Grgen und Kälte den Rücken kehren
Überwintern an Costa Brava auf Fünf-Sterne-Campingplatz – Viele Gäste aus Deutschland
Lebenstraum auf vier Rädern: Andreas Gassmann vor seinem 13,20 Meter langen Reisemobil
Die meisten Camper haben ihr Berufsleben hinter sich. Wie Grete und Reinhard aus Bad Zwischenahn genießen sie ihren Ruhestand unter südlicher Sonne.
ALICANTE/BAD ZWISCHENAHN – Wenn seine Dreiklangfanfare über das Campingresort „La Marina“vor den Toren der südspanischen Stadt Alicante schallt, dann wird es schattig. Der Schweizer Andreas Gassmann reist mit einem 510 PS Mega-Truck seit acht Monaten durch Europa. Spitzenmodelle des Reisemobilmarktes sehen dagegen winzig aus. 26 Tonnen, vier Meter Höhe und 13,20 Meter Länge. Dazu eine ausklappbare Dachterrasse mit noch einmal zwei Meter Höhe. So einen Riesentruck kennt man sonst nur aus dem US-Fernsehen.
Attraktion auf Rädern
Im Campingresort „La Marina“ist der Schweizer SuperCamper sofort die Attraktion des gesamten Platzes. Wo er auftaucht, sammelt sich im Nu eine Traube Schaulustiger. Wie ein kleiner Junge, der stolz sein Spielzeug zeigt, führt Gassmann unter lauten Ahs und Ohs sein Wunderwerk der Technik vor.
Die Idee dazu hatte der 61jährige Pensionär in einer Burnout-Klinik. Vor drei Jahren war er dort gelandet, fertig von jahrzehntelangen SiebenTage-Wochen. In der Klinik fasste der gelernte Elektroniker den Entschluss, sein Unternehmen zu verkaufen und zu leben. Fortan widmete er sich seinem Projekt „Helvetic One“. So hat er seinen Wohntruck genannt. „Der USPräsident hat die Airforce One und ich die Helvetic One“, erzählt Gassmann verschmitzt. Ein Angeber ist er trotz des flotten Spruchs nicht, eher ein Verrückter, wie er selbst sagt.
Für seinen Wohntraum hat er einen fast siebenstelligen Betrag hingelegt. Über die genaue Summe schweigt er lieber. Alles an seinem Lebenstraum auf Rädern ist maßgeschneidert. Die Anregungen dazu kommen aus den USA. Gebaut wurde das Reisemobil in Ungarn, nur dort konnte Gassmann seine individuellen Wünsche verwirklichen.
Und die haben es in sich. Chromglänzend, feuerverzinkt, den Smart in einer eingebauten Garage immer genauso dabei wie seine beiden E-Bikes. Mit heraus schwenkbarer Barbecuestation, bestehend Stammgäste mit vollem Terminkalender: Grete und Reinhard aus Bad Zwischenahn
aus Keramikgrill und Kühlschrank, 1000 Liter Frischwasser, acht Kilowatt Stromgenerator könnte er locker mehrere Wochen in der Wüste überleben.
Wer den 61-Jährigen besucht, bekommt als Erstes blaue Plastiküberzieher gereicht. Auf den weichen Teppichen mit zentimeterhohem Flor wären Straßenschuhe wohl auch fehl am Platz. Gäste bewirtet er auf weißer Ledercouch mit Plüschbezug.
Luxus ist auch das Thema des Platzes, auf dem Gassmann steht. Das Meer vor der Nase, die Berge im Rücken schlagen dort hauptsächlich Deutsche, Niederländer, Franzosen, Briten, Skandinavier und Schweizer den kalten Wintermonaten daheim ein Schnippchen. Südlich von Alicante gelegen hat sich das Fünf-Sterne-Campingresort „La Marina“einen Namen als eine Art Robinsonclub für Überwinterer gemacht. Allerdings ohne das Animationsgedöns, das man vom Cluburlaub kennt.
Die meisten Camper kommen Ende September und bleiben bis Ende März. Ihr Berufsleben haben sie längst hinter sich, jetzt wollen sie ihr Rentnerdasein genießen und haben sich dafür das Florida Spaniens ausgesucht. Im mediterran milden Klima mit bis zu sieben Stunden Sonnenschein lässt es sich gesund altern. Der wöchentliche „Activity“-Plan lädt zur RundumBeschäftigung ein. Stretching, Square Dance, Spanischkurse, Pilates und Malen lassen keine Langeweile aufkommen. Für Langzeitcamper ist der Eintritt ins Fitness-Studio und Spa sogar kostenlos.
430 Camper nimmt das Resort derzeit auf. Je nach Geldbeutel sind die Stellplätze zwischen 60 und 100 Quadratmeter groß. Manchen reicht aber selbst der größte Platz nicht. Das sei ein Problem, meint
La-Marina-Marketingchefin Cintia Torres. „Wir beobachten schon länger, dass die Wohnmobile immer länger werden. Viele Camper haben das Geld für teure Mobile. Die brauchen einen entsprechenden Platz, und darauf müssen wir uns einstellen“.
Kaffee im Sonnenschein
Angefangen hat der Campingplatz mit 15 Plätzen vor 35 Jahren. Seitdem steht die Planierraupe nicht still. Von September bis Ostern ist der Club immer komplett ausgebucht. Die meisten reservieren schon, wenn sie Ende März wieder nach Hause fahren, weiß die Marketingchefin. „Wir haben Camper, die kommen seit zwölf Jahren jedes Jahr.“Rund 550 Euro kostet ein Stellplatz pro Monat, wenn man sich auf ein halbes Jahr festlegt. Mehr als die Hälfte der Camper tun es und stammen aus Deutschland.
Auch Grete und Reinhard aus Bad Zwischenahn sind dem trüben Grau des Ammerländer Winters entflohen. Das Ehepaar reist mit einem 20 Jahre alten Caravan, zwei Campingtischen und Stühlen. Der einzige Schnickschnack sind ein paar Pflanzen auf dem Tisch, mehr muss für sie nicht sein. Und so genießen sie es, morgens vor ihrem Wohnwagen sitzend den ersten Kaffee in den warmen Sonnenstrahlen zu trinken. „Das ist für mich absolute Freiheit“, sagt die 69-jährige Grete. Die einzigen Zugeständnisse in so etwas wie Luxus sind Fernsehen und Internetverbindung. Vor allem der Kontakt mit Tochter und Enkeln ist den Rentnern wichtig.
Die Zwischenahner sind das, was man Campingprofis nennen könnte. Vor genau 50 Jahren waren sie das erste Mal gemeinsam unterwegs. In einem Zelt, dessen Stangen die beiden bei Sturm und Regen
Beste Reisezeit im Winter:
noch festhalten mussten, damit das Ganze nicht zusammenbrach. Frisch verlobt waren sie damals. Jetzt überwintert das Paar schon das siebte Mal an der Costa Blanca.
„Zu Hause ist im Winter doch sowieso tote Hose. Da haben wir es hier besser getroffen“, meint Gretes Mann. Jeden Tag haben die beiden volles Programm. Sie gehören zu den fitten Rentnern. Will man sich auf einen Kaffee mit ihnen verabreden, holt Reinhard erst mal seinen Terminkalender hervor. Und der ist voll. Die beiden spielen Tennis und Boule, jeden Mittwoch gehen sie mit einer Wandergruppe ins Hinterland, freitags wird sich zum Fischessen verabredet. Ihr Bekanntenkreis ist groß und besteht aus den Stammgästen, die ihren Winter ebenfalls an der Costa Blanca verbringen.
Vor sechs Jahren waren Reinhard und Grete das erste Mal zum Überwintern im Süden Spaniens. Nach der Pensionierung wollte Reinhard mit seiner Frau drei Monate durch Spanien reisen. Mit dem täglichen Blick auf den Wetterbericht war klar: „Da müssen wir hin“, denn an der Küste von Alicante ist der Winter ein Frühling. Genau das haben sie sich für ihr Alter gewünscht „Was für ein schönes Leben“, lacht der Rentner und erzählt, dass er Ende November noch im Mittelmeer schwimmen gewesen sei.
Meer zum Frühstück
Eine andere Art des Überwinterns praktiziert Jochen Gippert. Der 68-Jährige hat nur noch eine Meldeadresse bei seiner Tochter in Leer. Einmal im Jahr ist er dann „zu Hause“. Lange hält er es dort allerdings nicht aus. „Ich bin halt ein Wandervogel, und meine Kinder finden es toll, wenn ich reise“, lacht Gippert. Seit sechs Jahren tourt er mit von Oldenburg nach Alicante beträgt 2170 Kilometer.
Gebühren:
Die Mautgebühren für Wohnwagengespann je nach Fahrstrecke belaufen sich auf etwa 130 Euro. Ein 80 Quadratmeter großer Stellplatz im Campingresort „La Marina“kostet für sechs Monate etwa 550 Euro (zuzüglich Strom), ein Stellplatz außerhalb kostet ab sechs Euro/Tag.
@ www.lamarinaresort.com
Peinem in die Jahre gekommenen Wohnmobil durch Spanien. „Lebensfreude haben wir Rentner gelernt. Heute gönnen wir uns sich selbst etwas, statt alles zu vererben.“
Gippert ist auch Mitglied in der Facebook-Gruppe „Überwintern in Spanien“. In den letzten drei Monaten ist die Gruppe, die ein Informationsportal sein will, um 4000 Mitglieder auf fast 10 000 angewachsen.
Die Frage nach freien Plätzen an der Costa Blanca ist denn auch die am meisten gestellte in der Facebook-Gemeinschaft. Wer keinen ergattert, mischt sich mit seinem Wohnmobil unter die sogenannten Freisteher. Sie stehen in den Dünen und bekommen das Meer schon zum Frühstück serviert. Den meisten Reisemobilisten ist das sowieso am liebsten.