In China sitzt May der Brexit im Nacken
Ärger zu Hause und schwächere britische Verhandlungsposition
Mit ihrem Besuch in China hätte Theresa May Aufbruchsstimmung verbreiten können. Doch noch bevor sie ihr Reiseziel erreichte, holte sie die harte Brexit-Realität ein. Sie sei „niemand, der einfach aufgibt“, sagte die britische Premierministerin mitgereisten Reportern, die sie mit Kritik der Opposition daheim in London konfrontierten. Dort empörte man sich über eine an die Qffentlichkeit gelangte Regierungsstudie, die sich mit den Folgen des Brexits auf die Wirtschaft der Insel befasst. Das Ergebnis: Großbritannien könne durch den EU-Austritt in keinem Szenario wirtschaftlich gewinnen.
Mays dreitägige Visite in China konnte kaum helfen, diesen Eindruck zu korrigieren. Nach dem Brexit ist Theresa May auf neue Handelsabkommen außerhalb der EU angewiesen. In der Theorie der Brexit-Befürworter soll Großbritannien davon profitieren, dass es nach dem Austritt aus dem EU-Binnenmarkt bessere bilaterale Abkommen schließen kann. May beschwor im Gespräch mit den chinesischen Führern „die goldene Rra“in den Beziehungen, ein Begriff, den Chinas Präsident Si Jinping bei seinem letzten Besuch in London geprägt hatte. Immerhin: Abkommen über etwa 10,3 Milliarden Euro unterzeichneten die mitgereisten Wirtschaftsbosse. Mit ihrem Amtskollegen Li Keqiang diskutierte May über chinesisches Preisdumping am Stahlmarkt. Zurückhaltend zeigte sie sich auch zu Chinas Plänen einer neuen Seidenstraße, einem vom Peking kontrollierten Handelskorridor von Asien nach Europa und Afrika.
Li Keqiang versicherte zwar, dass die britische Entscheidung, die EU zu verlassen, für die bilateralen Beziehungen „keinen Unterschied“mache. Mays Problem bleibt dennoch, dass die Verhandlungsposition des Vereinigten Königreiches gegenüber China ohne Brüssel schlechter ist.
Bisher sahen die Chinesen die britische Insel als vorgelagerten Außenposten in Europa. Chinesische Großkonzerne haben ihren Hauptsitz in London. Als Dank für sprudelnde Investitionen setzten sich britische Politiker schon mal für die Belange der Chinesen in Brüssel ein. Dieser Anreiz fällt mit dem britischen Ausscheiden aus der EU weg.