Ein Akt der freiwilligen Zensur
Stefan Borchardt, Leiter der Kunsthalle Emden, über Sittenwächter und Gemälde
Borchardt (<1= ist strikt >e>en eine moralisch ?erbrämte Kunstreini>un>. Er sa>t, ein Kunstwerk muss man >etrennt ?om Künstler sehen.
FRAGE: Sitt nw c t r nt, r% n n in0wisc n Bil r 'it
ackt n a&s n &s n2 wi 1!r 3a n i' britisc n an% c st r sc n. $i n Si i s kti!n? BORCHARDT: Das eine ist die aktuelle Sexismus-Debatte, in der es um gesellschaftliche Werte geht, das andere sind die persönlichen Verfehlungen von Menschen, und man muss sehen, welchen historischen Kontext bestimmte Kunstwerke haben. Das muss in einem offenen, freiheitlichen Kontext debattiert werden. Aber eine freiwillige Zensur s – also bestimmte Bilder abzuhängen – ist bestimmt keine Lösung in einer demokratischen und offenen Gesellschaft! FRAGE: " rn wir as 4&nst% w rk 'it ' 4+nstl r2 r s sc &,2 in in an0 n * r% bin &n brac t5 BORCHARDT: Ja, seit der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft, eigentlich seit Beginn der Moderne, ist die Vorstellung der Authentizität eines Werke sehr wichtig. Das heißt: Zwischen Werk und Künstler wird eine Identität unterstellt, und dies ist dann ja auch der Kern des Problems. Wir unterscheiden nicht mehr zwischen dem Künstler und dem Kunstwerk, Realität und Fiktion. Dabei sind das ganz verschiedene Dinge. Ich kann den Künstler aller möglichen und unmöglichen Dinge bezichtigen und ihn sogar verurteilen, aber die Kunst steht – moralisch gesehen – für sich! Zu viel Nacktheit? – Die Manchester Art Gallery hat das Gemälde „Hylas und die Nymphen“(Ausschnitt) von John William Waterhouse abgehängt. Es soll zu erotisch sein.
FRAGE: Hab n Si parat? BORCHARDT: Es ist etwas anderes, ob ich einem Roman schreibe, in dem sexuelle Fantasien ausgelebt werden, oder ob ich sie dann tatsächlich real ausübe ohne Rücksicht auf andere Menschen. Auch Werke von Sympathisanten der Nazis, nehmen Sie etwa Gottfried Benn, werden doch unabhängig von ihrer persönlichen Haltung oder Verfehlung gelesen und gewürdigt – und das ist auch gut so.
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FRAGE: Entwick lt j i r i n n a st b ? BORCHARDT: Ganz sicher. Ich würde generell unterscheiden zwischen der Gegenwart und einer Vergangenheit, die ihre Vorstellungen hatte. Die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts waren ganz anders im direkten Umgang mit Körperlichkeit und Sexualität, als es heute der Fall ist. Anzüglichkeiten waren damals kaum der Erwähnung wert, heute sieht das ganz anders aus. Da hat es radikale gesellschaftliche Veränderungen
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gegeben, die andere Sensibilitäten mit sich bringen. FRAGE: n n S at i
ati!nal "all r# in $as in % t!n in Sc a& 'it ' (!t!% r alist n ) &ck )l!s nac *!rw+r, n s -& ll r B l sti% &n ab sa t. /i Ha'b&r% r / ic t!r all n s t0 n in plant &sst ll&n 1!n Br&c $ b r nac B l sti% &n s1!rw+r, n n n ! ,!t! ra, n ab. BORCHARDT: Es gibt in meinen Augen nicht nur schwarz Debatte ja, Verbote nein: Stefan Borchardt, der Leiter der Emder Kunsthalle oder weiß, in Wirklichkeit sind solche Situationen doch hochkomplex. Wir müssen Widersprüche in der Gesellschaft und in der Kunst anerkennen, und das findet zu wenig statt. In der aktuellen Debatte fehlt eine ordentliche Streitkultur, in der mit dem notwendigen Respekt unterschiedliche Auffassungen ausgehandelt werden. Es wird so getan, als gäbe es jeweils nur eine richtige Haltung in zentralen gesellschaftlichen Fragen, wie etwa der Sexualität. Ein Museum muss da gegensteuern und Plattform für freie Debatten sein. Man kann es nicht oft genug sagen: Ein Bild abzuhängen ist keine Lösung. FRAGE: $as sa n Si a0&2
ass in B rlin in " ic t 1!n E& n "!'rin r an in r (assa +b r'alt w r n s!ll2 w il s an blic s -istisc ist? BORCHARDT: Das ist ein Akt der freiwilligen Zensur, den ich nicht billigen kann. Das ist undemokratisch und nicht juristisch legitimiert. Das geschieht in einer Atmosphäre des Verdachts, der Denunziation und der Unterstellung. FRAGE: $i t i / batt w it r? BORCHARDT: Ich glaube, dass die Debatte den typischen Verlauf nehmen wird: Sie kocht erst einmal über Monate hoch – dabei gibt es Verallgemeinerungen und Grenzüberschreitungen. Am Ende der Debatte normalisiert es sich dann wieder und man kommt zu einem vernünftigen Umgang miteinander. Aber das wird noch dauern.
KOMMENTAR, SEITE 4
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