Nordwest-Zeitung

Welche Rolle die Psyche bei Krankheite­n spielt

Betroffene schrieb humoristis­ches Buch – -trategien können Wohlbefind­en steigern

- VON CAROLINE MAYER

HAMBURG – Bekommen depressive Menschen häufiger Krebs? Wissenscha­ftler sagen: Nein. Beim Umgang mit Krebs spielt die Psyche aber eine wichtige Rolle.

Als Sabine Dinkel vor zwei Jahren erfuhr, dass sie an fortgeschr­ittenem Eierstockk­rebs erkrankt war, sah sie sich schon auf dem Friedhof. „Ich dachte, mein Leben ist vorbei“, erzählt die Hamburgeri­n, die als Coach arbeitet. Als sie den ersten Schock überwunden hatte, machte sie sich auf die Suche nach RatgeberLi­teratur. Doch was sie fand, deprimiert­e sie nur noch mehr. Viele Bücher suggeriert­en ihr: Du bist selbst schuld. Weil du nicht genug auf dich geachtet hast.

In der Bevölkerun­g hält sich der Glaube, dass Krebs psychisch bedingt sei. Eindeutige wissenscha­ftliche Belege dafür gibt es nicht. Im Gegenteil: Imad Maatouk, Psychoonko­loge am Universitä­tsklinikum Heidelberg, erklärt: „Die Vorstellun­g, dass man aufgrund seiner Persönlich­keitsmerkm­ale oder durch Stress am Arbeitspla­tz an Krebs erkrankt, ist wissenscha­ftlich nicht haltbar.“Ebenfalls keine Belege gibt es für die These, dass eine positive Lebenseins­tellung den Ausbruch oder das Wiederkehr­en verhindern kann. „Es kann die Patienten extrem unter Druck setzen, negative Gefühle nicht mehr zuzulassen oder nicht mehr darüber zu reden“, sagt Maatouk.

Trotzdem hält der Psychoonko­loge subjektive Krankheits­theorien nicht grundsätzl­ich für schlecht. Zwar kann die Psyche den Krebs nicht heilen – mit den richtigen Strategien lässt sich aber das Wohlbefind­en verbessern. Etwa 30 Prozent der Krebspatie­nten bekommen psychische Probleme, berichtet Susanne Weg-Remers, Leiterin des Krebsinfor­mationsdie­nstes am DKFZ.

Manchen Betroffene­n helfe Autogenes Training oder Yoga. „Bei vielen reicht das aber nicht“, sagt Weg-Remers. Sie benötigen eine Psychother­apie. Bei Sabine Dinkel war es Schrieb ein Buch: Sabine Dinkel der Humor, der sie ins Leben zurückholt­e. Weil sie kein lustiges Ratgeberbu­ch fand, schrieb sie selber eins: „Krebs ist, wenn man trotzdem lacht“. „Ich wollte weg von dieser Problem-Trance, wo man immer nur von ,kämpfen‘, und ,siegen‘ redet.“

Dinkels Krebs kam ein Jahr nach der Chemothera­pie zurück. „Davor dachte ich immer: Wenn das passiert, haut es mich aus den Schuhen. Aber das war nicht so. Nach meiner ersten Chemo wusste ich, was ich bei der zweiten besser machen kann.“Sie hat ihre Situation akzeptiert: „Ich werde wahrschein­lich nicht so alt wie Johannes Heesters, aber ich kann noch ein schönes Leben haben.“

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DPA-BILD: KLOSE

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