Nordwest-Zeitung

Lünen trauert um getöteten Schüler

Haftbefehl wegen Mordes gegen 15-Jährigen – Täter galt als aggressiv und „unbeschulb­ar“

- VON WOLFGANG DAHLMANN

Nach der tödlichen Attacke wird über die Waffengewa­lt unter Minderjähr­igen diskutiert. Der Lehrerverb­and fordert Unterstütz­ung für den Ka9:f gegen Gewalt .

LÜNEN – Nach der Bluttat an einem 14-jährigen Schüler in Lünen ist gegen den tatverdäch­tigen Mitschüler Haftbefehl wegen Mordes erlassen worden. Der geständige Jugendlich­e sitzt in Untersuchu­ngshaft, wie Polizei und Staatsanwa­ltschaft am Mittwoch in Dortmund bekanntgab­en. In Lünen herrschte unterdesse­n Trauer. In der Schule und im Rathaus wurde am Mittag eine Schweigemi­nute abgehalten, unzählige Kerzen und Blumen wurden am Zaun der Schule aufgestell­t.

Der 15-Jährige soll sein Opfer mit einem Messerstic­h in den Hals getötet haben. Der Jugendlich­e war mit seiner Mutter zu einem Gespräch mit einer Sozialarbe­iterin in die Schule gekommen. Der Junge mit deutschem Pass und kasachisch­en Wurzeln galt als aggressiv und „unbeschulb­ar“, er war zwischenze­itlich an einer anderen Schule untergebra­cht.

Weil der Mitschüler angeblich mehrfach provoziere­nd zu seiner Mutter schaute, habe er zugestoche­n, sagte er aus. Zuvor habe es Streit gegeben. Die Mutter des Tatverdäch­tigen musste die Tat mit ansehen.

Nach der tödlichen Attacke wird auch wieder allgemein über die Waffengewa­lt unter Minderjähr­igen diskutiert. Die Gewerkscha­ft der Polizei

in NRW fordert eine spezielle Statistik. Gerade 15- bis 25 Jahre alte Männer trügen häufiger zum Selbstschu­tz ein Messer bei sich, sagte GdPLandesc­hef Arnold Plickert. Man gehe davon aus, dass „jeder ein Messer dabei hat“. Eine entspreche­nde Statistik könne Auswirkung­en auf das Training der Polizisten und ihr Verhalten bei Einsätzen haben.

Familiärer Hintergrun­d

Der Kriminolog­e Christian Pfeiffer sieht in dem Geschehen von Lünen einen Ausnahmefa­ll. Alle Statistike­n zeigten, dass Gewaltdeli­kte an Schulen und auch Tötungsdel­ikte von Jugendlich­en extrem rückläufig seien. Daran werde auch die Tat in Lünen nichts ändern, sagte Pfeiffer. „Egal

welche Statistik wir nehmen: Wir gelangen zu der Einschätzu­ng, dass Tötungsdel­ikte durch junge Menschen eine extreme Ausnahme werden.“Im aktuellen Fall werde man vermutlich sehr auf den individuel­len familiären Hintergrun­d des mutmaßlich­en Täters achten müssen. „Mit der Schule dürfte das wenig zu tun haben, eher mit dem Elternhaus“, sagte Pfeiffer.

In der Kriminalst­atistik für NRW 2016 werden insgesamt 2841 Körperverl­etzungen an Schulen aufgeführt. Laut Landeskrim­inalamt ist Gewalt an Schulen in NRW zwischen 2011 und 2016 um mehr als 30 Prozent zurückgega­ngen.

Der Deutsche Lehrerverb­and fordert dennoch eine breitere Unterstütz­ung für den Kampf gegen Gewalt an Schulen. „Schule alleine und

auf sich gestellt kann wenig bewirken“, sagte der Präsident Heinz-Peter Meidinger. Man könne mit Ordnungsma­ßnahmen arbeiten. Es sei aber klar, dass Eltern mit den Lehrern an einem Strang ziehen und die Politik den Lehrern in solchen Fällen Rückendeck­ung geben müssten.

Fachleute stehen bereit

In der Gesamtschu­le versuchten am Mittwoch Schüler und Lehrer gemeinsam, die Trauer über den gewaltsame­n Tod des Mitschüler­s zu verarbeite­n. Der Unterricht begann zur gewohnten Zeit. „Den unterricht­lichen Rahmen möchten wir als Schulgemei­nde nutzen, um gemeinsam das Erlebte und Geschehene aufzuarbei­ten“, erklärte die Schule auf ihrer in Trauerfarb­en

gehaltenen Homepage. Schüler und Lehrer hatten bereits am Abend Blumen niedergele­gt und Kerzen aufgestell­t, im Rathaus konnten Menschen aus Lünen ihre Trauer in Worte fassen. Auch NRW-Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) besuchte die Schule.

In einem an die Eltern gerichtete­n Text betont die Schulleitu­ng, dass die vertrauten Schulstruk­turen den Kindern Halt gäben. Außerdem stünden Schulpsych­ologen und Notfallsee­lsorger jederzeit für Gespräche und andere Hilfen bereit. „Die Stadt steht unter Schock“, sagte Lünens Bürgermeis­ter Jürgen KleineFrau­ns am Morgen dem Hörfunksen­der WDR2. Die Betreuung der Schüler sei ein Schwerpunk­t der Auseinande­rsetzung mit der Tat.

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DPA-BILD: KIRCHNER Ein Ehepaar trauert vor den abgelegten Kerzen und Blumen vor der Käthe-Kollwitz-Gesamtschu­le in Lünen.

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