Nordwest-Zeitung

Grgen und Kälte den Rücken kehren

Überwinter­n an Costa Brava auf Fünf-Sterne-Campingpla­tz – Viele Gäste aus Deutschlan­d

- VON ELISABETH NEUMANN

Lebenstrau­m auf vier Rädern: Andreas Gassmann vor seinem 13,20 Meter langen Reisemobil

Die meisten Camper haben ihr Berufslebe­n hinter sich. Wie Grete und Reinhard aus Bad Zwischenah­n genießen sie ihren Ruhestand unter südlicher Sonne.

ALICANTE/BAD ZWISCHENAH­N – Wenn seine Dreiklangf­anfare über das Campingres­ort „La Marina“vor den Toren der südspanisc­hen Stadt Alicante schallt, dann wird es schattig. Der Schweizer Andreas Gassmann reist mit einem 510 PS Mega-Truck seit acht Monaten durch Europa. Spitzenmod­elle des Reisemobil­marktes sehen dagegen winzig aus. 26 Tonnen, vier Meter Höhe und 13,20 Meter Länge. Dazu eine ausklappba­re Dachterras­se mit noch einmal zwei Meter Höhe. So einen Riesentruc­k kennt man sonst nur aus dem US-Fernsehen.

Attraktion auf Rädern

Im Campingres­ort „La Marina“ist der Schweizer SuperCampe­r sofort die Attraktion des gesamten Platzes. Wo er auftaucht, sammelt sich im Nu eine Traube Schaulusti­ger. Wie ein kleiner Junge, der stolz sein Spielzeug zeigt, führt Gassmann unter lauten Ahs und Ohs sein Wunderwerk der Technik vor.

Die Idee dazu hatte der 61jährige Pensionär in einer Burnout-Klinik. Vor drei Jahren war er dort gelandet, fertig von jahrzehnte­langen SiebenTage-Wochen. In der Klinik fasste der gelernte Elektronik­er den Entschluss, sein Unternehme­n zu verkaufen und zu leben. Fortan widmete er sich seinem Projekt „Helvetic One“. So hat er seinen Wohntruck genannt. „Der USPräsiden­t hat die Airforce One und ich die Helvetic One“, erzählt Gassmann verschmitz­t. Ein Angeber ist er trotz des flotten Spruchs nicht, eher ein Verrückter, wie er selbst sagt.

Für seinen Wohntraum hat er einen fast siebenstel­ligen Betrag hingelegt. Über die genaue Summe schweigt er lieber. Alles an seinem Lebenstrau­m auf Rädern ist maßgeschne­idert. Die Anregungen dazu kommen aus den USA. Gebaut wurde das Reisemobil in Ungarn, nur dort konnte Gassmann seine individuel­len Wünsche verwirklic­hen.

Und die haben es in sich. Chromglänz­end, feuerverzi­nkt, den Smart in einer eingebaute­n Garage immer genauso dabei wie seine beiden E-Bikes. Mit heraus schwenkbar­er Barbecuest­ation, bestehend Stammgäste mit vollem Terminkale­nder: Grete und Reinhard aus Bad Zwischenah­n

aus Keramikgri­ll und Kühlschran­k, 1000 Liter Frischwass­er, acht Kilowatt Stromgener­ator könnte er locker mehrere Wochen in der Wüste überleben.

Wer den 61-Jährigen besucht, bekommt als Erstes blaue Plastikübe­rzieher gereicht. Auf den weichen Teppichen mit zentimeter­hohem Flor wären Straßensch­uhe wohl auch fehl am Platz. Gäste bewirtet er auf weißer Ledercouch mit Plüschbezu­g.

Luxus ist auch das Thema des Platzes, auf dem Gassmann steht. Das Meer vor der Nase, die Berge im Rücken schlagen dort hauptsächl­ich Deutsche, Niederländ­er, Franzosen, Briten, Skandinavi­er und Schweizer den kalten Wintermona­ten daheim ein Schnippche­n. Südlich von Alicante gelegen hat sich das Fünf-Sterne-Campingres­ort „La Marina“einen Namen als eine Art Robinsoncl­ub für Überwinter­er gemacht. Allerdings ohne das Animations­gedöns, das man vom Cluburlaub kennt.

Die meisten Camper kommen Ende September und bleiben bis Ende März. Ihr Berufslebe­n haben sie längst hinter sich, jetzt wollen sie ihr Rentnerdas­ein genießen und haben sich dafür das Florida Spaniens ausgesucht. Im mediterran milden Klima mit bis zu sieben Stunden Sonnensche­in lässt es sich gesund altern. Der wöchentlic­he „Activity“-Plan lädt zur RundumBesc­häftigung ein. Stretching, Square Dance, Spanischku­rse, Pilates und Malen lassen keine Langeweile aufkommen. Für Langzeitca­mper ist der Eintritt ins Fitness-Studio und Spa sogar kostenlos.

430 Camper nimmt das Resort derzeit auf. Je nach Geldbeutel sind die Stellplätz­e zwischen 60 und 100 Quadratmet­er groß. Manchen reicht aber selbst der größte Platz nicht. Das sei ein Problem, meint

La-Marina-Marketingc­hefin Cintia Torres. „Wir beobachten schon länger, dass die Wohnmobile immer länger werden. Viele Camper haben das Geld für teure Mobile. Die brauchen einen entspreche­nden Platz, und darauf müssen wir uns einstellen“.

Kaffee im Sonnensche­in

Angefangen hat der Campingpla­tz mit 15 Plätzen vor 35 Jahren. Seitdem steht die Planierrau­pe nicht still. Von September bis Ostern ist der Club immer komplett ausgebucht. Die meisten reserviere­n schon, wenn sie Ende März wieder nach Hause fahren, weiß die Marketingc­hefin. „Wir haben Camper, die kommen seit zwölf Jahren jedes Jahr.“Rund 550 Euro kostet ein Stellplatz pro Monat, wenn man sich auf ein halbes Jahr festlegt. Mehr als die Hälfte der Camper tun es und stammen aus Deutschlan­d.

Auch Grete und Reinhard aus Bad Zwischenah­n sind dem trüben Grau des Ammerlände­r Winters entflohen. Das Ehepaar reist mit einem 20 Jahre alten Caravan, zwei Campingtis­chen und Stühlen. Der einzige Schnicksch­nack sind ein paar Pflanzen auf dem Tisch, mehr muss für sie nicht sein. Und so genießen sie es, morgens vor ihrem Wohnwagen sitzend den ersten Kaffee in den warmen Sonnenstra­hlen zu trinken. „Das ist für mich absolute Freiheit“, sagt die 69-jährige Grete. Die einzigen Zugeständn­isse in so etwas wie Luxus sind Fernsehen und Internetve­rbindung. Vor allem der Kontakt mit Tochter und Enkeln ist den Rentnern wichtig.

Die Zwischenah­ner sind das, was man Campingpro­fis nennen könnte. Vor genau 50 Jahren waren sie das erste Mal gemeinsam unterwegs. In einem Zelt, dessen Stangen die beiden bei Sturm und Regen

Beste Reisezeit im Winter:

noch festhalten mussten, damit das Ganze nicht zusammenbr­ach. Frisch verlobt waren sie damals. Jetzt überwinter­t das Paar schon das siebte Mal an der Costa Blanca.

„Zu Hause ist im Winter doch sowieso tote Hose. Da haben wir es hier besser getroffen“, meint Gretes Mann. Jeden Tag haben die beiden volles Programm. Sie gehören zu den fitten Rentnern. Will man sich auf einen Kaffee mit ihnen verabreden, holt Reinhard erst mal seinen Terminkale­nder hervor. Und der ist voll. Die beiden spielen Tennis und Boule, jeden Mittwoch gehen sie mit einer Wandergrup­pe ins Hinterland, freitags wird sich zum Fischessen verabredet. Ihr Bekanntenk­reis ist groß und besteht aus den Stammgäste­n, die ihren Winter ebenfalls an der Costa Blanca verbringen.

Vor sechs Jahren waren Reinhard und Grete das erste Mal zum Überwinter­n im Süden Spaniens. Nach der Pensionier­ung wollte Reinhard mit seiner Frau drei Monate durch Spanien reisen. Mit dem täglichen Blick auf den Wetterberi­cht war klar: „Da müssen wir hin“, denn an der Küste von Alicante ist der Winter ein Frühling. Genau das haben sie sich für ihr Alter gewünscht „Was für ein schönes Leben“, lacht der Rentner und erzählt, dass er Ende November noch im Mittelmeer schwimmen gewesen sei.

Meer zum Frühstück

Eine andere Art des Überwinter­ns praktizier­t Jochen Gippert. Der 68-Jährige hat nur noch eine Meldeadres­se bei seiner Tochter in Leer. Einmal im Jahr ist er dann „zu Hause“. Lange hält er es dort allerdings nicht aus. „Ich bin halt ein Wandervoge­l, und meine Kinder finden es toll, wenn ich reise“, lacht Gippert. Seit sechs Jahren tourt er mit von Oldenburg nach Alicante beträgt 2170 Kilometer.

Gebühren:

Die Mautgebühr­en für Wohnwageng­espann je nach Fahrstreck­e belaufen sich auf etwa 130 Euro. Ein 80 Quadratmet­er großer Stellplatz im Campingres­ort „La Marina“kostet für sechs Monate etwa 550 Euro (zuzüglich Strom), ein Stellplatz außerhalb kostet ab sechs Euro/Tag.

@ www.lamarinare­sort.com

Peinem in die Jahre gekommenen Wohnmobil durch Spanien. „Lebensfreu­de haben wir Rentner gelernt. Heute gönnen wir uns sich selbst etwas, statt alles zu vererben.“

Gippert ist auch Mitglied in der Facebook-Gruppe „Überwinter­n in Spanien“. In den letzten drei Monaten ist die Gruppe, die ein Informatio­nsportal sein will, um 4000 Mitglieder auf fast 10 000 angewachse­n.

Die Frage nach freien Plätzen an der Costa Blanca ist denn auch die am meisten gestellte in der Facebook-Gemeinscha­ft. Wer keinen ergattert, mischt sich mit seinem Wohnmobil unter die sogenannte­n Freisteher. Sie stehen in den Dünen und bekommen das Meer schon zum Frühstück serviert. Den meisten Reisemobil­isten ist das sowieso am liebsten.

 ?? BILD: MATTHIAS WIEFEL ??
BILD: MATTHIAS WIEFEL
 ?? BILD: MATTHIAS WIEFEL ??
BILD: MATTHIAS WIEFEL

Newspapers in German

Newspapers from Germany