNNE<Z
Es sei von Bedeutung, dass die Stadt Oldenburg „ihre Interessen vertrete und so viel wie möglich dahin wirke, daß die Bahn nicht von Brake nach Hude, sondern von Brake direkt nach Oldenburg gebaut werde (...)“Die Petition: „Die von Großherzogl. Staatsregierung an den Landtag gelangte Vorlage, betreffend den weitern Ausbau des Eisenbahnnetzes im Herzogthum Oldenburg kann im allgemeinen im ganzen Herzogthum nur freudig begrüßt werden. Versprechen die noch zu erbauenden Bahnen auch zunächst nicht direct Einnahmequellen des Staats zu werden und würden selbst Zuschüsse zur Verzinsung der Anlagekosten aus Landesmitteln erforderlich sein, so werden sie doch eine erhebliche Belebung des Verkehrs und eine so bedeutende Hebung des Volkswohlstandes herbeiführen, daß etwa erforderliche Opfer unbedenklich gebracht werden können. Wenn demnach der weitere Ausbau des Oldenburgischen Eisenbahnnetzes an sich nur die lebhafteste Zustimmung finden kann, so treten dabei andererseits gegen die von der Großh. Staatsregierung projectirte Richtung der Weserbahn die lebhaftesten Bedenken auf und namentlich ist es die Stadt Oldenburg, welche diesem Bedenken Ausdruck zu geben sich verpflichtet fühlt. (...) Wie unten weiter ausgeführt werden wird, ist man aus Concurrenzrücksichten gegen die Bremer Geestebahn und der Schiffahrt wegen genöthigt, die Tarifsätze für Güter zwischen den Weserhäfen und Bremen so niedrig zu stellen, daß der Handelsverkehr mit Oldenburg dadurch vollständig abgeschnitten werden wird, wenn man Oldenburg nicht dieselben Begünstigungen ge-
währen will, was nach Lage der Sache unausführbar erscheint. (...) Nach allen vorstehend angeführten Umständen stellt sich evident heraus, daß eine Bahn Hude-Brake der Gesammtheit weniger nützen wird, als eine Bahn Oldenburg-Brake und daß erstere in finanzieller Hinsicht weniger vortheilhaft sein wird als letztere, so wie daß die erstere von der Stadt Oldenburg bedeutende Zuflußquellen ablenken und sie einem fremden Platze, der nicht die geringsten Opfer dafür bringt, zuführen wird. Magistrat und Stadtrath der Stadt Oldenburg stellen deshalb den Antrag: das Großherzogliche Staatsministerium und der Landtag wollen beschließen, daß die Eisenbahn von Brake in südlicher Richtung nicht von Elsfleth nach Hude sondern von Elsfleth nach Oldenburg geführt werde.“
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„In letzter Zeit sind vielfache Klagen des hiesigen Publikums über Belästigungen seitens, namentlich fremder, Bettler laut geworden. Wie wir in Erfahrung gebracht, hat der Magistrat kürzlich eine Vermehrung der polizeilichen Kräfte, wie eine solche unter den gegenwärtigen Verhältnissen thunlich erscheint, beschlossen, um diesen Belästigungen wirksamer entgegentreten zu können. Unserer Ueberzeugung nach werden aber seine Maßregeln nur dann dauernd von Erfolg sein, wenn das Publikum die Bestrebungen der Polizeibehörde unterstützend und selbstthätig eingreifend auf die Beseitigung des fraglichen Uebelstandes mit hinzuwirken sucht. In dieser Beziehung kann vor allen Dingen nicht dringend genug empfohlen werden, daß man in Zukunft den bettelnden Individuen keine Gaben mehr zukommen lassen möge. Dieser Rath darf um so eher ertheilt werden, als durch dessen Befolgung nur einer Art der Mildthätigkeit Abbruch gethan werden wird, welche in den meisten Fällen ihrer Ausübung keineswegs der guten Absicht des Gebers entspricht, sondern vielmehr eine der letzteren geradezu wiedersprechende Wirkung hat. Was nämlich zunächst die fremden Bettler anbelangt, so lehrt die Erfahrung, daß nur der geringere Bruchtheil derselben von solchen Reisenden gebildet wird, welche durch ein Mißgeschick irgend welcher Art in augenblickliche Noth geraten sind, daß dagegen die größere Anzahl theils aus nichtsnutzigen Vagabonden besteht, welche die Bettelei als Profession betreiben, theils aus wandernden Handwerksgesellen, welche, ohne einer Unterstützung benöthigt zu sein, die leider unter ihnen immer noch vorhandene üble Sitte des sogenannten Fechtens mitzumachen sich nicht scheuen, um sich die Annehmlichkeit eines größeren Zehrpfennige zu verschaffen. Eine Mildthätigkeit gegen die ersteren Individuen gerichtet, ist in Wirklichkeit Vorschubleistung ihres schlechten Lebenswandels, und, den zuletzt bezeichneten Personen zugewandt, Verschwendung. (...) Wenn aber das Publikum dieser in den meisten Fällen entweder schädlich wirkenden oder doch überflüssigen Mildthätigkeit entsagt, so wird die hiesige Stadt bald genug nach dem Verluste ihres gegenwärtigen Rufes, eine besonders ausgiebige Fundgrube für Bettler zu sein, der größeren Anzahl der letzteren keinen Reiz mehr bieten, die Erlangung von Gaben in ihr auch nur zu versuchen. (...) Eine eigenthümliche Kategorie der
die hiesige Stadt belästigenden Bettler, welche von der Polizei am schwersten zu fassen sind, wird einmal durch die namentlich aus Ostfriesland herziehenden Besenbinder, dann durch die besonders aus der Hatter Gegend kommenden Matten-Händler und endlich durch die den sogenannten Bicksand feilbietenden Kinder hiesiger Armen gebildet. Diese Personen ziehen, wie die Erfahrung lehrt, von Haus zu Haus und lassen mit ihren Bitten, ihnen von ihrer Waare Etwas abzunehmen, nicht eher nach, bis ihnen die Hausbewohner, um sich ihrer nur zu entledigen, eine Geldspende gegeben haben, ohne von der offerierten Waare Gebrauch zu machen.“
KR@EG
„Mit beispiellosem Frevel hat der gewissenlose Herrscher Frankreichs unser Vaterland aus tiefem Frieden plötzlich in das wilde Kriegsgetümmel hineingerissen. Unsere tapferen und pflichtgetreuen Krieger sind zu den Fahnen geeilt und gehen muthig dem Feinde entgegen, um das theure Vaterland gegen welschen Uebermuth und freche Begehrlichkeit zu vertheidigen. Schwer werden die Kämpfe, groß die Opfer sein. Für uns, die Zurückbleibenden, ist es Aufgabe, den Ausrückenden die Sicherheit mit in den Kampf zu geben, daß für sie und ihre Angehörigen nach besten Kräften gesorgt werden soll. Die Vereine für die Pflege der im Kriege Verwundeten und Erkrankten sind in Thätigkeit getreten und das Gesetz sorgt dafür, daß den bedürftigen Familien der zum Kriegsdienst einberufenen Mannschaften eine Unterstützung zu Theil wird. (...) Da es an Gelegenheit fehlt, die hier detinirten französischen Kriegsgefangenen in ausreichender Weise zu Staatsarbeiten zu verwenden und daher eine Beschäftigung derselben durch Gemeinden oder Privatpersonen sich als dringend wünschenswerth herausgestellt hat, so sind seitens des Großherzoglichen Staatsministeriums (...) die (...) ,Grundsätze für das Verfahren bei Beschäftigung von Kriegsgefangenen außerhalb der Kriegsgefangenen-Depots durch Kreis- resp. GemeindeVerbände und Privatpersonen resp. Gesellschaften’ mit der Aufforderungen veröffentlicht, daß Arbeitsgeber, welche geneigt seien, Gefangene unter diesen Bedingungen zu verwenden, ihre Anträge stellen möchten.“
K@NDERKRANKENHAUS
„Der erst in diesen Tagen in hiesiger Stadt verbreitete Aufruf zur Betheiligung an der Gründung eines Kinderkrankenhauses scheint auf guten Boden gefallen zu sein. Schon jetzt sind dem Comité nicht unbedeutende jährliche Beiträge (...) zugesichert und verschiedene außerordentliche Zuwendungen (...) in Aussicht gestellt. Auch hier darf nochmals darauf aufmerksam gemacht werden, daß eine möglichst allgemeine durch alle Schichten der Bevölkerung gehende Betheiligung an dem Verein der Freunde des Kinderkrankenhauses nur erwünscht, und demzufolge jeder, auch der kleinste jährliche Beitrag willkommen ist.“